Europe has to do whatever it takes
Letzte Woche habe ich den Chefkolumnisten der FT, Martin Wolf, mit Blick auf seine Vorschläge für eine Geldreform gelobt. Heute seine Sicht auf die Eurozone, die zutreffend ist, aber zu kurz springt. Die Fakten:
- Im zweiten Quartal 2014 lag die gesamtwirtschaftliche Nachfrage in der Eurozone um 5 Prozentpunkte unter dem Wert vom ersten Quartal 2008.
- Die Arbeitslosigkeit liegt um 5 Prozentpunkte höher als damals.
- Die Inflationsrate liegt im Jahr 2014 bisher bei 0,4 Prozent
- Folgerung: Die Eurozone befindet sich in einer Depression. (bto: Teile diese Einschätzung, spreche doch schon lange von einer „Depression in Zeitlupe“.)
- Ursache: Die Eurozone hat ein Nachfrageproblem. (Und hier beginnen meine Probleme mit seinem Beitrag. Stimmt natürlich. Aber warum denn? Weil wir vorher eine Riesen-Schuldenorgie gefeiert haben. Schulden sind vorgezogener Konsum …, der fehlt natürlich später!)
Wie schlimm es um die Krisenländer steht und wie weit sich die Kapitalmärkte von der Realität entfernt haben, zeigt ein Beitrag auf Zero Hedge. Kommentierung unnötig – die Cartoons sind gut!
→Zero Hedge: Same $#!%, Different PIIGS, 11. September 2014
Doch zurück zu Martin Wolf:
- Aber wenigstens Mario Draghi hat das verstanden. Nachdem er im Alleingang den Euro gerettet hat („whatever it takes – meine Meinung dazu hier), wird er nun die Nachfrage ankurbeln.
- Zunächst wird die EZB endlich in Quantitative Easing einsteigen und laut IWF wirkt das auch – so zumindest eine Studie.
- Dennoch ist Skepsis angebracht: Die Kreditvergabe stockt, die Unterschiede in der Wettbewerbsfähigkeit bleiben enorm und die tiefe Inflation erschwert die Anpassung.
- Die tiefe Inflation drückt die Krisenländer in die Deflation, was deren Schuldenlast noch unerträglicher macht. Zugleich „saugt“ Deutschland mit seinem Handelsüberschuss von 8 Prozent vom BIP Nachfrage aus den anderen Ländern ab (bto: Klar, kann man so sehen. Der Überschuss entsteht aber vor allem mit Nicht-Euroländern. Und dass wir dann nichts im Euroraum kaufen, dürfte an den hohen Preisen liegen. Türkei ist billiger als Griechenland …, von Italien ganz zu schweigen.)
- Wir brauchen neben dem billigen Geld mehr (staatliche) Nachfrage: Infrastrukturprogramme, Steuersenkungen. Draghi hat recht, wenn er zusätzliche Maßnahmen fordert, um das Wachstumspotenzial zu steigern, also Reformen.
Wolf schließt, dass nur, wenn es gelingt, die Nachfrage zu steigern, die politische Stabilität gewahrt bleibt. Die Bürger Europas hätten ohnehin schon erstaunlich lange durchgehalten. Da gebe ich ihm recht. Natürlich ist es eine Nachfragekrise. Doch mit dem japanischen Weg immer größerer Staatsschulden werden wir die Krise nicht überwinden. Der Schuldenüberhang muss weg. Vorschläge zur Überwindung der Misere in Europa, die das Thema Schulden ausblenden, springen deutlich zu kurz.
→ FT (Anmeldung erforderlich): Europe has to do whatever it takes, 9. September 2014