Best of BTO 2022: Deutschlands De­industri­alisierungs­strategie

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, wirft der Industrie Panikmache wegen der gestiegenen Energiepreise vor. Die Warnung vor einer Deindustrialisierung sei ein Popanz. „Es ist letztlich ein Schreckgespenst, das aufgebaut wird, um der Politik Geld aus den Rippen zu leiern.“ Tja, was soll man dazu sagen? “Follow the money” ist ein guter Grundsatz bei diesen Themen. Konkret: von wessen Geld hängt der Betreffende ab? Bei den Warnern vor einer Deindustrialisierung wird immer gesagt, diese seien “Lobbyisten” und Fratzscher scheint der Auffassung zu sein, diese wollten der “Politik nur Geld aus den Rippen leiern”. Eine Aussage, die angesichts Rekord-Staatsquote und Abgabenlast alleine schon komisch ist. 

Es ist aber nicht so, dass Fratzscher selbst unabhängig von Geld wäre. Bei ihm stammt das vom Staat und vor allem der ihm nahestehenden SPD – die FAZ nannte ihn gar → “Claqeur der SPD”. Wann immer er die Plattform bekommt, verteidigt er die Regierungslinie inkl. EZB. Unvergessen seine → Fratzschers Irreführung: von wegen 20 “Mythen” der Geldpolitik.

Übrigens: ich finanziere meine Aktivitäten hier selber, was mich wirklich unabhängig macht.

Ich finde es lohnt deshalb einen anderen Ökonomen, der als Pensionär auch unabhängig ist, bei dem Thema De-Industrialisierung zu Wort kommen zu lassen.

Dieser Beitrag erschien im April 2022 bei bto: 

In meinem aktuellen Podcast ist Professor Hans-Werner Sinn zu Gast. In einem Beitrag für Project Syndicate, der auch bei der FINANZ und WIRTSCHAFT erschienen ist, bringt er die Folgen der deutschen Energiepolitik auf den Punkt:

  • “Deutschland sah sich lange als Speerspitze der westlichen Industrieländer bei der Energiewende. In der Erwartung, die gesamte Energieversorgung mit Strom aus erneuerbaren Quellen realisieren zu können, hat es den Doppelausstieg aus der Kohle und der Kernkraft beschlossen und zum Teil schon realisiert.” – bto: Diese Vorstellung kann nur jemand haben, der von Physik nicht so viel versteht. Peinlich für eine Nation, die mal stolz auf die Ingenieure war.
  • “Die von den grünen Politikern der Republik propagierte Hoffnung war stets, dass die anderen Länder dem deutschen Beispiel folgen würden, wenn sie sehen, wie gut der grüne Weg in Deutschland funktioniert. Tatsächlich kann die Welt aber heute, im Zeichen des Krieges in der Ukraine, den Scherbenhaufen besichtigen, den diese überaus naive und zutiefst ideologische Positionierung hinterlassen hat.” – bto: … und noch mehr. Sie kann beobachten, wie Ideologie immer noch Realität übertrifft.
  • “Um den Doppelausstieg aus Kohle und Atomkraft und den Übergang zur grünen Energie abzufedern, hat Deutschland nämlich zugleich beschlossen, viele zusätzliche Gaskraftwerke zu errichten, um seine Energieversorgung zu sichern. (…) Der Krieg zeigt nun aber mit aller Deutlichkeit, dass diese Rechnung nicht aufgeht. Die für die deutsche Strategie unerlässlichen Erdgasimporte aus Russland sind heute ein Risiko für Deutschland und für die gesamte westliche Welt. Sie geben Russland die Macht, Europas grösste Volkswirtschaft in die Knie zu zwingen, und sie begrenzen zugleich die Möglichkeit des Westens, weiter gehende Sanktionen gegen Russland zu verhängen.” – bto: Schon ohne Embargo verlieren wir massiv an globaler Wettbewerbsfähigkeit. Die Deindustrialisierung geht mit sehr hoher Geschwindigkeit vonstatten.
  • “Deutschland war noch vor Kurzem der zweitgrösste Braunkohleproduzent der Welt nach China, und das bisschen Uran, das für den Betrieb seiner Atomkraftwerke benötigt wird, hätte es sich leicht auf den Weltmärkten besorgen und für viele Jahre auf dem eigenen Territorium speichern können.” – bto: Das setzt voraus, dass man an so etwas wie Versorgungssicherheit denkt.
  • “Eingefleischte Grüne vertreten den Standpunkt, der Doppelausstieg wäre kein Problem, wenn Deutschland den Ausbau der Wind- und Solarenergie rasch genug vorangetrieben hätte, um mithilfe der grünen Energie autark zu werden. Wenn überhaupt, so sei die Versorgungssicherheit ein Argument für statt gegen den deutschen Weg. Diese Position ist unbedarft, denn obwohl Deutschland dank grosszügiger Subventionsprogramme bereits grosse Teile seiner Naturflächen mit Windanlagen zugepflastert hat, lag der Anteil der elektrischen Energie aus Wind- und Solaranlagen 2021 erst bei kümmerlichen 6,9% des Endenergieverbrauchs. Der Anteil am Strom war zwar schon auf 29% gestiegen, doch machte der Strom selbst nur etwas mehr als ein Fünftel der verbrauchten Endenergie aus. Auch eine doppelt so hohe Ausbaugeschwindigkeit hätte Deutschland bis zum heutigen Tage nicht im Entferntesten in die Nähe einer Autarkie mithilfe des Wind- und Sonnenstroms gebracht.” – bto: Und was liest und hört man überall? Dass es nun aber mit den erneuerbaren gehen soll …
  • “Das Argument der Grünen ist auch deshalb unhaltbar, weil es übersieht, dass eine Energieversorgung auf der Basis von Wind- und Sonnenstrom stets als Komplement regelbaren konventionellen Strom benötigt, der gegenläufig zum Wind- und Sonnenstrom eingespeist wird und während der vielen Dunkelflauten in der Lage ist, die Versorgung der Wirtschaft mit Strom zu sichern. So gesehen ist der grüne Strom ausserstande, Deutschland nach dem Doppelausstieg unabhängig von Gasimporten zu machen. Klimaneutral kann Deutschland nur dann ein gewisses Mass an Autarkie und Sicherheit gewinnen, wenn es wieder in die Atomkraft investiert.” – bto: Richtig, Atomkraft ist die wahre Freiheitsenergie.
  • “Es gibt nun einmal keine technischen Möglichkeiten, das benötigte Erdgas aus anderen Quellen schnell genug herbeizuschaffen, zumal sich Länder wie Italien oder Österreich in einer ganz ähnlichen Lage befinden. Deutschland hat keine LNG-Terminals, und die Terminals, die es in anderen europäischen Ländern gibt, verfügen nicht im Entferntesten über die nötige Ersatzkapazität. Überdies ist die Kapazität der innereuropäischen Gasleitungen zu gering. (…) Die deutsche Regierung könnte das Tohuwabohu, das entstünde, kaum überstehen. Die innenpolitischen Verwerfungen wären so gross, dass der Zusammenhalt des westlichen Bündnisses in Frage stünde.” – bto: Das glaube ich nicht. Ich denke, der mediale Spin und die Weigerung der Bürger, die Folgen des eigenen Wahlverhaltens einzustehen, lässt uns mit Freude frieren und deindustrialisieren.

fuw.ch „Deutscher Scherbenhaufen“, 30. März 2022