Deutschland befindet sich in einer Strukturkrise

Die Industrien, auf denen unser Wohlstand basiert, stammen allesamt aus dem Kaiserreich. Damit ist eigentlich schon gesagt, wo das Risiko liegt: Es gelingt uns nicht, neue Industrien zu entwickeln, und die Verteidigung der alten Industrien wird immer schwerer. Klar, deutsche Ökonomen sagen das nicht (laut), aber Franzosen können das. In der F.A.Z.:

  • “Deutschland befindet sich in einer strukturellen, nicht konjunkturellen Krise. Denn die Spezialisierung seiner Industrie ist sehr ungünstig: Auto, Chemie und Maschinenbau stehen für 7,2 Prozent der Bevölkerung. (…) Diesen Industriebereichen geht es sehr schlecht, denn sie setzen auf die Produkte von gestern.” – bto: Ja, absolut richtig. Auch unsere Patente sind auf die Optimierung in diesen Bereichen fokussiert.
  • “Wir erleben einen strukturellen Umbruch (…) Diesel (…) will heute niemand mehr kaufen. Für Plastik (…) gilt jetzt das Ziel, 90 Prozent zu recyceln. (…) die Landwirtschaft (…) braucht weniger Agrarchemie.” – bto: Es ist eindeutig, dass wir das letzte Hurra unseres Wirtschaftsmodells erlebt haben. Es wird sich bitter rächen, dass unsere Politik nichts getan hat, um uns besser vorzubereiten, zum Beispiel durch bessere Bildung und Förderung von Innovation.
  • (Die Welt wandelt sich) zur Dienstleistungsgesellschaft. (…) Alle Entwicklungen kommen den Dienstleistungen zugute, nicht der Industrie. (…) Man leiht sich, was man vorher gekauft hat. Daher wird in der Welt künftig viel weniger Kapital gebraucht. Und die deutsche Wirtschaft hat da ein Problem, weil sie noch viele Kapitalgüter produziert.” – bto: was auch im Maschinenbau ein Problem wird, sobald die Industrialisierung stattgefunden hat.
  • Und, was sind die attraktiven Bereiche? Hier sieht Patrick Artus Frankreich im Vorteil: “Der Flugzeugbau, der Luxusbereich und der Sicherheit- und Verteidigungssektor.” – bto: tja. Der Flugzeugbau wurde ja nach der Fusion zu Airbus immer mehr von einem Gemeinschafts- zu einem französischen Unternehmen. Da zeigt sich die französische Strategie.
  • “Auf der Kostenseite hat sich die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands stark verschlechtert. (…) Deutschland (ist) 16 Prozent teurer als Frankreich oder Italien und 30 Prozent teurer als Spanien. (…) Die Löhne wachsen stärker als die Produktivität. (…) Die Gewinne der Unternehmen sind noch hoch. Das verdanken sie weitgehend den niedrigen Zinsen.” – bto: So sichert die Politik der EZB auch Arbeitsplätze hierzulande. Kann man sicherlich so argumentieren.
  • “Die deutsche Industrie wird noch stärker Standorte in die billigen Länder Osteuropas verlegen. Die Arbeitslosigkeit wird steigen. Bisher halten die meisten Unternehmen noch ihre Beschäftigten (…).” – bto: Ich schätze, die Arbeitslosigkeit wäre heute vier Prozentpunkte höher, wenn die Unternehmen ihre Belegschaften an die Nachfrage angepasst hätten.
  • “(…) die Unternehmen (sollten) die Produktion umstellen und auf die Produkte von morgen konzentrieren, etwa Wasserstoff-getriebene Autos.” – bto: was natürlich verdeutlicht, wie wichtig es ist, mehr und vor allem ergebnisoffen in Forschung und Innovation zu investieren.
  • “Auf jeden Fall können Regierungen nicht die Technologien von morgen vorschreiben, weil sie diese nicht kennen. Der amerikanische Ansatz, über die staatliche Förderagentur Darpa den Unternehmen ohne Einmischung Geld zur Verfügung zu stellen, scheint mir sinnvoll.” – bto: mir auch! Denn es ist nicht sehr überzeugend, unsere Politiker als die Innovatoren zu sehen.

Fazit auch hier: Die deutsche Party nähert sich dem Ende. Es droht eine Krise, von der wir uns eventuell nicht mehr erholen werden.

faz.net: “Deutschland setzt auf die Industrien von gestern”, 29. Oktober 2019