Das Ende der Zoll-Pause naht, aber es gibt einen Ausweg
Angesichts der geopolitischen Entwicklungen in den letzten Tagen ist ein wichtiges Datum fast in Vergessenheit geraten. Am 9. Juli läuft die 90-Tage-Frist für Trumps Zölle aus: Der US-Präsident könnte dann – wie angekündigt – wieder mit voller Härte an der Zoll-Schraube drehen.
Noch weiß niemand, wie es nach dem 9. Juli weitergeht. Werden die sogenannten „reziproken Zölle“ zurückkommen, die sich entgegen dem Namen mit zweifelhafter Berechnungsmethode an der Höhe der US-Defizite im Warenhandel orientieren? Oder bleibt es bei den produktspezifischen Strafzöllen?
Aktuelle Simulationen des ifo-Instituts zeigen: Für die deutsche Industrie, besonders für Autos und Pharmabranche, wären die Folgen gravierend. Exporte in die USA könnten um mehr als ein Drittel einbrechen, die Wertschöpfung in der Industrie um bis zu 2,8 Prozent schrumpfen.
Reagiert die Welt mit Gegenzöllen, muss man mit einer noch schlechteren Entwicklung rechnen, wie Kris Mitchener und Kirsten Wandschneider in einer aktuellen Studie des Kiel Instituts für Weltwirtschaft ausführen. Die Annahme der US-Regierung, dass die Handelspartner auf Vergeltungsmaßnahmen verzichten, ist demnach angesichts historischer Erfahrung naiv.
Basierend auf einem detaillierten Datensatz bilateraler Handelsströme aus der Zwischenkriegszeit zeigen die Autoren, dass es zu erheblichen und weit verbreiteten Vergeltungsmaßnahmen von Handelspartnern als Reaktion auf das US-Zollgesetz von 1930 (auch bekannt als Smoot-Hawley-Tariff) kam. Die US-Exporte in Länder, die mit Gegenzöllen oder anderen Maßnahmen reagierten, sanken um bis zu 33 Prozent, wobei US-Handelspartner gezielt hochwertige, markengebundene Konsumgüter wie US-Autos ins Visier nahmen.
Der Rückgang des Handels trug zur Großen Depression bei, die wiederum einen Währungskrieg auslöste: Zwischen 1929 und 1936 werteten 70 Länder ihre Währungen gegenüber Gold ab. Der Währungskrieg zerstörte die handelsfördernden Vorteile des globalen Goldstandards, beendete die internationale Koordination und erhöhte die Handelskosten. Der Handel ging infolge dieser Abwertungen zusätzlich um mehr als 21 Prozent zurück.
Ganz so weit sind wir noch nicht. Die 1930er-Jahre sind aber eine eindringliche Mahnung dafür, was geschehen kann, wenn die internationale politische Koordination zusammenbricht und Länder bei Handels- und Wechselkurspolitiken im Alleingang handeln.
Weltweit gibt es zunehmend Protektionismus
Dabei ist die Trump-Regierung keineswegs allein mit ihren Eingriffen in den freien Handel. Seit der Finanzkrise ist weltweit ein zunehmender Protektionismus festzustellen, der sich überwiegend auf sogenannte „nicht-tarifäre“ Hemnisse wie technische Vorschriften, Standards, Zertifizierungen, administrative Kosten und Subventionen konzentriert.
Besonders technische Handelsbarrieren und internationale Gesundheits- und Sicherheitsanforderungen haben seit der Finanzkrise deutlich zugenommen und sind auf hohem Niveau geblieben, wie das Wirtschaftsinstitut der New Yorker Universität in einer Studie festgestellt hat.
Der liberale amerikanische Ökonom Murray Rothbard (1926 bis 1995) hat es schon 1986 auf den Punkt gebracht: Protektionismus ist kein Rezept für Wohlstand, sondern für Verarmung. Staatliche Handelsbarrieren verteuern Produkte, schränken die Auswahl ein und schaden vor allem den Konsumenten. Sie sichern kurzfristig Arbeitsplätze in ineffizienten Branchen, verhindern aber Innovation und Wachstum.
Wer Wohlstand sichern will, der muss auf Offenheit, freien Handel und internationale Kooperation setzen. Die EU sollte ihrerseits die durchaus erheblichen nicht-tarifären Handelshemmnisse abbauen und damit der US-Regierung einen gesichtswahrenden Ausstieg aus der Zollpolitik ermöglichen, von dem beide Seiten mit höherem Wachstum und Wohlstand profitieren.