Die Mieter geben immer weniger vom Einkommen für Miete aus
Das Thema „Wohnen“ soll ein Wahlkampfschlager werden. Endlich müsse was gegen steigende Mieten und gierige Vermieter getan werden. Dabei ist das ein Problem, das sich auf einzelne Regionen konzentriert. Vergleicht man die Mietentwicklung mit der Einkommensentwicklung, kommt man zu interessanten Einsichten: Für die meisten Bürger ist der Anteil des Einkommens, was für Mieten aufgewendet werden muss, in den letzten Jahren gesunken.
Die F.A.Z. fasst zusammen:
- „In einem Jahrzehnt des wirtschaftlichen Aufschwungs in Deutschland vor der Corona-Pandemie sind dabei städtische Mietkosten oft gestiegen. Doch die anteiligen Wohnkosten am verfügbaren Haushaltseinkommen sind im Durchschnitt eher gesunken. Der Anteil der Wohnkosten ist laut dem Statistischen Bundesamt von 30,9 Prozent im Jahr 2009 auf 25,9 Prozent im Jahr 2019 gefallen.“ – bto: Das ist erheblich! Fünf Prozentpunkte weniger für Miete ist eine andere Message als jene, die in den Medien und durch die Politik verbreitet wird.
- „Dieser deutliche Rückgang hilft vor allem Normal- und Besserverdienern. Für die armutsgefährdete Bevölkerung ist der Wohnkostenanteil in diesen zehn Jahren von 51,0 Prozent auf 49,0 Prozent gesunken und für den Rest von 27,2 Prozent auf 21,9 Prozent.“ – bto: Der Wohnkostenanteil ist aber – und das halte ich für wichtig – für alle gesunken.
- „Für Claus Michelsen, Leiter der Konjunkturpolitik am DIW Berlin, ist die durchschnittliche Wohnkostenbelastung nicht der Punkt. ‘Diese ist für hohe Einkommen in den letzten 20 Jahren deutlich gesunken. Bei den unteren Einkommensschichten sieht es deutlich anders aus’.“ – bto: Ja, aber es ist eben nicht der Anstieg, über den man berichtet. Und es ist auch nicht ungerecht, wenn Menschen mit weniger Einkommen einen höheren Anteil dieses Einkommens für grundlegende Bedürfnisse ausgeben. Auch der Anteil der Ausgaben für Ernährung dürfte höher sein.
- „(…) Digitalisierung und verstärkter Heimarbeit (dürften) zu einer größeren Entspannung bei den Wohnungsmärkten führen. (…) Wohnen und Arbeiten im ländlichen Raum, wenn dieses attraktiv und gut angebunden ist. Er verweist zudem darauf, dass 1,8 Millionen Wohnungen in Deutschland leer stehen. Mehr als eine halbe Million Wohnungen wäre davon aktuell verfügbar. Wenn die Menschen dezentraler arbeiten, können mehr Personen die preiswerteren Mieten im ländlichen Raum nutzen. Das würde auch den vielfach überhitzten Großstädten durch weniger Staus dienen genauso wie der Umwelt, den Menschen und dem Klimaschutz.“ – bto: Das stimmt und ist durchweg positiv. Mehr dezentrales Leben ist sicherlich attraktiv.
- „Hohe Mieten werden vor allem in Großstädten fällig. Laut Bundesamt lag 2018 die durchschnittliche Nettokaltmiete je Quadratmeter für Neuanmietungen von 2015 an in den sieben Metropolen Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt, Stuttgart und Düsseldorf bei 10,80 Euro. In kreisfreien Großstädten waren es dagegen 7,70 Euro, in städtischen Kreisen 7,30 Euro, in ländlichen Kreisen 6,40 Euro und in dünnbesiedelten ländlichen Kreisen nur 6,10 Euro.“ – bto: Beispielsweise gibt es in Berlin noch viel Wohnraum für eine Nettokaltmiete um die 6 Euro. Kein Neubau, aber bei Wiedervermietung im normalen Bestand. Siehe Mietspiegel.
- „In den Großstädten wirkt sich der Zuzug deutlich aus. In den sieben größten Städten zahlen die seit 2015 eingezogenen Mieter ein Fünftel mehr als Personen mit älteren Mietverträgen. Die durchschnittliche Nettokaltmiete je Quadratmeter variierte im Bundesländer-Vergleich des Statistischen Bundesamtes im Jahr 2018 für Neuanmietungen zwischen 5,70 Euro in Sachsen-Anhalt und 5,90 Euro in Thüringen bis hin zu 9,10 Euro in Berlin, 9,30 Euro in Bayern und 10,30 Euro in Hamburg.“ – bto: Man sieht also, wie die Regulierung – Stichwort „Mietpreisbremse“ – wirkt. Es ist offensichtlich so, dass die Miete im Bestand nicht richtig steigt.
- „Rund 14 Prozent der Bevölkerung in Deutschland lebten laut den Statistikern 2019 in Haushalten, die durch Wohnkosten überbelastet waren und mehr als 40 Prozent ihres verfügbaren Einkommens für Wohnen ausgeben. Diese Quote ist seit dem Jahr 2014 leicht gesunken. Die Mietbelastungsquote ist von 2010 zu 2018 auch etwas zurückgegangen.“ – bto: Darunter dürften nicht nur „Arme“ sein, sondern eben auch Studenten. Sind diese wirklich übermäßig durch Miete belastet oder ist es nicht ein übliches temporäres Problem?
In Summe unterstreichen diese Fakten, wie weit sich Politik durch Populismus und Desinformation von diesen entfernt. Gerade bei diesem Thema.
→ faz.net: „Mietkostenanteil am Einkommen schrumpft stetig“, 19. April 2021