Sie dürfen Geldanlage nicht delegieren

Dieser Kommentar erschien bei WirtschaftsWoche Online:

Junge, kostengünstige Fintechs führen mit niedrigen Kosten und einfacher Steuerung der Geldanlage die traditionellen Banken vor. Das hat unbestreitbare Vorteile für Anleger, aber auch einen gravierenden Nachteil.

In der letzten Woche habe ich an dieser Stelle die dramatischen Folgen des technologischen Wandels und vor allem der neuen Geschäftsmodelle für Unternehmen und Anleger diskutiert. Entscheidende Erkenntnis: Erst dauert es länger als erwartet, dann kommt es schneller und brutaler.

Als Beispiel habe ich unter anderem Fintechs angeführt, die zweifellos traditionellen Banken und Versicherungen das Leben noch sehr schwer machen werden. Dies – so meine Meinung – liegt weniger an der überragenden Technologie, sondern vielmehr an dem Vorteil, dass diese Unternehmen keine verkrusteten Strukturen mit sich herumschleppen. Diese Erkenntnis basiert unter anderem auf meiner konkreten Erfahrung im Beirat von zwei Fintech-Gründungen.

Gnadenlose Kostenkiller

Ein Leser hat mir widersprochen und am konkreten Beispiel die Vorzüge eines Fintechs gegenüber seiner bisherigen Bank geschildert. Überzeugend legt er dar, weshalb er in Zukunft sein Geld nicht mehr von der Bank, sondern von dem Fintech verwalten lässt: leicht handhabbare Benutzeroberfläche, einfache Produkte, günstige Kosten. Im konkreten Fall erfolgt die Aufteilung des Anlagevermögens je nach Risikotoleranz auf verschiedene Assetklassen, von Aktien und Anleihen bis zu Immobilien und Rohstoffen. Investiert wird ausschließlich in börsengehandelte Fonds (ETFs) mit großer Liquidität.

Diese Anlagestrategie entspricht weitgehend der auch an dieser Stelle immer wieder gepredigten Philosophie. Angesichts des tiefen Zinsniveaus bleiben Kosten der entscheidende Hebel für den langfristigen Erfolg an den Kapitalmärkten. Gerade mit Blick auf die Unmöglichkeit des Timings der Märkte ist es gut, jegliche Emotion auszuschalten. Nichts spricht gegen die Geldanlage bei diesem Fintech.

Dennoch muss man nüchtern festhalten, dass der Erfolg der Fintechs mehr mit den verkrusteten Strukturen der Altanbieter zu tun hat, als mit überragend neuer Technologie. Die Anlagephilosophie ist in der Finanzwissenschaft seit Jahrzehnten bekannt, Indexfonds und börsengehandelte Fonds gibt es ebenfalls schon sehr lange. Wirklich neu ist der Wegfall der aufwendigen Infrastruktur der Banken, der Vertriebsapparate und des bürokratischen Überbaus. Statt in einer Bankfiliale von einem Bankbeamten beraten zu werden, erledigen wir die Geldanlage vom Wohnzimmersofa aus mit einem Mausklick.

Banken wird es ergehen wie den Energieversorgern

Jahrzehntelang haben Banken von uns Kunden offen und verdeckt mehrere Prozentpunkte an Gebühren kassiert, um damit eine große Maschine zu betreiben. Nun, wo wir mehr auf Kosten achten und der Nutzen der individuellen Geldanlage immer offensichtlicher gering – oder gar negativ – ist, liegt eine Trendwende in der Luft. Weg von den teuren und schlechten Anbietern, hin zu transparenten Kostenbrechern. Die traditionellen Banken kommen da nicht mit, einfach weil sie auf „legacy assets“ sitzen, wie die Angelsachsen so schön sagen. Zu viele Mitarbeiter, zu viele Büroflächen, zu aufwendige IT-Infrastruktur, zu viel Bürokratie.

In einem Spiel mit aggressiven Kostensenkern können sie nur verlieren. Und genau das sind Fintechs überwiegend: sie haben das Geschäftsmodell dramatisch vereinfacht. Sie bieten ein (mindestens) gleichwertiges Produkt zu günstigsten Preisen, welches den Kunden noch dazu ein besseres Einkaufserlebnis bietet. Den Banken wird es ergehen wie Energieversorgern und Einzelhandel. Sie stehen in einem Verteidigungskampf, den sie nur verlieren können. In ein Portfolio gehören sie nur taktisch – Hoffnung auf Zinserhöhung? – aber auf keinen Fall strategisch.

Es gibt keine Delegation der Geldanlage

Ich kann nur raten, jede Möglichkeit der Senkung von Kosten bei der Geldanlage zu nutzen. Allerdings sehe ich auch einige Gefahren mit diesem Ansatz. Wie an dieser Stelle immer wieder diskutiert, befinden wir uns nicht in einem normalen Kapitalmarktumfeld. Entscheidende Punkte sind:

  • Die Bewertung praktisch aller Finanzassets befindet sich auf hohem Niveau. Schon vor zwei Jahren hat Bill Gross, unstrittig einer der großen der Anlageszene, die Zeit seit Mitte der 1980er Jahre mit einer langen Wanderung zu einem Gipfel verglichen. Von hier gäbe es nur noch wenig Potenzial nach oben, jedoch viel Weg nach unten. Anlagestrategien, die auf den Erfahrungen dieser vergangenen 30 Jahre basieren, bilden nicht den Normalzustand ab, sondern eine historische Ausnahme.
  • Die Politik der Notenbanken hat einen säkularen Zinssenkungstrend verstärkt und übertrieben und damit die Volatilität an den Märkten auf unnatürlich tiefe Niveaus gedrückt. Volatilität ist jedoch eine der maßgeblichen Größen für Risikomodelle in der Geldanlage und fließt beispielsweise in die Berechnung des „Values at Risk“, kurz VaR, ein. Geringe Volatilität signalisiert geringes Risiko, was zum Eingehen von mehr Risiko ermutigt. Das zu einem Zeitpunkt, wo man eigentlich das Gegenteil tun sollte.
  • Indexfonds haben in den vergangenen Jahrzehnten deutlich an Marktanteilen gewonnen, was auf günstige Kosten und die schlechte Leistung der Manager aktiver Fonds zurückzuführen ist. Der Preis dafür ist hoch: Indexfonds wirken wie Trendverstärker, kaufen sie doch die Aktien, die am meisten dazugewinnen und die wichtige Kontrollfunktion der Kapitalmärkte nimmt ab. Je mehr Geld in Indexfonds oder Fonds, die sich am Index orientieren, angelegt wird, desto größer die Gefahr von Herdenverhalten. Dies wirkt dann allerdings in beide Richtungen.
  • Die ständige Handelbarkeit der Fonds verstärkt das Risiko. Investoren sagen zwar, dass sie „passiv“ investieren, in der Praxis jedoch legen sie aktiv an. Sie versuchen durch Handeln den Markt zu schlagen, was aber im Ergebnis nur dazu führt, dass sie zu spät aus- und wieder einsteigen.

Geldanlage zwischen Selbstdisziplin und Panik

Die Grundidee der kostengünstigen Geldanlage in Indexfonds ist richtig, setzt jedoch eine erhebliche Selbstdisziplinierung voraus. Meine Befürchtung ist, dass viele Anleger, die ihr Geld heute bereitwillig automatisiert verwalten lassen, im Zuge der unvermeidlich auf uns zukommenden deutlichen Korrekturen an den Märkten in Panik verfallen. Sie werden genau dann verkaufen, wenn sie es eigentlich nicht sollten und die vermeintlich liquiden ETFs werden plötzlich nicht so liquide sein, wie von den Verkäufern behauptet.

Das ist das Szenario, welches Fintechs, die in der Vermögensverwaltung tätig sind, am meisten fürchten müssen. Denn im Falle der Panik gibt es keine Möglichkeit, den Kunden direkt anzusprechen. Dafür gibt es aus gutem Grund nicht genug personelle Ressourcen. Traditionelle Banken könnten hier durch persönliche Betreuung eine bessere Dienstleistung erbringen und den Kunden vor unüberlegten Handlungen schützen. In der Praxis tun sie es freilich auch nicht.

Für die Geldanlage wäre meine Schlussfolgerung diese: die Kosten der Geldanlage müssen so gering wie möglich gehalten werden, was für die neuen Anbieter spricht. Diesen kann man auch einen Teil des Vermögens zur standardisierten Verwaltung übertragen, muss aber sicherstellen, dass man die Gesamtstruktur des Vermögens – vor allem die Aufteilung auf Aktien, Immobilien, Gold und Liquidität – noch selber bestimmen und anpassen kann.

Letztlich muss man einen Weg finden, Panik zu unterbinden. Das Schlimmste was passieren kann, ist, dass man den „Verkaufen-Knopf” zum falschen Zeitpunkt drückt.

→ WiWo.de: „Behalten Sie die Kontrolle über Ihre Geldanlage“, 4. Mai 2017

Kommentare (6) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. Karl
    Karl sagte:

    „Diesen (Fintechs) kann man auch einen Teil des Vermögens zur standardisierten Verwaltung übertragen“ lautet am Ende des Beitrags die Schlussfolgerung. Neben „Aktien, Immobilien, Gold und Liquidität“.
    Andererseits kann auch diese Verwaltung schon für sich „auf verschiedene Assetklassen, von Aktien und Anleihen bis zu Immobilien und Rohstoffen“ diversifizieren, wie zu lesen ist.
    Hier ergibt sich für die Schlussfolgerung ein logisches Problem, das aufzulösen wäre. Wie genau ist das alles gemeint?

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  2. MFK
    MFK sagte:

    Um Bankgeschäft zu betreiben braucht man eine (Voll-)Banklizenz. Hierzu sind mindestens 2 geeignete Geschäftsführer/Eigentümer erforderlich und > € 5 Mio. Haftkapital. Wie viele FinTechs haben eine Banklizenz? Diese kann man an einer Hand abzählen. Banken leben auch in einer Symbiose mit dem Staat, sollen sie doch Staatsanleihen aufnehmen. Der Staat hat also kein Interesse am Untergang der Banken.

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    • Horst
      Horst sagte:

      In der finalen Konsequenz bedeutet Ihre Aussage demnach, dass eine Gewaltenteilung nicht real ist; zumindest nicht auf dieser Ebene.

      Antworten
      • MFK
        MFK sagte:

        Gewaltenteilung ist vielleicht der falsche Begriff, aber im Ergebnis haben Sie recht. Warum hat Frau Merkel für Ackermann eine Geburtstagsparty im Kanzleramt geschmissen? Dabei waren die Pressezaren Frau Dr. (!) Springer, Herr Döpfner u.a. Das sagt bereits alles. Schauen Sie sich die Wahlen zum Bundespräsidenten an. Auch hier die gleichen Leute. Das alles hat mit Demokratie nichts mehr zu tun.

        Die FinTechs sind aber nicht die Lösung des (Banken-)Problems. Erst einmal ist FinTech ein weiter Begriff. Derzeit agieren alle Unternehmen, die unter diesem Begriff subsumiert werden können an der Peripherie des Bankgeschäfts herum. Viele sind inkompetent. Ich erinnere insoweit an Bonitätseinschätzungen über Facebook etc. Ganz wenige werden in den Kernbereich des Bankgeschäfts vordringen können. Das ist aber noch lange hin.

  3. Mr. Dave
    Mr. Dave sagte:

    Wie hat es Unternehmensberater Klaus Höfner so schön formuliert:

    “Organisationen ab 1000 Leuten können sich sehr gut mit sich selbst beschäftigen. Da stört der Kunde nur.”

    Auf Kleinanleger trifft das bei heutigen Banken auf alle Fälle zu…

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    • Wolfgang Selig
      Wolfgang Selig sagte:

      Meines Wissens stammt diese Erkenntnis ursprünglich von Cyril Northcote Parkinson (1909-1993) und Herr Höfner zitiert nur.

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