„Konjunkturaufschwung geht zu Ende“
Der von mir sehr geschätzte Thomas Mayer im Interview mit der FINANZ und WIRTSCHAFT. Nachdem ich in einem Gastbeitrag für das Handelsblatt in der vergangenen Woche mit Blick auf VW vor einer Rezession gewarnt hatte, kam von einigen Seiten Kritik. Es sähe doch in Europa und vor allem den USA sehr gut aus. Da kann ich nur mit Larry Summers sagen, dass Volkswirte noch nie eine Rezession vorhergesagt haben. Ist auch geschickter, denn wenn alle positiv sind, fällt man hinterher nicht auf. Mayer ist aber skeptisch. Die Highlights:
- „… in den USA steigen die Lohnstückkosten bereits schneller als die Erzeugerpreise ohne Nahrungsmittel und Energie. Wenn die Arbeitskosten der Unternehmen steigen und ihr Gewinn schrumpft, dann dauert es nicht mehr lange, bis sie die Investitionen kürzen und die Zahl der Mitarbeiter verringern. Seit den Sechzigerjahren wurden die Aufschwünge in den USA immer auf diese Weise beendet.“
- „… bei der jüngsten Entscheidung des Fed, den Leitzins unverändert zu lassen, nicht so sehr die heimische Lage entscheidend war, sondern die globale wirtschaftliche Situation. Bemerkenswert ist, dass die Fed-Präsidentin Janet Yellen auch die weltwirtschaftliche Situation beleuchtet hat.“ – bto: In der Tat war das die „Sensation“. Zeigt aber auch, dass die Welt wirtschaftlich multi-polar geworden ist. Wie sehr die Wirtschaft in den Schwellenländern gerade abstürzt zeigt die FT:
- „Die Geldpolitik wird künftig nicht mehr mithelfen können, eine schwierige wirtschaftliche Situation zu überwinden. Das Pulver ist verschossen. Nach der letzten Wirtschafts- und Finanzkrise war es politisch nicht durchsetzbar, die Ungleichgewichte, die sich gebildet hatten, konsequent zu bereinigen. Zwar gelang es, eine Depression zu verhindern, aber die notwendige schöpferische Zerstörung, die einen kraftvollen konjunkturellen Neuanfang ermöglicht hätte, wurde nicht gewagt. So ist unter enormem Mittelaufwand, mit dem der Aufschwung in Gang gesetzt worden ist, der Erfolg für das Wachstum eher bescheiden.“ – bto: genau!
- „Das Hauptproblem sind die Schwellenländer. Sie haben zwar in der Finanz- und Wirtschaftskrise verhindert, dass die Weltwirtschaft in eine tiefe Rezession fiel. Aber die einstigen Hoffnungsträger leiden heute unter erheblichen Problemen. Sie spüren die kräftig gefallenen Rohstoffpreise, hinzu kommen gravierende Probleme in der Wirtschaftspolitik.“ – bto: Ja, wer ist jetzt der nächste Schuldner?
- „… befinden sich alle Schwellenländer in einer wirtschaftlichen Anpassungskrise, die längere Zeit dauern wird. Wenn in diesem weltwirtschaftlich schwierigen Umfeld dann auch die amerikanische Wirtschaft beginnen würde, zu schwächeln, dann könnte es rasch zu einer Weltrezession kommen. Europa fehlt es an wirtschaftlicher Kraft, dem etwas entgegenzusetzen.“ – bto: Und dann kommt der Euro massiv unter Druck.
- „Die Euroländer, denen es konjunkturell ein wenig besser geht, haben sich über ihre Ausfuhren erholt. Dabei hat sich eine Hierarchie der Exportnationen herausgebildet: Deutschland fährt riesige Exportüberschüsse ein, und die anderen konjunkturell florierenden Euroländer beliefern mehr oder weniger intensiv die deutsche Exportindustrie.“ – bto: Die Eurozone entzieht der Welt Kaufkraft in der Größenordnung vom BIP Argentiniens.
- zu VW: „Der Exportweltmeister hat ein spektakuläres Eigentor geschossen. Das setzt dem Selbstvertrauen hart zu, während die Wettbewerber vor Schadenfreude beinahe platzen. Wenn wir jetzt nicht die Ärmel hochkrempeln und härter arbeiten, werden wir bald wieder als der ‚kranke Mann Europas‘ dastehen. Man kann nur hoffen, dass die Berliner ‚grosse Wohlfühlkoalition‘ die Zeichen der Zeit endlich erkennt und nicht mit ihren Wahlgeschenken weiter die Belastbarkeit der Wirtschaft testet.“
- „Wir befinden uns in einem kalten Währungskrieg. Zuerst werteten die Amerikaner ab, es folgten die Briten und die Japaner. Und schliesslich konnte auch die EZB mit ihrem Programm der quantitativen Lockerung den Euro schwächen. Auch die Schwellenländer machen den Abwertungswettlauf seit einiger Zeit schon mit. Sollte sich das globale Wachstum weiter abschwächen, wird sich das Abwertungskarussell künftig noch schneller drehen.“
- „Der Euro ist eine künstliche, von der Politik herbeigeführte Währung, die in der Bevölkerung des Eurolandes weniger Rückhalt hat, als dies bei anderen Währungen mit tiefen Wurzeln in der Gesellschaft der Fall ist. Der Euro dürfte daher in einer Währungskrise als Erster straucheln.“ – bto: … oder, weil die EZB nicht so leicht und rasch mitmachen kann (???), könnte der Euro zu Stärke neigen …, was das eigene Überleben unwahrscheinlicher macht.
→ FINANZ und WIRTSCHAFT: „Konjunkturaufschwung geht zu Ende“, 2. Oktober 2015