Ist ein Ende der globalen Spar­schwemme zu erwarten?

Zeitenwende ist das Thema der Stunde. Wobei der Verdacht naheliegt, dass viele Akteure die Dimensionen und die Folgen noch nicht erfasst haben.

So lohnt heute der Blick auf einen weiteren Aspekt, auf den wir uns einstellen müssen: das Ende der Sparschwemme – so es diese denn gab. Ich würde immer noch sagen, es ist eher eine Schuldenschwemme. Aber lesen wir mal, was in der FINANZ und WIRTSCHAFT (FuW) zu finden war:

  • Im Jahr 2005 führte Ben Bernanke, damals Gouverneur der US-Notenbank Fed, die Idee einer globalen Ersparnisschwemme (Savings Glut) ein. Damit wollte er erklären, warum die USA ein anhaltendes Leistungsbilanzdefizit aufweisen. In Abkehr von den akademischen Überlegungen der Achtziger- und Neunzigerjahre argumentierte er, dass Ersparnisüberschüsse ausserhalb der USA die Zinsen – besonders die langfristigen – niedriger halten, als sie es sonst wären.“ – bto: Vorteil: Die Notenbank muss ja dann unschuldig sein.
  • Die Leistungsbilanzdefizite der USA blieben bestehen, weil amerikanische Staatsanleihen attraktiv waren für Sparer in aller Welt, die gerne vermeintlich sichere Anlagen hielten. Früher war man davon ausgegangen, dass diese anhaltenden Defizite irgendwann die Stabilität des Dollars gefährden und die US-Zinsen nach oben treiben würden, zum Schutz vor Inflation und finanzieller Instabilität im Inland.“ – bto: Und genau diese These habe ich auch in den letzten Wochen diskutiert. Es war Teil des Planes nach dem Ende von Bretton Woods. Es hat einfach „zu gut“ funktioniert.
  • „(…) ich habe Bernankes These nie wirklich geglaubt. Ich war aus zwei Gründen skeptisch. Erstens ist die Zahlungsbilanz eines Landes eine buchhalterische Grösse, die die Leistungsbilanz und die Kapitalbilanz umfasst. Die Leistungsbilanz wird durch die inländische Spar- und Investitionsbilanz bestimmt. Ein Land, das mehr spart als investiert, hat einen Ersparnisüberschuss und einen Leistungsbilanzüberschuss. Umgekehrt hat ein Land, das mehr importiert als exportiert (zumindest gemäss der Leistungsbilanz), ein Handelsdefizit. Daraus folgt jedoch nicht, dass die Kapitalbilanz (die den Geldfluss ins und aus dem Land spiegelt) zwangsläufig die Entwicklung der Leistungsbilanz bestimmt.“ – bto: Das ist das Henne-Ei-Problem. Es bleibt die Tatsache mit Blick auf Deutschland, dass wir unser Geld schlecht anlegen.
  • Zweitens könnte der allgemeine Rückgang der Obligationenrenditen in erster Linie darauf zurückzuführen sein, dass die These von der Sparschwemme mit einer Periode anhaltend niedriger Inflation zusammenfiel.“ – bto: und einer Periode stark wachsender Verschuldung von Privaten und Staaten.
  • Doch nun stellen zwei neue Entwicklungen die These der Sparschwemme auf eine weitere Probe. Erstens scheinen wir in eine Ära höherer Inflation eingetreten zu sein, die sich als anhaltend erweisen kann oder auch nicht. Für die Zentralbanken besteht die einzige Möglichkeit, dafür zu sorgen, dass sie nur vorübergehend ist, darin, ihre Geldpolitik zu straffen und ein normales Niveau positiver Realzinsen anzustreben, statt sich an alte Theorien zu klammern, um ihr anhaltend niedriges Niveau zu rechtfertigen. Es ist zu hoffen, dass sich alle an ihren Grundkurs in Volkswirtschaftslehre erinnern, der besagt, dass es einen engen Zusammenhang zwischen der Trendrate des Wirtschaftswachstums und den Realzinsen geben sollte.“ – bto: Es gibt aber, so wie es aussieht, kein Interesse der Notenbanken, diesen schweren Weg zu gehen.
  • Die zweite wichtige Entwicklung sind die westlichen Sanktionen gegen Russland, einschliesslich des Einfrierens eines grossen Teils der westlichen Devisenreserven der russischen Zentralbank (des Löwenanteils ihrer finanziellen Kriegskasse). Diese Meisterleistung könnte andere Inhaber überschüssiger Reserven dazu veranlassen, nicht mehr so viele Devisen anzuhäufen, was Bernankes globaler Sparschwemme ein Ende setzen würde.“ – bto: „Meisterleistung“ klingt nach Kritik und damit auch nach Skepsis, dass der Schuss nach hinten losgehen könnte.
  • Wir sollten es begrüssen, wenn der Wert der Währungen anderer Länder stärker steigen kann, wodurch die Realeinkommen der Einwohner zunehmen. Eine höhere Kaufkraft würde es ihnen ermöglichen, mehr ausländische Waren zu kaufen. Die Staats- und Regierungschefs dieser Länder könnten sogar erwägen, eine Politik zu verfolgen, die ihre inländische Sparquote senkt und den inländischen Konsum und die Investitionen erhöht. Das wiederum könnte sogar indirekt zu einem Anstieg der inländischen US-Ersparnisse beitragen.“ – bto: Witzigerweise ist die Politik in Deutschland genau dabei, das zu tun. Leider nicht zur Mehrung des hiesigen Wohlstands, sondern zur Verfolgung ideologischer Projekte.
  • Und zum Thema der Diversifikation aus dem Dollar heraus: „(…) es ist nicht klar, welche anderen hoch liquiden Währungen man mit Vertrauen halten könnte. In Ermangelung von Alternativen könnten sich mehr Länder fragen, warum sie überhaupt so hohe Reserven halten sollten. Wenn dies der Fall ist, und vor allem wenn sich der Inflationstrend der vergangenen dreissig Jahre umkehrt, könnten die Turbulenzen, die wir bisher in diesem Jahr an den Obligationenmärkten erlebt haben, nur ein Vorspiel sein.“ – bto: Das würde die Zinsen deutlich erhöhen und die Notenbanken noch mehr in die Pflicht nehmen.