STELTERS MAILBOX: Eigentumswohnung kaufen?

Man schreibt mir:

Sehr geehrter Herr Stelter,

Ich verfolge Ihren Blog seit Beginn von bto und bin Ihnen für Ihre analytische, ganzheitliche und in sich schlüssige Sicht auf die Lage in Wirtschaft und Finanzsystem sehr dankbar. Ich stehe gerade vor einer der schwierigsten Entscheidungen in meinem Leben – dem Kauf (oder nicht Kauf) einer Eigentumswohnung.

Die Ausgangslage ist folgende: Ich bin 38 Jahre alt, wohne in einer Mietwohnung in Frankfurt am Main, mit meiner Frau und 2 Kindern, und bin der alleinige Verdiener in der Familie. Ich bin fest angestellt und habe im Laufe meiner bisherigen Karriere ein Vermögen von ca. 150k Euro erarbeitet, das in Aktien, Liquidität und etwas Gold angelegt ist. Nun haben wir in einem angespannten Frankfurter Wohnungsmarkt nach langer Suche eine Neubauwohnung gefunden, die unseren Vorstellungen am meisten entspricht. Das Problem ist erwartungsgemäß der Preis: 880k Euro für 130 qm, das entspricht ca. 6,5k Euro pro qm oder etwa 37-Fache einer vergleichbaren Jahresmiete. Mit meinem Einkommen von ca. 150k Euro brutto pro Jahr muss ich (um die Wohnung bis zum Renteneintritt in 27 Jahren abzubezahlen und trotzdem gut meine Familie zu ernähren) mehrere sehr optimistische Annahmen treffen, wie etwas zumindest in Höhe der Inflation weiter steigendes Einkommen, weiterhin sehr niedrige Zinsen nach Ende der 15-jährigen Zinsbindung, jährliche Sondertilgungen zwischen 5000 und 10000 Euro usw.
Nach Lektüre Ihres Blogs gehört “Vorsicht mit Schulden” zu meiner Überzeugung, genauso wie es meinem Wesen widerspricht ein Asset zu kaufen, dessen Preis sich im letzten Jahrzehnt mehr als verdoppelt hat. Außerdem bin ich wie Sie sehr skeptisch bezüglich der Zukunft der Bankbranche und somit auch des Standortes Frankfurt am Main.
Auf der anderen Seite sehe ich, dass ich mit knapp 40 Jahren langsam das Alter erreiche, in dem man nicht mehr lange mit Erwerb einer Immobilie warten soll. Genauso sehe ich den weltweiten Schuldenüberhang und die Strategie der Notenbanken, die Schulden um jeden Preis mittels Inflation abzuwerten. Vor diesem Hintergrund erscheint eine Flucht in einen Sachwert trotz eines sehr hohen Preises gerechtfertigt.

Ich muss gestehen, die Nachricht war einige Wochen in meiner Inbox. Dies deshalb, weil ich diese Frage nicht einfach mit machen/nicht machen beantworten kann. Denn es hängt von vielen Faktoren ab und ich fürchte natürlich, in zehn Jahren eine böse Nachricht zu bekommen, nach dem Motto: Hätte ich mal nicht auf Sie gehört!

Andererseits ist es eine Fragestellung, die für viele meine Leser relevant sein dürfte, und ich bin sicher, der Fragesteller wird auch von der Fülle an Kommentaren profitieren, die sich in den kommenden Tagen hier sammeln.

1.     Was ist der Business Case?

2.     Was spricht dafür?

3.     Was spricht dagegen?

4.     Fazit bto

 

1.     Was ist der Business Case?

Überschlägig kostet die Wohnung mit Nebenkosten und was so noch dazu kommt rund eine Million Euro, bei 150.000 Ersparnissen haben wir eine hohe Fremdfinanzierungsquote. Das muss nicht schlecht sein, macht aber natürlich anfällig für unvorhergesehene Ereignisse wie Arbeitslosigkeit, Krankheit, Wegfall von Erfolgskomponenten. Aber es ist machbar.

Vom Einkommen von 150.000 brutto bleiben rund 90.000 netto. Wenn wir nun davon ausgehen, dass Zins und Tilgung bei 20.000 Euro pro Jahr liegen und von Zeit zu Zeit Sondertilgungen vorgenommen werden, sieht dies auch machbar aus. Richtig ist, dass eine Tilgung in 27 Jahren mit diesen Rahmenbedingungen nicht möglich ist. Das muss aber unter Umständen auch nicht das Ziel sein. Vielleicht gibt es künftig Erbschaften, die bei der Tilgung helfen. Wenn nicht, so muss es kein Problem sein, wenn die Wohnung in 27 Jahren noch etwas belastet ist.

Ob Frankfurt ein nachhaltig guter Standort ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Richtig ist, dass Frankfurt von der UBS zu den Städten mit dem höchsten Blasenrisiko gezählt wird. Richtig ist auch die Skepsis bezüglich der Arbeitsplätze im Finanzsektor, die keineswegs sicher sind. Der Finanzsektor durchläuft unabhängig von Regulierung und Überkapazitäten einen derart fundamentalen technologischen Wandel, dass es viele der Jobs, die heute existieren, schon bald nicht mehr geben wird. Hinzu kommt der eingesetzte demografische Wandel, der Städte und Regionen unterschiedlich treffen wird. Durchaus möglich, dass deshalb Frankfurt perspektivisch schlechter abschneidet.

Als erstes Zwischenfazit würde ich sagen, dass man einen Kauf nicht prinzipiell ausschließen kann und sollte. Man muss in der Tat ein paar Annahmen treffen: stabiles Einkommen, Disziplin bei der Tilgung, stabiler Immobilienmarkt.

2.     Was spricht dafür?

Es lässt sich eine Vielzahl von Gründen anführen, in Deutschland in Immobilien zu investieren:

  • Wirtschaftlich starkes Land mit anhaltender Zuwanderung.
  • Billiges Geld mit absehbar weiterer Entwertung und deshalb längerfristig tiefen Zinsen.
  • Prinzipiell gesichertes Eigentumsrecht. Enteignungen zumindest mit Blick auf selbst genutztes Eigentum unwahrscheinlich.
  • Immobilienbesitz unterscheidet nachhaltig zwischen den Armen und den Reichen: Der Vermögensunterschied zwischen Mietern und Eigentümern, ist in Deutschland besonders groß: Haushalte mit selbst genutztem Wohneigentum verfügten im Jahr 2014 mit durchschnittlich 423.000 Euro über ein achtmal so großes Nettovermögen wie Mieterhaushalte (53.000 Euro). Wer also Vermögen aufbauen will, sollte in Immobilien investieren Wie eine höhere Eigentumsquote an Immobilien die Ungleichheit reduziert
  • Im internationalen Vergleich sind Immobilien laut IWF immer noch günstig. → Deutsche Immobilien unterbewertet?

Das entscheidende Pro-Argument dürfte sein, dass wir dauerhaft von einer Politik des billigen Geldes und damit der Geldentwertung ausgehen müssen. Helikoptergeld, New Grees Deal, …  uns steht noch viel bevor. Oder, um es mit Herrn Vorndran von Flossbach von Storch zu sagen: Die Assetpreise werden steigen, und zwar bis zur Währungsreform. Da kann was dran sein.

3.     Was spricht dagegen?

Nun genügt ein Blick nach Japan, um zu sehen, dass anhaltend billiges Geld keine Garantie für steigende Assetpreise ist. Sowohl Immobilien wie auch Aktien sind weit von früheren Höchstständen entfernt. Egal, was die Bank of Japan so treibt.

Was zu den Gegenargumenten führt:

  • Die Preise sind in einigen Gegenden, zu denen Frankfurt gehört, bereits deutlich gestiegen. Die Mietrenditen sind sehr tief und es ist nicht abzusehen, dass sich die Mieten ähnlich erhöhen.
  • Die Alterung der Gesellschaft wird zu einer weiteren Polarisierung am Immobilienmarkt führen. Zwar prognostizieren Studien eine weitere Zunahme der Nachfrage und damit der Preise in Ballungsräumen, andererseits wird die Nachfrage auch sinken.
  • Die Politik greift schon jetzt massiv in den Markt ein zugunsten der Mieter. Dies wird in einer immer älter werdenden Mietergesellschaft zunehmen. Damit wird Mieten – so man eine Wohnung hat – relativ immer attraktiver werden.
  • Absehbar sind auch höhere Steuern auf Immobilien: bei Kauf, Verkauf, Grundsteuer. Es ist das beliebteste Ziel populistischer, linker Politiker. Da wir strukturell vor einer linken Mehrheit stehen, ist es eine ziemlich sichere Vorhersage, dass die Belastungen für Immobilieneigentümer hochgehen. Das muss nicht die Selbstnutzer treffen, aber es wirkt indirekt auch auf den Wert dieser Immobilien.

Neben diesen allgemeinen Gegenargumenten habe ich noch ein einige spezifische:

  • Es ist nicht klug, alles auf ein Pferd zu setzen. Das ist in diesem Fall ein Klumpenrisiko, was bei Arbeitslosigkeit, Scheidung, Krankheit, … erhebliche Vermögensverluste mit sich bringen kann.
  • Es bindet an einen Standort, was hinsichtlich der zukünftigen beruflichen Karriere ein Problem sein könnte (vor allem, wenn man wie ich, die Zukunft für Jüngere durchaus außerhalb Deutschlands sieht).

Ganz persönlich: Ich bin kein Fan von Eigentumswohnungen. Diese verbinden die Nachteile von Eigentum und Miete. Man muss sich immer noch in einer Hauseigentümergemeinschaft abstimmen und es gibt divergierende Interessen zwischen Selbstnutzern und Kapitalanlegern.

4.     Fazit bto

Wenn der Kauf der Wohnung nötig ist, um eine entsprechende Spardisziplin an den Tag zu legen, dann sollte man das tun. Allerdings nur dann, wenn man die genannten Risiken für tragbar bzw. gering hält.

Anderenfalls sollte man die Mittel genauso sparen und kontinuierlich in Aktien, Gold und Immobilienaktien/REITS investieren. Möglichst global ausgerichtet. Wie wir diese Tage erleben können, ist das nicht frei von Turbulenzen und teilweise deutlichen Verlusten. Auf Sicht von 27 Jahren bis zum (jetzt erwarteten, aber dann unwahrscheinlichen) Renteneintritt dürfte man bis dahin eine höhere Rendite erwirtschaften als mit der Wohnung.

Generell zeigt das Beispiel aber auch etwas anderes: wie heutzutage selbst Gutverdiener nicht mehr die Möglichkeit haben, einfach Vermögen zu bilden.