Two cheers for the sharp falls in oil prices ‒ Saudis risk playing with fire
Der Ölpreis fällt und fällt. Bleibt die Frage: Sind das gute Nachrichten für die Weltwirtschaft? Die spontane Antwort ist: Ja! So zumindest meine Sicht. Die Konsumenten werden entlastet und haben mehr Geld in der Tasche, um zu konsumieren und so die Wirtschaft zu beleben ‒ oder ihre Schulden zu reduzieren. Sinkende Ölpreise sind da wie eine Steuersenkung. Aber wie immer in der Wirtschaft sind die Dinge etwas komplizierter. Tiefere Ölpreise senken die Einnahmen der Ölkonzerne (tiefere Gewinne und Aktienkurse und potentiell finanzielle Probleme, falls zu hoch verschuldet) und der Exportländer. Letztere sind zunehmend auf hohe Preise angewiesen, um die hohen Ausgaben zu bewältigen. Prominente Beispiele sind Venezuela und Russland. Sie haben dann aber auch weniger überschüssige US-Dollar, um sie auf den Kapitalmärkten der Welt anzulegen. Manche fürchten deshalb eine Knappheit an Dollar, was zu einem deutlichen Anstieg und damit verbunden zu Druck zur Abwicklung der weltweiten Carry-Trades führt. Letzteres wiederum würde die Zinsen tendenziell steigen lassen, was allerdings die Notenbanken nicht zulassen werden, wie sie auch auf die tieferen Inflationsraten mit mehr Liquidität antworten werden. Was wiederum wieder gut für das Wachstum wäre ‒ oder zumindest für die Finanzmärkte. Tja. Der Gesamteffekt ist recht schwer zu bemessen. Gut, dass es Leute gibt, die glauben, sie könnten es. Einer ist Martin Wolf von der FT. Er sieht diese Folgen des billigen Öls:
- Ein Rückgang des Ölpreises um 40 US-Dollar führt zu einer Verschiebung von 1,3 Billionen US-Dollar (!), also rund zwei Prozent des Welt-BIP von den ölexportierenden Ländern zu den Konsumenten. Dies dürfte den Konsum stärken.
- Der tiefere Ölpreis drückt die Infationsrate weiter und könnte dazu führen, dass die Inflationserwartungen weiter sinken (bto: Das ist für Wolf ein Problem, weil er der Theorie anhängt, dass die Konsumenten dann in Erwartung weiter fallender Preise weniger konsumieren. Ich halte das mit Blick auf Japan für Quatsch. Deflation macht Schulden schwerer bedienbar und nur darin liegt das Problem.) Alternativ könnten die Notenbanken den inflationären Druck ‒ den es ja nicht gibt, aber wenn es ihn gäbe ‒ , unterschätzen, wenn sie nur auf die allgemeine Inflationsrate schauten.
- Tiefere Ölpreise erhöhen die Profitabilität von energieintensiven Industrien und senkt die der Ölindustrie. Damit steigt das Risiko von Pleiten im Energiesektor.
- Die exportorientierten Länder verlieren Einnahmen, was einige wie Venezuela, Iran und Russland stark trifft. Wolf verweist dabei auch auf den Umstand, dass 1987/88 der Ölpreis ebenfalls stark fiel und Russland unter Druck setzte. Er hat kein Mitleid mit den betroffenen Regimen, sieht aber die Gefahr von Konflikten, wenn “Despoten in die Ecke” gedrückt werden.
- Zusätzlich werden die Finanzmärkte beeinflusst: Währungen von Exportländern kommen unter Druck, Aktien von Unternehmen, die von einem tieferen Ölpreis profitieren, werden steigen und so die Blasenbildung befördern.
Ehrlich gesagt, das ist nicht das beste Stück von Wolf. Ich finde, er springt in vielerlei Hinsicht zu kurz, wie ich in meiner Einführung andeute.
→ FT (Anmeldung erforderlich): Two cheers for the sharp falls in oil prices, 2. Dezember 2014
Aber nicht nur Wolf schreibt dazu. Auch Ambrose Evans-Pritchard hat eine Sicht auf Öl. Für ihn ist es vor allem die Absicht der Saudis, die amerikanische Ölförderung unrentabel zu machen und so einen unliebsamen Wettbewerber aus dem Markt zu drängen. Mit potentiell erheblichen Nebenwirkungen
- Es könnte die Scheichtümer im Mittleren Osten härter treffen als die amerikanischen Produzenten. Die IS würde bereits den Kampf nach Algerien und Lybien tragen, die beide stark von Ölexporten abhängen.
- Die amerikanische Ölindustrie hat den globalen Markt durcheinander gewirbelt. Im Jahr 2018 werden die USA gar kein Öl mehr importieren. Damit fehlt eine Nachfrage im Umfang der jährlichen Exporte von Saudi Arabien und Nigeria zusammengenommen.
- Die US-Produktion mag nur oberhalb von 85 US-Dollar je Barrel profitabel sein, aber die Produzenten haben einen großen Teil ihrer Produktion der kommenden Jahre bereits auf Termin verkauft und werden vorerst nicht vom billigeren Preis getroffen. Zudem sinken die Kosten zunehmend aufgrund von verbesserten Produktionstechniken und Skaleneffekten. Die Kosten könnten auf bis zu 30 US-Dollar sinken, was sicherlich zu tief ist, um von der Strategie der Saudis getroffen zu werden.
- Massiv getroffen wird dagegen die teure Offshoreförderung in der Nordsee und vor Angola und Brasilien. In Brasilien sind die Förderstellen so weit vom Land entfernt, dass die Hubschrauber im Flug nachgetankt werden müssen (wow).
- Aber auch andere Länder trifft es: Der Mindestpreis (Break-even) für die Staatsfinanzierung liegt bei 161 Dollar für Venezuela, 160 Dollar für den Jemen, 132 Dollar für Algerien, 131 Dollar für Iran, 126 Dollar für Nigeria, 125 Dollar für Bahrain, 111 Dollar für Irak und 105 Dollar für Russland ‒ für Saudi-Arabien übrigens bei 98 Dollar.
- Es bleibt abzuwarten, was mit Algerien, Iran und Lybien passiert, wenn die Ölpreise für ein bis zwei Jahre um 50 Prozent unter dem Break-even-Punkt liegen. Die Region ist schon jetzt politisch sehr destabilisiert durch den Vormarsch der extremen Islamisten.
Vielleicht ist auch der Hinweis interessant, dass Energieaktien NICHT mit dem Ölpreis korreliert sind, sondern mit dem allgemeinen Aktienmarkt: