Geht es dem Esel …

… zu gut, geht er aufs Eis. So zumindest das Sprichwort. Geht es ihm schlecht, wählt er “populistisch”, könnte man ergänzen.

Das Wahlergebnis zu den Europawahlen scheint dies zu bestätigen. Wo die Wirtschaft nicht so gut läuft, werden eher diejenigen gewählt, die für Protest stehen. Siehe Italien und Frankreich. Das fasst auch Thomas Fricke auf SPIEGEL ONLINE gut zusammen:

  • “Es ist gar nicht so sicher, ob der EU-Popularitätszuwachs aus jüngster Zeit so viel mit dem abschreckenden Brexit-Effekt zu tun hat. Es könnte sein, dass stattdessen die Konjunktur in fast allen Ländern in dieser Zeit einfach besser lief. Was nur bedingt mit der EU zu tun hat, die EU-Beliebtheit aber zu beeinflussen scheint. Dann könnte es bald wieder vorbei sein mit der neuen Liebe.” – bto: So gesehen hatte die EU Glück mit dem Zeitpunkt der Wahlen.
  • “Einen Rekordbeliebtheitswert bekam die EU Anfang 2007 – als die Konjunktur überall brummte (…) Danach stürzten in der Krise die Konjunkturwerte – und ebenso die EU-Zuneigung. Zwischen 2009 und 2013 lag der Anteil derer, die es wirtschaftlich irgendwie gut fanden, bei nur noch 20 bis 30 Prozent. Und siehe da: 2013 war auch die Liebe zur EU weg – Tiefpunkt bei nur noch 30 Prozent Positivurteilen.” – bto: angesichts der ungelösten Probleme der Eurozone also nur eine Frage der Zeit, bis die Stimmung massiv kippt.

Quelle: SPIEGEL ONLINE

  • “In sechs Staaten lag vergangenes Jahr die Quote der wirtschaftlich Zufriedenen bei 88 oder mehr Prozent. Und: Alle sechs gehören auch zu den Ländern, in denen die Mehrheit noch angibt, dass sie der EU vertraut – in Luxemburg, den Niederlanden, Dänemark, Schweden und Malta, ebenso wie in Deutschland. Umgekehrt ist die Zuneigung zur EU just in Ländern wie Griechenland, Spanien, Italien und Frankreich enorm gefallen, in denen nur 6 bis 25 Prozent der Leute die Wirtschaftslage trotz aller Besserung für positiv halten. Auch das ist sicher kein Zufall. In Griechenland sagen nur noch 26 Prozent, dass sie der EU vertrauen – und 94 Prozent, dass es wirtschaftlich schlecht‘ geht.” – bto: Die EU erfüllt das zentrale Wohlstandsversprechen nicht, deshalb die Unzufriedenheit.
  • “Eingebrochen sind die Vertrauenswerte für die EU (…) erst zwischen 2010 und 2013, als die Krise im Euroraum eskalierte – und Brüsseler Beamte mit deutscher Beteiligung überall vorzuschreiben begannen, wer was zu kürzen hat. Was nicht nur demokratisch suboptimal war, sondern nach gängigem Urteil auch ökonomisch eine Katastrophe (…) Das könnte den einen oder anderen Abfall an Zuneigung für die EU erklären. Von Bürgern, die plötzlich für schlechte Banker blechen oder ihre Jobs ersatzlos abgeben mussten.” – bto: Da gebe ich ihm recht, denke jedoch, er springt zu kurz. Das Problem ist nämlich, dass man mit Konjunkturprogrammen zwar kurzfristig die Stimmung hebt, aber nicht das grundlegenden Problem eines strukturell tieferen Wachstums (Demografie, schwache Produktivität) löst. Wir sind nun mal auf dem Weg in unser “japanisches Szenario”.  → Folgt Europa Japan in das deflationäre Szenario (I)?
  • Wenn Wirtschaftslage und EU-Beliebtheit so zusammenhängen, wie es die Erfahrung vermuten lässt, reicht ein bisschen Fantasie, um sich vorzustellen, wie viel davon übrig bleibt, wenn die Konjunktur wieder kippt.” – bto: Das stimmt, nur die Antwort ist eine andere als jene, die Fricke und Co. gerne geben.
  • Wenn das so ist, ist klar, was die EU richtig hip machen würde: zumindest darüber nachzudenken, wie sich mit einem großen Schub die Wirtschaft in den schwächelnden Ländern stärken ließe und Millionen Arbeitslose in Jobs kämen. Und wie es sich am besten verhindern lässt, dass in der nächsten Krise wieder die Sparfanatiker aus der Gruft kommen. (…) Frei nach dem Exportmeister-Motto: Die Krise meiner Freunde ist auch meine Krise.” – bto: Und, liebe SPIEGEL-Leser, was bedeutet das? Genau, ihr sollt euch “solidarisch zeigen” und mehr Steuergeld und Sozialbeiträge an die anderen überweisen. Schließlich lebt ihr ja in einem “reichen Land” und seid “die Hauptprofiteure von Euro und EU” – so zumindest die offizielle Linie hierzulande.

Die Bürger der EU ahnen das natürlich. Sie wissen, dass es sich lohnt, solange im Klub zu sein, wie mehr für sie selbst rausspringt, als im Alternativszenario. Das zeigen auch die Umfragen, wie t-online berichtet:

  • “In der Slowakei, Frankreich, Rumänien, Polen, Italien, Griechenland, Tschechien, Ungarn, den Niederlanden und Deutschland halten es mehr als 50 Prozent der Befragten für sehr wahrscheinlich oder ziemlich wahrscheinlich, dass die derzeitige Europäische Union in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren auseinanderfallen wird‘. In Österreich lag der Wert genau bei 50 Prozent.” – bto: was nur zeigt, dass die Bürger keinen so schlechten Instinkt haben.
  • “Am höchsten ist die Sorge demnach in der Slowakei mit 66 Prozent, gefolgt von Frankreich mit 58 Prozent. (…) In Deutschland sind etwas über 50 Prozent der Befragten der Meinung, dass ein Auseinanderbrechen in den nächsten 20 Jahren eine realistische Perspektive ist.” – bto: Ist es eine “Sorge” oder eine “Erwartung”?
  • “Einzig in Schweden (44 Prozent), Dänemark (41 Prozent) und Spanien (40 Prozent) war keine Mehrheit der Ansicht, dass die EU auseinanderbrechen wird.” – bto: Dabei würde ich bei den Schweden und den Dänen nicht darauf wetten wollen, dass sie selbst dauerhaft dabei bleiben.

Was mich zum Esel führt, dem es offensichtlich zu gut geht. Blickt man auf das deutsche Ergebnis bei der Europawahl und dem Wahlverhalten gerade der Jugend, dann kann man nur konstatieren, dass sich aus einer Kombination der irrigen Annahme, wir wären ein “reiches Land”, dem medialen Trommelfeuer der letzten Wochen und Monate zum Thema Klimaschutz, der – schon zu meinen Zeiten selbst in Bayern! – überwiegend linken Lehrerschaft und dem abflachenden Bildungsniveau der Nährboden bildete, der dazu führt, dass eine ganze Generation denkt, unser Wohlstand wäre selbstverständlich. Das Geld kommt vom Staat, der Strom aus der Steckdose.

Ich erinnere mich gut an die Diskussionen zu meiner Schulzeit. Das Waldsterben war allgegenwärtig, der Atomkrieg stand direkt vor der Tür. Damals gab es noch eine Politik, die längerfristig gedacht hat. Der NATO-Doppelbeschluss wurde von einem SPD-Kanzler durchgesetzt und war ein Beitrag zum Zerfall der Sowjetunion. Den Wald gibt es immer noch.

Deutschland wird nun noch konsequenter den Weg in eine grün angemalte Version der DDR marschieren. Verbote kommen jetzt mit dem grünen Gütesiegel des Umweltschutzes, mit dem man die eigentlich unedlen Neidmotive sogar noch moralisch überhöhen kann.

Die Folge ist klar: Wir werden einen Exodus der Industrie und der qualifizierten und mobilen Menschen erleben. Und wenn die Stimmung angesichts des Niedergangs kippt, wird es für jede Regierung zu spät sein, eine Trendwende einzuleiten. Sind die Schlüsselindustrien einmal weg, die besten Köpfe ausgewandert und das Bildungsniveau bundesweit auf Berliner Niveau, wird das Land, welches das Potenzial hätte zu Gunsten seiner Bürger wirklich “reich” zu sein, für alle offensichtlich ein verarmendes Land sein. Verdient, kann man da nur sagen, wollen wir das doch scheinbar.

→ spiegel.de: “Floppt die Wirtschaft, floppt Europa”, 24. Mai 2019

→ t-online.de: “Mehrheit der Europäer glaubt an Untergang der EU”, 16. Mai 2019