Grünes Bauen ist teuer und nicht CO2-optimal

Am kommenden Sonntag (19. Februar 2023) spreche ich mit Ulrike Herrmann über ihr Buch „Das Ende des Kapitalismus“. Zur Einstimmung einige Artikel. Heute über ein grünes Vorzeigeprojekt in Freiburg, von dem die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) berichtete:

  • „Der neue Freiburger Stadtteil Dietenbach soll der ökologischste Deutschlands werden. Auf einer Bruttogeschossfläche von einer Million Quadratmetern soll bis 2042 ein Musterbezirk entstehen. (…) Doch das Vorzeigeprojekt Dietenbach, in dem in zwanzig Jahren etwa 15.000 Bürger leben sollen, steckt in großen Schwierigkeiten. (…) Weil Freiburg nach dem Willen seiner Bewohner die sonnigste, klimagerechteste, glücklichste und ökologischste Stadt auf der Erde werden soll, eine Art Ökotopia, mussten die Politiker sich schon 2019 viel einfallen lassen, damit es überhaupt eine Mehrheit für den Stadtteil und ein bisschen Beton gab.“ – bto: Man muss eben die Flächen pro Kopf rationieren, wie es viele fordern und den Zuzug von einer staatlichen Genehmigung abhängig machen. Dann wird das schon.
  • „Die Bauern zu enteignen war keine Lösung. ‚Enteignungen hat damals niemand gewollt, das hätten wir nicht lange ausgehalten‘, sagt Maria Viethen, die heutige Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Gemeinderat. Zur Umgehung des Problems vereinbarte die Stadt mit der Sparkasse, die Immobilien-Tochtergesellschaft ‚Entwicklungsmaßnahme Dietenbach‘ (EMD) zu gründen. Die Sparkasse sollte die Grundstücke kaufen, Bauherren finden und ihre Geschäfte durch die Kreditfinanzierung des Wohnungsbaus refinanzieren. Der Vorteil: Die Sparkasse konnte die Grundstücke für 64 Euro pro Quadratmeter kaufen – die Stadt hätte aus haushaltsrechtlichen Gründen nur 16,50 Euro bezahlen können. Mittlerweile haben die meisten Bauern ihre kostbaren Äcker verkauft.“ – bto: Das ist so weit kein ungewöhnliches Vorgehen in Deutschland, würde ich meinen. Man umgeht das selbst gesetzte Recht.
  • „Der zweite Trick der Kommunalpolitiker war, den Bürgern den Stadtteil Dietenbach als den fortschrittlichsten Deutschlands anzupreisen und bei den Baustandards ordentlich zu klotzen. Stadtteil-Biotope, neun große Quartiersplätze, viele kleine Piazzas, Stadtteilparks, Verzicht auf strenge Block-Bebauung, Quartiersgaragen zur Vermeidung von Autoverkehr, 50 Prozent geförderte Sozialwohnungen, Urban Gardening und eine völlig neuartige Wärmeversorgung über die Nutzung von warmem Abwasser.“ – bto: Das klingt, als müssten ordentlich Subventionen fließen…
  • „Die Bank verlangte von der Stadt eine höhere Risikobeteiligung, was diese ablehnte. Also bot die Bank der Stadt an, die Projektgesellschaft samt der Kaufoptionen für 62 Millionen Euro zu übernehmen. (…) Rechtlich ist der Deal wohl nicht anfechtbar, weil die Stadt Freiburg die Gesellschaft vollständig mit den Kaufoptionen erwirbt. Politisch ist er etwas unfein: Die Gemeindehaushaltsordnung und das Baugesetzbuch verbieten es Kommunen, Grundstücke zu überhöhten Preisen zu kaufen. Faktisch gibt Freiburg für die Grundstücke über einen Umweg nun doch mehr aus als vom Gesetzgeber gewollt.“ – bto: Aber man hat das politisch gewünschte Ergebnis.
  • „(Es gäbe genug) Gründe, um vor die Bürger zu treten und ihnen zu erklären, dass es mit den halbwegs bezahlbaren Mieten in den nächsten zwanzig Jahren wohl doch nichts werden wird. Der politische Preis wäre hoch – der städtische Wohnungsbau ist nun mal die vornehmste Pflicht einer Stadt. (…) Die Stadt müsse zusätzliche Kosten in zweistelliger Millionenhöhe schultern und die Erlösrisiken tragen. Bei den Erschließungskosten für Schulen, Wege, Kitas kalkuliere man im Moment mit einer Milliarde Euro. Dabei werde es wohl nicht bleiben.“ – bto: Es ist also ein Klientelprojekt, bei dem die Kosten für den Steuerzahler keine Rolle spielen (dürfen).
  • „Erst in dieser Woche stellte der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann infrage, ob man mit hohen Vorgaben zur Energieeffizienz nicht das Bauen neuer Wohnungen eher verhindere und ‚Fehlallokationen‘ erzeuge. (…) ‚Die teure und technisch perfekte Lösung ist nicht zwangsläufig die ökologischste und die wirtschaftlichste, im Gegenteil, sie kann angesichts hoher Zinsen und teurer Baukosten Investoren vom Bauen abhalten‘, sagt Thomas Auer, Professor für Gebäudetechnologie und klimagerechtes Bauen an der TU München. (…) ‚Es greift zu kurz, immer nur auf den Energieverbrauch und die Effizienz für den Betrieb von Häusern zu schauen‘, sagte Auer. ‚Was zählt, ist die CO2-Bilanz über den gesamten Lebenszyklus eines Hauses, vom Bauen bis zum Abriss.‘“ – bto: Das leuchtet ein, wird aber gerne verdrängt – wie auch die Kosten.
  • „Der Fachmann schlägt vor, über die Art des Bauens nachzudenken: ‚Wenn sich in den nächsten Jahren am Wohnungsmangel etwas ändern soll, müssen wir zum einfachen Bauen zurückkehren: monolithische Wände, hohe Räume mit geringem Fensterflächenanteil, Verzicht auf Rollläden oder Sonnenschutz und kein Estrich, dafür mit Aufputz-Installationen.‘“ – bto: Aufputz-Installationen, das klingt, als ob es Frau Herrmann gefallen könnte.
  • „CDU, FDP und Freie Wähler bezweifeln, ob es der Stadt gelingen wird, die Erschließungskosten des Geländes über die Grundstücksvergabe zu finanzieren. ‚Wenn die Kosten für die Erschließung-, die städtische Infrastruktur und den Bau von Wohnungen schon jetzt bei 7000 Euro pro Quadratmeter liegen und weitere Zins- und Baukostensteigerungen nicht eingerechnet sind, dann kostet eine Hundert-Quadratmeter-Wohnung schon jetzt mindestens 700 000 Euro. Wie soll das funktionieren, wenn die Hälfte aller Wohnungen in Dietenbach gleichzeitig zu Mieten angeboten werden sollen, die 30 Prozent unter dem Mietspiegel liegen?‘, fragt Johannes Gröger, Stadtrat der Freien Wähler in Freiburg.“ – bto: … mit Subventionen, wie denn sonst?

Das Ganze unterstreicht erneut, wie teuer die ideologische Umsetzung des Klimaschutzgedankens ist, die zudem verkennt, den CO2-Ausstoß über den gesamten Lebenszyklus zu berechnen und nicht nur den Grenzausstoß.

faz.net: „Wenn grünes Bauen zu teuer wird“, 23. Januar 2023