Die Argumente der Linken für mehr Umverteilung

Gestern habe ich meinen Kommentar bei manager magazin online zum Thema “Armut in Deutschland” bei bto veröffentlicht. Dabei habe ich die Daten des Statistischen Bundesamtes analysiert und bin zu dem Schluss gekommen, dass man den Zuwachs der Armut seit 2005 alleine durch den Anstieg der Migranten (vor allem aus bestimmten Regionen) erklären kann. Das ist, was man einfach machen kann.

Gestern berichtete nun DER SPIEGEL über die Ursachen der zunehmenden Kinderarmut in Deutschland. Ergebnis: “Eine Auswertung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung kommt zu einem interessanten Ergebnis: Demnach lässt sich der gesamte Anstieg der relativen Kinderarmut in den vergangenen Jahren mit der Zuwanderung von Flüchtlingen erklären (…).” bto: weshalb meine These, dass der gesamte Anstieg nur auf Migration zurückzuführen ist, wohl stimmen dürfte!

SPIEGEL ONLINE zeigt dazu auch ein Bild:

Quelle: SPIEGEL ONLINE

Das ist natürlich eine bestürzende Tatsache, müssen wir doch davon ausgehen, dass aufgrund verschiedener Gründe (auf allen Seiten, also schlechte Schulen aber eben auch mangelnde Bildungsnähe/Integrationsbereitschaft) aus armen Kindern, arme Erwachsene werden.

Meine Meinung zum Thema “soziale Gerechtigkeit” habe ich an dieser Stelle immer wieder diskutiert. Das klingt herzloser als es ist, weil es mir sehr wohl um die wirklich Bedürftigen geht. Deshalb wollen wir uns an dieser Stelle mit den Thesen von Christoph Butterwegge beschäftigen, dem Kandidaten der Linken bei der letzten Bundespräsidentenwahl. Er diskutiert im Interview mit WirtschaftsWoche Online den 5. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung:

  • Zunächst kritisiert er, dass einige Passagen geändert wurden: “Im Ursprungsentwurf von Nahles beanstandete man Passagen, in denen es um die negativen Effekte von sozialer Ungleichheit, die Notwendigkeit einer Behebung der Verteilungsschieflage und die Möglichkeit der Einflussnahme wohlhabender Bevölkerungsgruppen auf Regierungsentscheidungen ging. Daraufhin entfielen grundsätzliche Überlegungen zum Verhältnis von Armut, Reichtum und Demokratie. Gestrichen wurde auch das Unterkapitel Einfluss von Interessensvertretungen und Lobbyarbeit‘.”bto: In der F.A.Z. hat Patrick Bernau das Gerücht des größeren Einflusses als genau das entlarvt, was es ist: ein Gerücht. → F.A.Z.: “Kaufen die Reichen die Politiker?”, 12. April 2017
  • Das spiegelt die rosarote Sichtweise der Bundeskanzlerin und von Finanzminister Wolfgang Schäuble wider. Beide sagen, den Menschen in Deutschland gehe es momentan so gut wie noch nie (…). Wer Themen wie soziale Gerechtigkeit oder soziale Ungleichheit in den Mittelpunkt rückt, redet aus ihrer Sicht das Land schlecht und stiftet Unfrieden. Der Bericht ist geprägt von der These, dass hierzulande zwar nicht alles gut ist, aber bald gut sein wird, weil die Auseinanderentwicklung zwischen Arm und Reich zehn Jahre zurückliegt.” – bto: In keinem der anderen großen OECD-Länder ist die Ungleichverteilung so gering wie bei uns. Und weshalb sind die Verbesserungen seit 2007 nicht gut? Das Problem erschließt sich mir nicht.
  • Man muss zwischen absoluter und relativer Armut unterscheiden. Absolut arm ist jemand, der seine Grundbedürfnisse nicht befriedigen kann, etwa unter Hunger leidet. Relativ arm ist jemand, der zwar seine Grundbedürfnisse befriedigen kann, aber gemessen am mittleren Einkommen seines Landes relativ wenig vom Wohlstand abbekommt und sich vieles nicht leisten kann, was für die große Mehrheit normal ist.” – bto: Rund 50 % der so definierten “Armen” haben einen Migrationshintergrund. Verglichen mit ihren Heimatländern geht es ihnen deutlich besser – zählt das nicht?
  • Die absolute Armut ist in Deutschland zwar nicht so verbreitet wie in Entwicklungsländern. Aber dass es sie in Deutschland gibt, bestätigt auch der Armuts- und Reichtumsbericht. Er beschäftigt sich beispielsweise mit der extremsten Ausprägung von Armut: Wohnungs- und Obdachlosigkeit. Es gibt in Deutschland 335.000 Wohnungslose und 39.000 Obdachlose mit zunehmender Tendenz.” – bto: Natürlich muss man hier etwas tun. Wir reden von weniger als fünf (!!) Prozent der Menschen, die bei uns als “arm” definiert werden. Vermutlich ist es aber mit Geld alleine nichts getan in dieser Zielgruppe. Dafür bräuchten wir ein Programm, welches an den Grundübeln ansetzt. Ich denke, es ist weniger eine Frage der finanziellen Transfers.
  • Dann geht es um die Ursachen der Armutund zwar um die Deregulierung des Arbeitsmarktes. “Dass Armut trotz Arbeit existiert, hat damit zu tun, dass sich die Qualität der Beschäftigungsverhältnisse vieler Menschen in den letzten Jahren und Jahrzehnten verschlechtert hat.” – bto: Natürlich haben sich durch die Globalisierung Beschäftigungsverhältnisse verändert. Doch ist es nicht besser, die Menschen arbeiten, statt dass sie arbeitslos sind?
  • Eine Steuerpolitik nach dem Matthäusprinzip, das besagt, man gibt den Reichen und nimmt den Armen: So ist der Spitzensteuersatz mehrfach gesenkt worden, aber auch die Körperschaftsteuer und die Kapitalertragsteuer – davon profitieren in der Regel diejenigen, die schon vermögend sind. Gleichzeitig ist die Mehrwertsteuer erhöht worden, was diejenigen, die wenig Einkommen haben, überproportional trifft. Auch der Um- und Abbau des Sozialstaates hatte seinen Anteil daran, dass die soziale Ungleichheit zunimmt.” – bto: Wenn man Steuern senkt, profitieren davon naturgemäß nur jene, die sie auch zahlen. Natürlich würde der Effekt, wie hier dargelegt, stimmen und die SPD war ja für eine deutliche MwSt.-Erhöhung beim letzten Mal. Da Lebensmittel und andere Waren des täglichen Bedarfs einem ermäßigten Steuersatz unterliegen, zieht das Argument nur bedingt.
  • Daraufhin wendete die WiWo ein: “Nach einem gigantischen Anstieg in den Nachkriegsjahrzehnten ist die Sozialleistungsquote dank der Agenda 2010 trotz schwachen Wirtschaftswachstums auf 26,8 Prozent zurückgegangen. In jüngster Zeit stieg sie – trotz starken Wirtschaftswachstums – wieder auf 29,4 Prozent.” Daraufhin die Erwiderung: “In den skandinavischen Ländern ist die Sozialleistungsquote deutlich höher. Das Ansteigen der Sozialleistungsquote ist ein Indiz dafür, dass die sozialen Probleme zugenommen haben, weil es mehr Armut gibt. Laut Statistischem Bundesamt liegt die Armutsrisikoquote bei 15,7 Prozent. In den 1990er-Jahren war sie fast fünf Prozentpunkte niedriger.” – bto: 1. Skandinavien wäre nach dieser Logik ärmer, ist es aber nicht, sondern reicher als wir und auch ungleicher. 2. Ein Anstieg der Ausgaben bedeutet nicht, dass das Problem größer geworden ist, sondern dass die Politik großzügiger geworden ist. Und 3., der Anstieg des Armutsrisikos lässt sich zu 100 Prozent durch die Änderung der Bevölkerungszusammensetzung und den höheren Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund erklären.
  • Es gibt hierzulande weit über 100 Milliardäre, hyperreiche Familien wie die Albrechts, die Schefflers, die Quandt-Klattens und wie sie alle heißen. Diese riesigen Vermögen lässt der Regierungsbericht links liegen. Mit dem Reichtum geht die Bundesregierung schonend um, ja sie verschleiert ihn.” – bto: Okay, lassen wir uns annehmen, dass jeder im Durchschnitt zwei Milliarden besitzt, also in Summe 200 Milliarden. Dann machen wir eine Vermögensabgabe von fünf Prozent pro Jahr, ergibt zehn Milliarden Euro an zusätzlichen Einnahmen. Bundeshaushalt 2017: 329 Milliarden. Die Abgabe bringt also rund drei Prozent vom Haushalt. Noch deutlicher kann man nicht machen, dass es immer auf die Besteuerung der Masse im Mittelstand rausläuft, denn sonst kann man den erhofften Einnahmeeffekt nicht erzielen. Es ist eine Lüge, dass es nur um die wirklich Reichen geht.
  • Die sozial Benachteiligten gehen nicht mehr wählen und nehmen keinen Einfluss mehr auf die politische Willensbildung. In den Nobelvierteln deutscher Großstädte liegt die Wahlbeteiligung bei mehr als 90 Prozent – in den sozialen Brennpunkten ist eine Beteiligung von 40 Prozent schon hoch. Unsere repräsentative Demokratie wird so im Grunde ausgehebelt.” – bto: Was wäre die Antwort? Die Stimmen der reicheren Wähler sollen geringer gewichtet werden? Das hat eventuell nichts mit Geld, sondern mit Bildung zu tun?
  • Der zweite Punkt betrifft die Mittelschicht. Dort geht die Angst vor dem sozialen Abstieg um, was manche Menschen veranlasst, sich politisch eher nach rechts zu orientieren, besonders Angehörige des Kleinbürgertums. (…) Eine Regierungspolitik, welche die soziale Spaltung befördert, verursacht auch politische Verwerfungen. Ich sehe große Gefahren für die Demokratie, wenn diese soziale Polarisierung anhält und politisch nichts dagegen getan wird.” – bto: Nehmen wir mal an, diese These stimmt. Was wäre denn dann zu tun? Es ginge darum, die „Kleinbürger“ zu entlasten. Dies bedeutet vor allem eine Senkung der Abgabenlasten.
  • Krankenschwestern, Erzieherinnen, Altenpfleger leisten viel und verdienen zu wenig. Wer es aber wirklich ernst meint mit der sozialen Gerechtigkeit, muss sich zuerst um diejenigen kümmern, denen es am schlechtesten geht – das tut Schulz aber nicht. Er wendet sich vor allem an Angehörige der Mittelschicht.” – bto: Und wem geht es „am schlechtesten“?
  • Dann fragt die WiWo: „Was würden Sie sich von einem Kandidaten Schulz wünschen?“ Antwort: „Dass er nicht bloß die Leistungsgerechtigkeit in den Blick nimmt, sondern auch die Bedarfs- und die Verteilungsgerechtigkeit. Eine Steuerpolitik, die Reiche und ganz Reiche aus Gründen der Umverteilung von oben nach unten stärker belastet – das wäre eine Forderung, die sich aus der zunehmenden sozialen Spaltung ergäbe.“ – bto: womit wir eine Zusammenfassung der Thesen für mehr Umverteilung haben. Und diese ist nicht sehr überzeugend.

bto: Wir kommen nicht umhin, eine ganz andere Diskussion zu führen. Welche Art der Zuwanderung lassen wir zu und wie gehen wir damit um, um eine Generation von Transferempfängern zu verhindern? Einfach die “Reichen” hoch besteuern (und damit aus dem Land zu treiben), dürfte die falsche Antwort sein. Denn damit beschleunigen wir den Bevölkerungswandel noch mehr in eine nicht tragfähige Richtung.

→ WiW.de: “Die Bundesregierung verschleiert den Reichtum”, 13. April 2017