Europa braucht für den Verteidigungs­etat eine kluge finanz­politische Komb­ination

Dass die Schuldenbremse in ihrer bestehenden Form den Wahltag nicht überleben würde, war spätestens nach den jüngsten Volten der US-Regierung abzusehen. Deutschland und Europa müssen schnell und nachhaltig mehr in die eigene Sicherheit investieren. Schätzungen gehen in Richtung eines zusätzlichen jährlichen Finanzbedarfs von 250 Milliarden Euro für die EU. Für Deutschland allein ist nach dem Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel die Rede von 80 Milliarden Euro.

Eine zusätzliche Staatsverschuldung muss nicht problematisch sein, wenn man im Gegenzug den gigantischen Berg an verdeckten Verbindlichkeiten für Renten, Pensionen und die Gesundheitsversorgung der alternden Gesellschaft reduziert. Diese Verpflichtungen werden auf über 400 Prozent des BIP geschätzt. Die neue Bundesregierung muss sich diesem Thema ohnehin widmen, wobei dies der SPD und Teilen der Union sehr schwerfallen dürfte.

Während eine Reform der Schuldenbremse auch mit Blick auf die mangelnde Bereitschaft wichtiger Euro-Staaten, wie Italien und Frankreich, ihre Staatsfinanzen in den Griff zu bekommen, sinnvoll ist – wer in einer Schuldenunion spart, ist bekanntlich der Dumme – sollte die Bundesregierung auf europäischer Ebene standhaft bleiben.

Bereits bei Einführung des Euro war es das erklärte Ziel der italienischen und französischen Politik, eine Transfer- und Schuldenunion zu Lasten Deutschlands daraus zu machen. Keine Krise blieb ungenutzt, um Deutschland immer mehr in eine solche Transferunion zu drängen, bis es in der Coronakrise mit dem sogenannten „Wiederaufbaufonds“ gelang. Einem vom Bundesrechnungshof zu Recht massiv kritisierten Sündenfall.

So vergeht kein Tag, an dem nicht führende Politiker vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron bis zur EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nach mehr gemeinsamen Schulden rufen, um die Herstellung der Verteidigungsfähigkeit zu finanzieren. Dabei ist keineswegs sichergestellt, dass diese zusätzlichen Mittel richtig verwendet werden, wie man am Wiederaufbaufonds gut studieren kann.

Die zusätzlichen Mittel aus gemeinsamen Schulden und Transfers aus Deutschland reduzieren den Druck auf die Regierungen in diesen Staaten, die eigenen Finanzen in den Griff zu bekommen.

Andererseits ist unstrittig, dass der erhebliche finanzielle Kraftakt nicht allein aus den laufenden Budgets zu leisten ist. Es spricht einiges für eine Kombination aus längerfristig höheren steuerfinanzierten Ausgaben – durch Umschichtung im Haushalt – und einem zeitlich beschränkten, schuldenfinanzierten Sanierungsprogramm. Damit letzteres nicht die Kreditwürdigkeit der hoch verschuldeten Staaten weiter schwächt, bedarf es einer Lösung.

Und eine solche gibt es. Forscher des Atlantic Council haben das Konzept einer „Defense, Security and Resilience Bank“ nach dem Vorbild der Weltbank und ähnlicher Institutionen in die Diskussion gebracht.

Ausgestattet mit dem besten Kreditrating AAA würde diese Institution ihren Mitgliedern nicht nur die Mittel günstig und langfristig zur Verfügung stellen, sondern durch entsprechende Auflagen zu einer Professionalisierung der Beschaffungsprozesse beitragen, was neben einer Verkürzung der Beschaffungszeiten auch zu einer Reduktion der Kosten führen sollte.

Von Beginn an als Bank der „westlichen Wertegemeinschaft“ aufgesetzt, würde die Bank neben den Europäern und den USA auch Ländern wie Japan, Australien, Neuseeland und Südkorea offenstehen.

Die Bundesregierung sollte dieses Konzept unterstützen. Damit würde sie es ermöglichen, gleich drei strategische Ziele gleichzeitig zu erreichen: eine ausreichende Finanzierung der Verteidigungsausgaben, die Verhinderung einer ungerechten und für Deutschland nicht tragbaren Schuldenunion und die Einbindung Europas in einen breiteren Verbund mit den USA und anderen westlichen Staaten.