Geld direkt für die Bürger
Aus aktuellem Anlass heute nochmals der Beitrag vom 19. November, in dem ich erläutere, weshalb die EZB das Geld lieber den Bürgern als den Banken geben sollte. Ebenfalls dazu passend ist dieser Beitrag:
→ QE kommt, nutzt nichts und zeigt den Kaiser nackt
Na, da habe ich mir ja einige Kritik eingehandelt. Zuerst mit den 10.000 Euro für jeden, nun mit den 5.000. Ein Blick in die Kommentare auf diesen Seiten gibt einen sehr guten Überblick über den zentralen Konflikt, in dem wir uns befinden. Gläubiger versus Schuldner. Ich habe sehr viel Sympathie für die Sicht der Gläubiger. Auch für die Sicht, dass gerade jene, die bereits seit Jahren hohe Steuerlasten tragen, erneut zur Kasse gebeten werden. Gerecht ist das nicht. Vor allem wenn man bedenkt, dass die Profiteure der jahrzehntelangen Schuldenwirtschaft andere sind. Doch glaube ich, es nutzt uns nichts, wenn wir auf unser Recht pochen. Die Schuldner können nicht zahlen, und je länger wir wider besseren Wissens auf unseren Forderungen bestehen, desto größer wird der Anteil der Forderungen, die nicht bedient werden können. Besser ist dann allemal, wie bei einer Unternehmensinsolvenz, gemeinsam eine Sanierung zu versuchen, bei der alle Beteiligten einen Beitrag leisten.
Doch wie komme ich zu den ‒ zugegeben extremen ‒ Gedanken zur Geldpolitik? Hier die Zusammenfassung, die regelmäßigen Besuchern von bto wohlbekannt ist.
- In Europa sind viele Ländern überschuldet und zwar Staat, Nichtfinanz-Unternehmen und private Haushalte.
- Der Anteil nicht mehr bedienbarer Schulden dürfte bei drei bis fünf Billionen Euro liegen.
- Die Geldpolitik hat den “Schuldenturm” vor dem Einsturz bewahrt, kann ihn aber nicht abtragen, weil bei Überschuldung Inflation nur durch Zerrüttung des Vertrauens in Geld erzielt werden kann. Alle wollen nämlich “Deleveragen” also Schulden abbauen, was deflationär wirkt (und damit den Schuldenberg relativ noch erhöht, siehe Irving Fisher).
- Die Lösung kann nur eine Schuldenrestrukturierung sein, entweder ungeordnet über Pleiten oder (besser!) geordnet über einen Schuldentilgungsfonds, bei dem die Gläubiger auch verzichten. Kosten für Deutschland wären eine Billion plus x.
- Die Politik scheut sich in diese Richtung zu gehen, weshalb die Last weiter bei der EZB bleibt. Da diese das Problem nicht durch Inflation lösen kann, gibt es drei Optionen für die Geldpolitik.
- 1: Weiter wie bisher, was zwar noch stabilisierend wirkt, aber nur Spekulation anheizt, während die Schulden weiter schneller als die Wirtschaft wachsen. Geht nicht ewig gut.
- 2: Kauf von Staatsanleihen und danach “Annullierung” ‒ das wäre der Schuldentilgungsfonds ohne demokratische Legitimierung und auch ohne Gegenleistung für die Gläubiger (wie echte Reformen) und trägt die Gefahr in sich, dass die Bevölkerung das Vertrauen in Geld verliert und/oder der Geldüberhang dann doch den Weg in die Realwirtschaft findet. Folge: Ketchup-Inflation.
- 3: Eine wirksamere Version von 1. wäre, Geld direkt an die Bürger zu zahlen, weil a) gerechter, da alle und nicht nur Banker/Spekulanten verdienen. b) Hilft den echten Schuldnern, was c) dann auch den Banken hilft. d) Belebt den Konsum. Risiko ist auch hier ein Vertrauensverlust, aber geringer als bei 2.
- Um wirksam zu sein, muss es ein bedeutender Betrag sein. Ich denke 5.000 Euro sollten es mindestens sein. Wenn man schon diesen Weg geht, dann massiv. 10.000 Euro pro Kopf würde rund drei Billionen entsprechen.
Wie gesagt: Mir wäre der transparente Weg der Restrukturierung lieber, aber ich denke, die letzten fünf Jahre lehren, es wird nicht kommen. Dann droht Chaos.
Wieso Geldpolitik nicht funktioniert und welche Nebenwirkungen sie hat, bringt ein Interview in der FINANZ und WIRTSCHAFT auf den Punkt:
- “Wir leben in einer Welt geistiger Umnachtung. Rund um den Globus lassen die Zentralbanken die Geldpresse auf Hochtouren laufen. Wie die Geschichte zeigt, hat Gelddrucken aber noch nie funktioniert. Schon als das Römische Reich unterging, wurden die Silbermünzen gestreckt, um mehr Geld zu schaffen. Ebenso liess Reichsbankpräsident Rudolf Havenstein während der Hyperinflation in der Weimarer Republik die Druckmaschinen Tag und Nacht laufen. Nun begehen wir den gleichen Fehler erneut.”
- “In meinem Büro hängt ein Zitat des Ökonomen Ludwig von Mises, gemäss dem jede Kreditausdehnung letztlich in allgemeiner Verarmung endet. Von Mises hat auch gesagt, dass ein Boom nur so lange anhält, wie das Kreditvolumen in immer höherem Tempo wächst. Genau in diesem Teufelskreis stecken die Zentralbanken.”
- “Wie lange das globale Experiment der Zentralbanken noch weitergehen kann, weiss ich nicht. Es fühlt sich aber mehr und mehr so an, als ob wir uns dem Tag nähern, an dem alles ausser Kontrolle gerät und im Chaos endet.”
- “Der Markt ist aber auch heute zu annähernd 25% überbewertet. Hinzu kommt, dass viele Unternehmen den Gewinn pro Aktie durch Rückkäufe künstlich aufblähen und für solche Tricks ein Rekordvolumen an Schulden anhäufen. Die Einnahmen hingegen halten nicht mit. So ist das Kurs-Umsatz-Verhältnis heute höher als in den Jahren 2000 und 2007.”
- “Derzeit sind so gut wie alle Preise manipuliert: Zinsen werden künstlich tief gehalten, Aktien gepusht und Gold nach unten gedrückt. Am Terminmarkt wird mit riesigen Kredithebeln gezielt versucht, technisch wichtige Widerstandslinien des Goldpreises zu brechen. Diese Angriffe finden nachts oder frühmorgens statt, wenn der Handel dünn ist. Kurzfristig mag das funktionieren. Klar ist aber, dass die Nachfrage nach physischem Gold steigt. Auch ist die Leasing-Rate für Gold momentan negativ, was sehr selten ist und auf Engpässe hindeutet.”
bto: Die Geldpolitik nähert sich dem Ende und wird ‒ so unglaublich es klingen mag ‒ noch aggressiver werden. Und dann doch lieber zugunsten der eigentlichen Schuldner wie oben diskutiert. Gut ausgehen dürfte das Ganze, wie gesagt, nicht.
→ FINANZ und WIRTSCHAFT: «Gelddrucken hat noch nie funktioniert», 18. November 2014