Globale Mindest­steuer – zu früh gefreut

Die wichtigsten Zahlen und Fakten zur globalen Mindeststeuer und die sich daraus ergebenden Gefahren – gerade auch für Deutschland – habe ich bereits diskutiert:

Die globale Mindest­steuer bringt wenig und birgt Gefahren  

Jetzt, wo sich (fast) alle einig sind, dürfen wir uns darauf freuen. Denn auch ich finde, dass Unternehmen einen fairen Beitrag zur Finanzierung des Staates leisten sollten. Doch so einfach wird es nicht, lauern doch noch einige Fallstricke, wie die FINANCIAL TIMES (FT) bemerkte:

  • “(…) the agreement by 130 countries to reform international corporate taxation is a big moment. (but) the outcome is mixed at best. Here is the good, the bad and the ugly of the reform.” – bto: Aus deutscher Sicht bringt es vor allem wenig und es dürfte sogar dazu führen, dass deutsche Unternehmen künftig mehr Steuern im Ausland und nicht bei uns bezahlen.
  • “First, the good. The deal addresses the worst problems of international profit taxation. (…) When value instead resides in intangible services and intellectual property, it is a recipe for abuse. It is estimated, for example, that 40 per cent of global foreign direct ‘investment’ is structured to lower taxes rather than for actual business investment reasons.” – bto: Als normaler Steuerzahler freue ich mich natürlich, ist es doch recht ungerecht, derart hart angegangen zu werden von den hiesigen Steuerbehörden.
  • “The deal attacks this by introducing a minimum global profit tax rate of 15 per cent and shifting the right to tax a slice of that profit from the place of residence to the place of sale. Economists who have crunched the numbers find this makes a significant, if not earth-shattering, difference. A forthcoming report by EconPol researchers Michael Devereux and Martin Simmler estimates that taxing rights to $87bn of profit will be redirected to countries of sale. France’s official Council of Economic Analysis (CAE) puts the number at $130bn. At typical rates, that amounts to $20-30bn worth of annual tax revenue.” – bto: Ja, der Hauptnutznießer sind die USA.
  • “The minimum tax, the CAE finds, could raise corporate tax revenues by €6bn-€15bn for each of France, Germany and the US.” – bto: für Deutschland eher in der Größenordnung von fünf bis sechs Milliarden, wie gezeigt.
  • Now for the bad. The agreement only very partially solves the problem. Too few multinational corporations are included. Even with a minimum rate, most corporate profit will still be taxed according to the residence principle. The anomalies it spawns will therefore remain, too. The modest minimum rate leaves in place incentives to shift profits to low-tax jurisdictions (which therefore have little reason to complain).” – bto: Das ist zunächst für exportstarke Länder wie Deutschland eine gute Nachricht. Denn eine andere Verteilung ginge zu unseren Lasten.
  • “Finally, the ugly. Governments have missed an opportunity to simplify the rules, leaving fertile ground for new and clever techniques to circumvent their intention. Rather than haggling about carve-outs and thresholds, leaders could have bargained over the relative weighting of investment, employment and sales in a fully formula-based allocation of multinational corporations’ entire global profits.” – bto: Na ja, ich finde es eher problematisch, dass Abschreibungsregeln etc. anders sind. Noch einmal: Nur nach einer Umverteilung zwischen den Ländern zu rufen, ist gerade aus unserer Sicht nicht vorteilhaft, aber auch nicht begründet.
  • “This was a giant leap for politicians to make. Yet it remains a mere first step for the global economy.” – bto: Und wie mit der Schulden- und Transferunion wäre es gut, wenn Deutschland besser aufpasst.

ft.com (Anmeldung erforderlich): “The good, the bad and the ugly of the global tax reform deal”, 4. Juli 2021

Kommentare (12) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. weico
    weico sagte:

    @Selig+Tischer

    ” Insofern, ganz richtig:

    >Der ganze Prozess lässt noch viel Nachsteuerungsspielraum auf allen Seiten.>

    Mich nervt allerdings das Hallelujah, mit dem die Übereinkunft bejubelt wird.

    Es zeigt, wie naiv die Bevölkerung ist und im konkret vorliegenden Fall auch die angesehene FT.”

    Der Staat hat ,nicht nur bei Unternehmen, noch sehr viel Nachsteuerungsspielraum . Besonders bei “Leistungsträgern” und “Vermögenden”.

    Neben Staatsanleihen und Neuverschuldung ……kann der Staat ja nur noch durch höhere- bzw. neue Besteuerung und Umverteilung seine Wohlfahrtsversprechen halten bzw. den sozialen Kipppunkt nach hinten verschieben.
    Die grosse Masse der Staatsbürger, kann solchen Staatszwängen, anders als Unternehmen, ja schlicht nicht ausweichen.

    Nebenbei:
    Wetten, dass die Wiedereinführung der Vermögenssteuer einer der ersten Punkte auf der Agenda der grün/roten Parteien sein wird. Der Druck der Wohlstandsempfänger wird ja immer deutlicher:
    https://werhatdergibt.org/offenerbrief/

    Umverteilen ist im Trend :
    Auch in der Schweiz wird am 26.Sep. abgestimmt. Stichwort: “99-Prozent-Initiative” !

    “Die Initiative fordert die höhere Besteuerung von Kapitaleinkommen (Zinsen, Dividenden etc.). Mit den Mehreinnahmen sollen die Einkommenssteuern für Personen mit tiefen und mittleren Arbeitseinkommen gesenkt oder in die soziale Wohlfahrt wie Familienleistungen, Bildung und Gesundheit investiert werden.”
    Quelle :Webseite der Initiative

    Da nur 1% der Bevölkerung betroffen ist und zudem sehr moderat und einfach ausgestaltet ist, hat sie gute Chancen angenommen zu werden !

    Antworten
    • JürgenP
      JürgenP sagte:

      @weico „Mich nervt allerdings das Hallelujah, mit dem die Übereinkunft bejubelt wird. Es zeigt, wie naiv die Bevölkerung ist und im konkret vorliegenden Fall auch die angesehene FT.”

      Wieso ist da jemand naiv?

      Es kommt ein gestandener Bundesfinanzminister daher und verkündet Kraft seines Amtes die Weltverbesserung in Form einer Steuer, die vor 10 Jahren hätte schon von den Unternehmen eintrieben werden müssen. Er verkündet nichts anderes als das Ende eines Steuerhinterziehungsmodells, von dem er vermutlich vor drei Monaten nichts wusste. Wie schön für die Welt.

      Naja, der BuFiMi ist bekannt für SEINE Naivität und Unkenntnis in seinem Job. Mal wird er von einem umjubelten Cum-Ex-Geschäft eines pfiffigen Steuerberaters überrascht, mal ist ihm der jahrelange Milliardenbetrug einer Kartenbezahlfirma nicht aufgefallen.

      Wenn er nun – jeder darf sich in seinem Job weiterentwickeln – verkündet, dass es mit seiner geballten Macht den Cayman-Konzernen an den Kragen geht, so ist das doch eine Schlagzeile wert. So ein seltenes Ereignis muss doch auch in einer Finanzzeitung stehen. Und auch die Tagesschau, das Naivzentrum der Bundesrepublik, darf davon berichten. Die Bevölkerung durchblickt das Geschehen, wird sich nicht blenden lassen und den BuFiMi mit einem einstelligen Wahlergebnis in den Geldspeicher schickten.

      Bin ich nun naiv?

      Antworten
      • Richard Ott
        Richard Ott sagte:

        @JürgenP

        “Bin ich nun naiv?”

        Sie glauben, dass Politiker wie Scholz redliche Absichten haben und ehrlich sind, und darüber hinaus noch dass die Konzerne keine Schlupflöcher in den Deal einbauen werden (eines habe ich schon weiter unten beschrieben, mit der Quelle aus dem irischen Rundunk).

        Also eindeutig: Ja.

  2. Dietmar Tischer
    Dietmar Tischer sagte:

    >Governments have missed an opportunity to simplify the rules, leaving fertile ground for new and clever techniques to circumvent their intention.>

    Eine Gelegenheit “ausgelassen” – die folgende?

    >Rather than haggling about carve-outs and thresholds, leaders could have bargained over the relative weighting of investment, employment and sales in a fully formula-based allocation of multinational corporations’ entire global profits.”>

    Das ist lachhaft und, wenn dies die FINANCIA TIMES schreibt, muss man sich ernsthafte Sorgen machen, wie weit überhaupt noch REALITÄT verstanden wird.

    Durchweg alle Regierungen haben ein alles ÜBERRAGENDES Problem:

    Zunehmende Einkommensverluste bzw. Arbeitslosigkeit in ihren Gesellschaften.

    Es kann nur MIT Unternehmen unter Kontrolle gehalten werden.

    Daher werden sie alles tun, die Steuernachteile der neuen Regelung zu KOMPENSIEREN.

    Vor allem die Unternehmen, die Arbeitsplätze schaffen, können sich zurücklehnen.

    Die Regierungen werden ihnen Bedingungen bieten, die sie NICHT ausschlagen können, im Land zu bleiben und ins Land zu kommen, um zu investieren.

    Es wird nach Lage der Dinge nur im Wettbewerb mit anderen Regierungen geschehen.

    Das Ganze ist letztlich eine PR-Veranstaltung.

    Antworten
  3. Richard Ott
    Richard Ott sagte:

    Ha, da hat die FT das Wichtigste vergessen:

    The ugliest: Die “Lex Amazon”, schön beschrieben von den Steuerspar-Experten beim irischen Staatsfunk RTE:

    “World leaders have agreed a new minimum global tax rate at the G7 summit, but Amazon could escape paying the higher levy. The new 15% rate is intended to put an end to top multinationals recording their profits in low corporate tax rates instead of paying where they conduct their business. Also as part of the new plan, governments would be allowed to tax a share of the profits of the most profitable companies in the world, regardless of where they are based. This only applies to large international firms whose profit margins exceed 10%.

    That would affect about 100 companies, including US tech giants such as Facebook and Google, but not Amazon.

    Despite Amazon’s colossal footprint and market capitalisation of more than $1 trillion, its profit margin last year amounted to 6.3%.”

    https://www.rte.ie/news/world/2021/0609/1227178-amazon-tax-rate/

    PS: Je nachdem, wie “Firma” im Kleingedruckten des Steuerdeals genau definiert ist (was bei multinationalen Konzernen mit Milliardenumsätzen alles andere als eine triviale Frage ist), könnte es sein, dass die anderen großen Konzerne auch von der Amazon-Regel profitieren werden, nachdem sie ihre Geschäfte so umstrukturiert haben, dass möglichst viel davon in Firmenstrukturen steckt, die weniger als 10% Profitmarge haben. Im Zweifelsfall kann man ja ein paar Tankstellen dazukaufen, oder irgendein Konglomerat mit einem großen aber margenschwachen Konzern bilden….

    Antworten
    • Wolfgang Selig
      Wolfgang Selig sagte:

      @Herrn Ott:

      Warten wir es mal ab. Das entscheidende ist vermutlich, dass sich die Konzerne politisch in den USA wohlverhalten. Und hier zeigt sich im Gegensatz zur Old Economy (z.B. den großen Bergbaufirmen oder den Ölfirmen, die eher zu den Republikanern neigen), dass die Tech-Konzerne wegen der Immigrationspolitik eher zu den Demokraten neigen. Und auch gerne mal spenden. So jemand melkt man als Administration nur ein wenig, aber man schlachtet ihn nicht.

      Nach dem Motto: wenn Ihr nicht selbst Politik machen wollt, lassen wir Euch steuerlich mehr als genügend Luft. Der ganze Prozess lässt noch viel Nachsteuerungsspielraum auf allen Seiten. Klar ist aber, dass die US-Regierung die großen Tech-Konzerne wirtschaftlich, militärisch, nachrichtentechnisch und politikstrategisch genauso braucht wie möglichst viele Verbündete im Kampf gegen China, das immer stärker wird und die amerikanische Dominanz das erste Mal seit 1990, ja eher schon 1970 in Frage stellt, seit die Sowjetunion bzw. Russland nicht mehr auf Augenhöhe spielen. Denn die Chinesen haben mit Alibaba, Tencent & Co ihre Gegenspieler, die auch gerade politisch eingenordet werden (nur noch wesentlich stärker). Und der Wettbewerb zwischen USA und China wird eher noch härter als entspannter:

      https://www.spiegel.de/ausland/china-draengt-offenbar-us-zerstoerer-im-suedchinesischen-meer-ab-a-cfade81e-42cb-4cc8-9dbc-0a9f846a1a64

      Die eigentlichen Gespräche fangen jetzt erst an, wenn die politischen Experten zu arbeiten beginnen und gleichzeitig die Lobbyisten ihr Störfeuer starten. Auf jeden Fall ein PR-Coup für die US-Demokraten und im Windschatten profitiert Olaf Scholz in Deutschland ohne eigenes Dazutun auch ein klein wenig davon.

      Antworten
      • Dietmar Tischer
        Dietmar Tischer sagte:

        @ Wolfgang Selig

        Sehe das so wie Sie.

        Die Bindung der großen Tech-Konzerne und die Einflussnahme auf sie durch nominale Steuergestaltung ist jedoch nur eine Stellschraube, an der die Regierung der USA drehen kann.

        Die andere ist Regulierung, mit der diesen Unternehmen z. B. mehr Marktmacht eingeräumt werden könnte, etwa durch erleichterte Datennutzung oder die Vermeidung von Zerschlagung.

        Das ist bei den Demokraten nicht einfach, aber es sind zumindest Optionen.

        Insofern, ganz richtig:

        >Der ganze Prozess lässt noch viel Nachsteuerungsspielraum auf allen Seiten.>

        Mich nervt allerdings das Hallelujah, mit dem die Übereinkunft bejubelt wird.

        Es zeigt, wie naiv die Bevölkerung ist und im konkret vorliegenden Fall auch die angesehene FT.

      • Wolfgang Selig
        Wolfgang Selig sagte:

        Naiv? Weiß ich gar nicht. Es ist glaube ich die Erleichterung, dass in letzter Konsequenz nicht die Konzerne die Politik machen, sondern immer noch die Gewählten. Ganz viele Leute im Westen waren sich hier in den letzten Jahren nicht mehr so sicher, weil in der new economy das “winner-takes-it-all-Prinzip” der Skalierung herrscht und der Einfluss über die Information der Bevölkerung enorm ist.

        Dazu gibt es ein altes Bonmot aus dem Hongkong der 80er vor der Rückgabe an die Chinesen:

        “In Hongkong regieren drei Institutionen: 1. Der Jockey-Club. 2. Der Einzelhändler Jardins. 3. Der Gouverneur. Und zwar genau in der Reihenfolge.”

        Viele Leute glauben, dass die Reihenfolge in den USA heute so lautet: 1. Konsortium Microsoft / Facebook / Amazon / Apple / Google. 2. Dow Jones-Vertreter 3. Der Präsident.

        Dem ist nicht so. Aber der Eindruck konnte manchmal für den Laien entstehen. Wer Geld hat, hat noch lange keine Sympathien oder gar Panzer. In Mexico sieht das schon anders aus. Ob dort der Präsident mächtiger ist als das Sinaloa-Kartell, muss man wohl mit einem großen Fragezeichen beantworten.

      • Richard Ott
        Richard Ott sagte:

        @Herr Selig

        “Viele Leute glauben, dass die Reihenfolge in den USA heute so lautet: 1. Konsortium Microsoft / Facebook / Amazon / Apple / Google. 2. Dow Jones-Vertreter 3. Der Präsident. ”

        Solange das staatliche Gewaltmonopol noch besteht, ist die Hackordnung eine Frage des Willens der Politiker. Die könnten den Konzernen eine Menge Probleme bereiten, und sie sogar zerschlagen, wenn sie wöllten. Aber dann bekämen sie nach ihrer vergleichsweise kärglich entlohnten politischen Karriere keine schönen Konzern-Pöstchen oder Vortrags-Engagements für sechsstellige Honorare, so wie meine amerikanische Lieblingspolitiker*in hier: https://edition.cnn.com/2016/02/05/politics/hillary-clinton-bill-clinton-paid-speeches/index.html

        “In Mexico sieht das schon anders aus. Ob dort der Präsident mächtiger ist als das Sinaloa-Kartell, muss man wohl mit einem großen Fragezeichen beantworten.”

        Die noch viel spannendere Frage wäre: Wäre Mexico stabiler oder instabiler, wenn dort das Sinaloa-Kartell die Regierungsmacht übernähme? Und wöllte das Kartell das überhaupt?

      • Dietmar Tischer
        Dietmar Tischer sagte:

        @ Wolfgang Selig

        Auf was ich mich beziehe mit „naiver Bevölkerung“:

        Es ist ihr GLAUBE, dass mit derartiger supranationaler Steuergestaltung zu ihren Gunsten MEHR Gerechtigkeit geschaffen wird.

        Dieser Glaube verkennt, dass es letztlich NICHT darum geht, die Verteilung zwischen wenig Steuern zahlenden Unternehmen und steuerzahlenden Bürgern zu korrigieren, sondern darum, dass der Lebensstandard der Bürger nur MIT Unternehmen und nicht gegen sie gesichert werden kann.

        Die Menschen wissen das natürlich auch, aber erkennen dies NICHT als Basis-Prämisse politischen Handelns.

        Wenn es so wäre, wie die Bevölkerung glaubt, könnten sich die Finanzminister doch auf einen Steuersatz einigen, den alle unterschreiben und anwenden.

        Sie sagen zu Recht, dass verhandelt werden muss.

        Ich nenne den Grund, der m. A. n. bestimmend dafür ist, dass verhandelt werden MUSS.

Ihr Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlassen Sie uns Ihren Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.