Was tun mit dem Geld? (6) ‒ Hin und Her macht Taschen leer
Die Eiszeit in der Wirtschaft schlägt sich in immer geringeren Renditen an den Kapitalmärkten nieder. Selbst ohne akute Zuspitzung der Krise ist mit Anleihen und Aktien nur noch ein bescheidener Ertrag zu erwarten. Gemäß der volkswirtschaftlichen Theorie konvergieren die Zinsen und damit die Kapitalerträge in Richtung des nominalen Wirtschaftswachstums. Die Inflation wird noch so lange gering bleiben, wie die Notenbanken das Vertrauen in den Geldwert nicht erschüttern. Reales Wachstum ist angesichts der hohen Verschuldung, der demografischen Entwicklung und der abnehmenden Produktivitätszuwächse ebenfalls nicht zu erwarten. Damit ist klar, es geht in erster Linie um den Vermögenserhalt – für mich definiert als globaler kaufkraftbereinigter Vermögenserhalt.
Ein wichtiger Hebel ist, bei den Investitionen auf den Preis zu achten, den man für ein bestimmtes Asset bezahlen muss. Ist man beispielsweise bereit, für ein Zinshaus das 25-Fache der Nettokaltmiete zu bezahlen, so bedeutet dies angesichts der weiteren Kosten, die mit einer Immobilie verbunden sind, realistischerweise eine Rendite von zwei bis drei Prozent vor Zinsen. Kann man sich günstig refinanzieren, mag die Eigenkapitalrendite in Richtung von vier bis fünf Prozent gehen. Mehr aber nicht, außer man rechnet mit weiteren Wertzuwächsen, weil die Mieten steigen oder die Kaufpreismultiples noch weiter anziehen. Auf eine Entschuldung durch Inflation sollte man, wie bereits erwähnt, nicht setzen, da es noch lange dauern kann, bis es wirklich zu einer Inflation kommt und zudem die Geschichte lehrt, dass nach einer Inflation der Staat über Zwangsabgaben und Umschuldungen die Immobilienbesitzer zur Kasse bittet.
Damit ist die erzielbare Rendite zwar höher als für das Geld auf dem Konto, aber nicht mehr so viel höher, wenn man das damit verbundene Risiko betrachtet. Wobei ich damit nicht sagen möchte, dass Geld auf dem Konto risikofrei ist. Im Gegenteil. Der Fall Zypern hat gezeigt, dass Kontoguthaben kein Geld sind, sondern Forderungen gegen die Bank mit allen damit verbundenen Risiken.
Der andere wichtige Aspekt bei der Geldanlage in diesen Zeiten ist ein gnadenloser Fokus auf die damit verbundenen Kosten. Bei einem Zinsniveau von fünf Prozent lassen sich Depot-, Fonds- und Transaktionsgebühren von mehreren Prozentpunkten vielleicht noch ertragen. Im Nullzinsumfeld sicherlich nicht. Letzteres hat zwar zu deutlichen Kursgewinnen bei Anleihen und Aktien geführt. Eine Fortsetzung dieses Trends ist jedoch unwahrscheinlich, weshalb in den kommenden Jahren eine Minimierung der Kosten der sicherste Weg ist, dem Ziel des Kapitalerhalts nahe zu kommen. Welche Wirkung die Kosten haben, konnten wir letzte Woche bei der Diskussion zum Thema “aktiv gemanagte Aktienfonds” sehen. Selbst wenn es dem Management gelingt, eine bessere Performance als der Index zu erwirtschaften, so wird diese Mehrleistung zumeist von den Gebühren mehr als aufgefressen.
Ohne hier zum Verbrauchermagazin zu werden, möchte ich, was die Kosten betrifft, nur feststellen: Vergleichen und Handeln lohnt sich. Selbst die bekanntesten Adressen sind heutzutage bereit, deutlich bei den Gebühren nachzulassen.
Hinzu kommt das Verhalten der Anleger. Die Anleger handeln zu viel. Nehmen wir das Beispiel des Value Investing, welches wir letzte Woche schon diskutiert haben. Theoretisch sollte man den Kapitalmarkt schlagen, wenn man sich darauf konzentriert, unterbewertete Aktien zu kaufen und an diesen lange genug festzuhalten. In der Tat haben Aktienfonds, die sich auf diese Strategie konzentrieren, im Zeitraum zwischen 1991 und 2013 mit 9,4 Prozent Rendite pro Jahr vor Gebühren den S&P 500 geschlagen.
Der typische Investor in diesen Fonds hat dagegen nur 8,1 Prozent Rendite erwirtschaftet. Warum? Weil er nicht konsequent dabei geblieben ist. Value-Investoren müssen die Geduld haben zuzuschauen, wenn andere, die mit ihren Anlagen der jeweiligen Mode folgen, temporär bessere Ergebnisse erzielen. Doch scheinbar gelingt dies nur den wenigsten. Anleger neigen dazu, das zu kaufen, was sich im Preis gut entwickelt hat und jenes zu verkaufen, was im Preis gefallen ist. Folglich kaufen sie Value erst, nachdem dieser schon einige Zeit gestiegen ist und verkaufen es nach einigen schlechten Jahren, kurz bevor die Trendwende da ist. Sogar wenn sie einen Indexfonds gekauft und über die gesamte Zeit gehalten hätten, wären diese Investoren besser gefahren.
Das Problem ist bekannt: Egal ob bei Aktienfonds, einzelnen Aktien oder gar Hedge-Fonds, die Anleger handeln zu viel. Warren Buffet hat es in einem seiner berühmten Aktionärsbriefe (dem aus dem Jahr 2005) so zusammengefasst:
„Vor langer Zeit hat der geniale Sir Isaac Newton die drei Grundgesetze der Bewegung entwickelt. Bei seiner Geldanlage war er nicht so talentiert. Er verlor viel Geld in der Südseeblase und klagte später, er könne ‚die Bewegung der Sterne berechnen, aber nicht die Dummheit der Menschen‘. Hätte ihn das nicht so traumatisiert, so hätte er vielleicht das vierte Gesetz der Bewegung entdeckt: Die Erträge aller Investoren sinken, wenn die Bewegung zunimmt.“ – Oder, um es mit den Worten eines guten Bekannten zu sagen: Hin und Her macht Taschen leer.
Der Value-Investor Irving Kahn, den ich schon in der vorletzten Woche vorgestellt habe, brachte es so auf den Punkt: „Ich würde Privatanlegern raten, nicht auf die Meinungen, die sie im Radio, Fernsehen oder dem Internet finden, zu hören. Diese sind nicht hilfreich. Die Leute sagen ‚billig kaufen, teuer verkaufen‘, aber das kann man nicht machen, wenn man der Herde folgt. Man muss die Disziplin und das Temperament haben, den momentanen Strömungen zu widerstehen. Menschen haben, was die Kapitalmärkte betrifft, die falschen Instinkte. Wenn man dies erkennt, kann man dem Drängen widerstehen in der Rally zu kaufen und im Abschwung zu verkaufen.“
Wie sehr der Grundsatz der langfristigen Perspektive sich auszahlt, zeigt das Beispiel des Corporate Leaders Trust Fund in den USA. 1935 gegründet, kaufte der Fonds die Aktien von 30 US-Unternehmen. Die Gründer verfügten, dass der Fonds diese Aktien niemals verkaufen durfte und auch keine weiteren Werte hinzukommen sollten. Diese Strategie wurde über 80 Jahre hinweg umgesetzt. Obwohl einige der Unternehmen in der Zwischenzeit pleitegegangen sind und andere durch mehrere Fusionen und Übernahmen den Geschäftscharakter geändert haben, finden sich immer noch einige der Unternehmen aus dem Jahr 1935 im Portfolio, so das Chemieunternehmen Du Pont, der Mischkonzern General Electric und der Konsumgüterhersteller Procter & Gamble. Insgesamt hielt der Fonds Anfang 2015 noch 21 Positionen.
Das Ergebnis dieser Strategie kann sich sehen lassen. Von allen im Jahre 1935 gegründeten Fonds wies er in den letzten 41 Jahren die beste Performance aus. Seit Februar 2001 hat der Fonds den S&P 500 geschlagen. Während der Fonds auf ein Plus von 239 Prozent kommt, muss sich der Index mit 125 Prozent bescheiden. Seit 1970 hat der Fonds im Durchschnitt jährlich 11 Prozent gewonnen. Dabei ist der Fonds sogar attraktiver als Indexfonds, weil Letztere immer wieder die Zusammensetzung ändern müssen, wenn sich der Index ändert. Dabei sind die Unternehmen, die in den Index kommen, zuvor schon sehr gut gelaufen – siehe jetzt Apple mit Blick auf den Dow Jones – was meist zu einer schwächeren Entwicklung in der Folgezeit führt.
Auch John Bogle, der Begründer der Indexfonds, betont den Nutzen einer langfristigen Strategie: “Meine ursprüngliche Idee bei der Schaffung von Indexfonds war die Idee der Einfachheit. Die Aktien, die den größten Anteil am US-Markt ausmachen, kaufen, gewichtet nach Marktkapitalisierung, ewig halten, keine Kosten für Anlagemanager und das alles zu Kosten ohne Gewinn für den Organisator. Im Ergebnis werden die Investoren garantiert einen fairen Anteil der Erträge des Aktienmarktes erzielen. (…) Doch dann passierte etwas Komisches. Anfang 1993 kam es zu einem neuen Konzept der Indexfonds. Die ‚Exchange Traded Fonds‘ waren zwar immer noch Indexfonds, konnten aber rund um die Uhr gehandelt werden.” Für Bogle ein falscher Ansatz, weil per Definition nur die Banken davon profitieren. Für die Summe aller Investoren ist es ein Nullsummenspiel, weil die Übergewinne des einen die Verluste des anderen sind. Obwohl es sich nicht lohnt, werden diese Fonds aktiv gehandelt. Immerhin beträgt der Umschlag bis zu 4.000 Prozent (übersetzt: 40 Mal wechselt das gesamte Fondsvolumen den Besitzer). Fazit: “Kurs halten mit weniger aufregenden, kostengünstigen und marktbreiten Indexfonds steigert den Ertrag für den Investor.”
Vielleicht hilft der Gedanke, dass jene, die es schaffen, den Markt zu schlagen, das nur können, weil sie länger durchhalten, als alle anderen. Wie immer gibt es auch hier eine – bedenkenswerte – Ausnahme: Jene Investoren, die 1992, nachdem der japanische Aktienmarkt schon 50 Prozent verloren hatte, verkauft haben, stehen heute, nach 23 Jahren immer noch besser da, als jene, die dabei geblieben sind. Dürfte wohl daran liegen, dass selbst nach einem Verlust von 50 Prozent die Aktien noch immer zu teuer waren.
Diese Fragen müssen bei der Geldanlage folglich geklärt werden:
- Wie sieht eine vernünftige Assetallokation mit Blick auf die Überschuldungssituation in der Weltwirtschaft und die ungelöste Eurokrise aus?
- Wie setzen wir diese Allokation am besten um, gegeben die durch die Geldpolitik bereits enorm verzerrten Vermögenspreise?
- Wie stellen wir sicher, dass diese Geldanlage möglichst kostengünstig erfolgt?
- Wie stellen wir sicher, dass wir an dieser Soll-Struktur auch dann festhalten, wenn andere Märkte (weiter) boomen oder aber ein Vermögenswert stark im Preis verfällt?
Ich gestehe, die Fragen sind leichter zu stellen, als zu beantworten.