Immobilien­eigen­tümern wird es an den Kragen gehen

Schon 2017 habe ich geschrieben:

Absehbar: Immobilieneigentümer dürfen die Rechnung bezahlen

Schon in früheren Beiträgen wies ich auf die Gefahren der Geldanlage in Immobilien hin. Zwar gehören Immobilien in jedes diversifizierte Portfolio, allerdings muss man sich der erheblichen Gefahren des Zugriffs des Staates bewusst sein. Mietpreisbremse und neuerdings „Milieuschutz“ geben einen Vorgeschmack auf das, was noch kommen könnte.

So ist es keineswegs neu, Immobilien mit Zusatzabgaben zu belegen. In der Weimarer Republik wurde die Hauszinssteuer eingeführt, um Immobilienbesitzer nach der Hyperinflation höher zu besteuern. Die Nazis haben später die Möglichkeit geschaffen, die Steuerschuld auf einen Schlag zu bezahlen, die sogenannte Hauszinsabgeltungssteuer. So innovativ ist France Strategie nun also wahrlich nicht.

Was man noch brauchte, war ein Vorwand. Und den liefert auch diesmal Corona. Im perfekten Gefühl für das, was gewünscht ist, ist das DIW wieder an vorderster Stelle – wie schon bei der Vermögensabgabe. Herr Fratzscher scheint nur einen Gedanken zu haben.

So durfte sein Kollege bei SPIEGEL Online erläutern, “warum Immobilieneigentümer für die Krise zahlen sollten”. Und da dachte ich mir, schauen wir uns doch die Argumente mal an:

  • “Gut 100 Jahre ist es her, dass das industrialisierte Deutschland seine erste große wirtschaftliche Krise erlebte. Auf die Kriegsjahre und die heftig grassierende Spanische Grippe folgte die Hyperinflation, die zu massiven wirtschaftlichen Verwerfungen führte. Damals gab es allerdings auch Krisengewinner: Eigentümerinnen und Eigentümer von Grund und Boden profitierten von der Wertstabilität der Immobilien und der gleichzeitigen Entwertung der aufgenommenen Schulden.” – bto: Abgesehen davon, dass es davor den Gründerkrach gab, handelt es sich um die massive Vernichtung von Ersparnissen der Bevölkerung. Dies ist heute nicht der Fall. Die Ersparnisse sind nicht beeinträchtigt. Außerdem sind die Schulden der Immobilieneigentümer auch noch in voller Höhe da.
  • “Damals einigte man sich darauf, mit der Hauszinssteuer die Krisengewinner an den Kosten zu beteiligen. Darüber sollte auch heute nachgedacht werden.” – bto: Mit der Einführung der Steuer sank der Marktwert der Immobilien deutlich. Da aber heute die Schulden nicht weg sind, dürften nicht wenige Immobilien weniger wert sein als die Schulden. Wer also so denkt, will die Immobilien faktisch enteignen.
  • “Ein Jahrhundert später sind es ebenfalls die Eigentümer von Grund und Boden, die von der schweren wirtschaftlichen Krise bislang weitgehend verschont blieben …” – bto: Dazu ist einiges zu sagen: a) Es ist absehbar, dass in der kommenden Insolvenzwelle viele Mieten ausfallen und die Gewerbemieten deutlich sinken. Außerdem haben nicht wenige Vermieter auf Forderungen verzichtet. b) Wer sind denn die wirklichen Krisengewinner? Nun, da sind zum einen die Rentner, denen mitten in der Krise die Renten um 3,45 Prozent erhöht wurden und die Angestellten im öffentlichen Dienst, die nicht nur einen sicheren Arbeitsplatz haben, sondern Corona-Sonderzahlungen von 300 bis 600 Euro bekamen und in diesem und kommenden Jahr Gehaltsanpassungen von 1,4 bzw. 1,8 Prozent. Ich würde sagen, das sind Gewinner. c) Alle Lohnempfänger relativ zum Kapital, wie auch der SPIEGEL berichtet: “Die Arbeitnehmerentgelte haben 2019 die Einkommen aus Unternehmen und Vermögen fast eingeholt, was das Wachstum seit dem Jahr 2000 betrifft – nachdem sie lange deutlich zurücklagen. (…) Im ersten Halbjahr 2020 ließ der tiefe Wirtschaftseinbruch durch die Coronakrise die Kapitaleinkommen weit stärker abstürzen als die Arbeitnehmerentgelte.” → spiegel.de: “So ungleich ist Deutschland”, 23. Januar 2021. Dies spricht nicht für die Immobilien als die “Gewinner”. Zwar geht der Artikel dann auch auf die Vermögen ein, unterschlägt aber die Ursachen (Renten, fehlendes Immobilieneigentum, hoher Anteil der Vermögen in Unternehmen).
  • Doch zurück zur Forderung, Immobilien zu besteuern: “Laufen die Geschäfte schlecht, dann sinken die Löhne für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Viele müssen in Kurzarbeit, einigen droht gar die Kündigung. Ebenfalls gehen die Gewinne der Unternehmen zurück – das eingesetzte Kapital wird geringer verzinst – denn die Betriebskosten können nicht in demselben Maße reduziert werden, wie die Umsätze zurückgehen.” – bto: Komisch, dass dann die Lohnquote steigt? Klar, die Angestellten im öffentlichen Dienst zählen ja mit. 
  • “In Spitzenlagen haben sich die Mieten in den vergangenen Jahren vervielfacht: Beispielsweise hat sich die Miete von Berliner Ladenlokalen innerhalb von zehn Jahren verdoppelt – Büroflächen wurden teils für das Zwei- oder Dreifache der Miete wieder auf den Markt geworfen. All das galt unter der Annahme florierender Geschäfte. Die zugrundeliegenden Mietverträge wurden in beiderseitigem Einvernehmen meist auf Jahre geschlossen. Die Coronakrise hat diese Geschäftspläne zumindest kurzfristig obsolet gemacht.” – bto: weshalb Mietausfälle und Senkungen drohen. Das wird der Markt sehr schnell regeln. Und: In zehn Jahren verdoppelt entspricht rund sieben Prozent pro Jahr. Dies, nachdem die deutschen Immobilien fast 30 Jahre keinen Wertzuwachs hatten.
  • “Dennoch werden die Mietzahlungen allergrößtenteils pünktlich und vollständig geleistet. Die Preise von Immobilien steigen praktisch ungebremst. Ein wichtiger Grund hierfür ist eine äußerst expansive Geld- und Finanzpolitik, die den Rückgang der Einkommen von Haushalten begrenzt und die Unternehmen insbesondere bei den Fixkosten entlastet. Einen Gewinnausgleich hingegen gibt es nicht: Das Eigenkapital wird Stück für Stück verzehrt. Immobilieneigentümer profitieren letztlich davon, dass der Staat an anderer Stelle aushilft.” – bto: Was für eine unpräzise Argumentation! a) Geldpolitik treibt die Immobilien, das sollte man auch so klar sagen. b) Die Staatshilfen laufen aus, es drohen Insolvenzen, damit Leerstand und Mietsenkungen. Wenn es einem Unternehmen gut geht – nehmen wie Starbucks oder einen Getränkehändler, warum soll dann der Vermieter seine Miete nicht bekommen und behalten?
  • “Dass der Faktor Boden allerdings weitestgehend von den Folgen der Krise freigehalten wird, ist schwer zu akzeptieren.” – bto: Und was ist mit dem Zeitraum 1995 bis 2016, wo die Immobilien in Deutschland real keinen Wertzuwachs hatten? → Deutsche Immobilien unterbewertet?

Quelle: IWF

  • Vieles spricht daher dafür, die Eigentümerinnen und Eigentümer zumindest nachträglich auch an der Finanzierung der Krisenlasten zu beteiligen. Auch der Faktor Boden unterliegt – wie ein Gewerbebetrieb – wirtschaftlichen Risiken. (…) Das bedeutet gleichzeitig, dass ein kleiner Teil der Gesellschaft einen großen Teil des Vermögens schadlos halten kann und sogar von Wertsteigerungen profitiert. Die Idee einer moderaten Mietensteuer wie in den Zwanzigerjahren ist in dieser Hinsicht charmant. Denn diese besteuert nicht die Substanz, sondern die Erträge von Grund und Boden – und zwar abhängig von der Höhe der Erträge.” – bto: Nur zur Info, der Vermieter zahlt auch Einkommenssteuer.

spiegel.de: “Warum Immobilieneigentümer für die Krise zahlen sollten”, 23. Januar 2021