„Daniel Stelter verrechnet sich: Kein negatives Vermögen in Deutschland“
Ich freue mich natürlich über jede Rezension meiner kleinen Piketty-Kritik, „Die Schulden im 21. Jahrhundert“, auch wenn diese einen kritischen Ton anschlägt. Grund genug, sie etwas genauer anzuschauen. Zunächst ein paar Fakten zu den Kosten der alternden Gesellschaft, für die keine Rücklagen gebildet wurden.
- „Auf 413 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erhöht sich die deutsche Staatsverschuldung nach einer Untersuchung von Jagadeesh Gokhale, wenn die versteckten Lasten für die künftige Renten- und Gesundheitsvorsorge mitberechnet werden.“ – bto: So von mir im Buch zitiert.
- „Anders als in der öffentlichen Diskussion teilweise dargestellt lässt sich die Rentenzahlung auch nicht beliebig weit kürzen. (…) Die oft gehörte Sorge junger Menschen ‚Wir kriegen sowieso nichts mehr raus‘ ist also nur zum Teil berechtigt. Zumindest müsste die Regierung sehr kreativ sein, um das wirklich umzusetzen, ganz abgesehen von der politischen Schwierigkeit, denn wenn die heute 20-Jährigen 60 sind, stellen die über 60-Jährigen vermutlich die Mehrheit der Wähler.“ – bto: Klartext: Die Ansprüche zukünftiger Generationen aus der Rentenkasse darf der Gesetzgeber nicht richtig kürzen. Er muss also bezahlen. Was zur Frage führt, wo denn das Geld herkommen wird.
- „Insofern hat Daniel Stelter also Recht, wenn er den Blick auf das Thema versteckte Staatsschulden richtet. Allerdings verrechnet er sich an anderer Stelle etwas.“ – bto: bis hierher also zunächst fast Konsens.
- „Basierend auf den Daten des französischen Ökonomen Thomas Piketty zu privaten und öffentlichen Schulden sowie Vermögen und ergänzt um die Daten von Jagadeesh Gokhale kommt er zu dem Schluss, dass das Verhältnis von Schulden zu Vermögen statt bei 412 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) wie bei Piketty in Wahrheit bei -1 Prozent liegt. Die Schulden übersteigen also das Vermögen.“ – bto: Diese Rechnung habe ich in der Tat aufgestellt.
- „Ein Rentenversprechen ist aber nicht nur eine versteckte Schuld auf Seiten des Staates, sondern auch ein statistisch ebenfalls nur unzureichend erfasstes Guthaben auf Seiten der Bürger. Wer jetzt sagt, die Regierung werde dieses Guthaben ohnehin nie auszahlen, der darf auch die Verpflichtungen nicht mitrechnen.“
Genauso habe ich das zunächst auch gesehen. Man müsse doch den vermögenswerten Anspruch an die Sozialkassen aktivieren (also dem Vermögen zuschlagen) und wenn man dann die dafür entstehenden Kosten abzieht, so ist man wieder bei null. Nettovermögen ergo unverändert. Doch dann kamen mir Zweifel:
- Im eigentlichen Rentensystem mag man das so sehen. Die späteren Rentner zahlen für die heutigen.
- Sobald wir auf Pensionäre des Staates und die Gesundheitskosten kommen, sind wir schon eher bei Steuern als Abgaben, was bereits eine Umverteilung beinhaltet.
- Alle Vermögenswerte entsprechen immer dem abgezinsten Wert zukünftiger Einkommen (was auch erklärt, weshalb die tiefen Zinsen die Vermögenswerte treiben). Das heißt aber auch, dass sinkende künftige Einkommen mit sinkenden Vermögenswerten einhergehen.
- Wenn wir nun die Versprechen von rund viermal BIP übersetzen, sehen wir, dass es nicht möglich sein wird, diese Versprechen von circa 11 Billionen Euro nur aus dem laufenden Einkommen (Anteil des BIP, den man nach (Ersatz-) Investitionen und eigenem Konsum noch den Alten zur Verfügung stellen kann) zu erfüllen. Hinzu kommen die bekannten Kosten für Eurorettung (2 Billionen), Energiewende (1) und Flüchtlinge (1+x).
- Deshalb wird die Erfüllung – vor allem, wenn man die nicht kürzen kann, wie der Autor hier annimmt – nur über eine Umverteilung erfolgen können. Der Staat hat also den Bürgern ein Versprechen aus dem bestehenden Vermögen der Bürger gemacht und nicht darüber hinaus.
- Da das Vermögen nicht gleich verteilt ist, wird es also eine erhebliche Belastung vorhandener echter Vermögen (im Unterschied zu den Versprechungsvermögen) geben müssen, um die Vermögen, die versprochen wurden, zu bedienen.
- Fazit: Ja, meine Annahme war extrem, aber weitaus mehr realistisch als die Annahme, alles sei o. k.