Vollgeld mit Hilfe der direkten Demokratie?
Die Idee von Vollgeld habe ich mehrfach besprochen, zuletzt in meinem Kommentar anlässlich des isländischen Vorstoßes in diese Richtung. Ich finde sie nach wie vor sehr interessant und sogar Vertreter wie Martin Wolf von der FT stellen sich zunehmend hinter die Idee. Hier nochmals einige empfehlenswerte Beiträge:
- Auf der Suche nach dem neuen Geldsystem ‒ 1
- Auf der Suche nach dem neuen Geldsystem ‒ 2
- Vollgeld, Liquidität und Stabilität
- Die große Angst vor der Geldflut
- “Nach der Finanzkrise droht die Geldkrise”
In der Schweiz findet bekanntlich eine Volksabstimmung zu dem Thema statt. Ich finde das sehr gut, weil es eine intensive öffentliche Diskussion auslöst, die wir leider in Deutschland so nicht kennen. Damit steigt auch das ökonomische Verständnis der Bürger, was wir dringend brauchen könnten! Selbst wenn die Initiative scheitern sollte, dürfte sie etwas bewegen. Die Goldinitiative war sicherlich ein Grund für die SNB die Goldbindung aufzugeben.
Hier nun ein Kommentar von Peter Bernholz, emeritierter Wirtschaftsprofessor der Universität Basel und ausgewiesener Experte für Geldpolitik (Schwerpunkt: Inflationsforschung):
- “Die Vollgeldinitiative (…) wendet sich dagegen, dass die privaten und die öffentlichen Banken mit Hilfe der Giralgeldeinlagen des Publikums bei ihnen durch die Gewährung von Krediten weiteres Giralgeld sozusagen aus dem Nichts schaffen können.”
- “Derzeit besteht der Geldumlauf beim Publikum (Ende Dezember 2014) zu 329,6 Mrd. Fr. aus Sichteinlagen bei Banken und zu nur 68,7 Mrd. Fr. aus Bargeld (Banknoten und Münzen), das jedoch das einzige gesetzliche Zahlungsmittel ist.”
- “Die Einlagen auf Sicht- und Transaktionskonti sollen nun durch die Initiative in Verbindlichkeiten gegen die SNB umgewandelt werden.”
- “Zunächst ist zu erwähnen, dass der entsprechende Vorschlag alt ist und von namhaften Ökonomen der älteren Chicago-Schule (…) während der Grossen Depression der Dreissigerjahre in Form einer hundertprozentigen Deckung des Giralgelds durch Zentralbankgeld zur Diskussion gestellt wurde und dass er nach dem Zweiten Weltkrieg auch von deutschen Ordoliberalen übernommen wurde.”
- “Es besteht ferner kein Zweifel daran, dass die Politik der Banken, jederzeit verfügbare Guthaben auf Giroeinlagen auszuleihen und damit die Giralgeldmenge zu erhöhen, historisch verschiedentlich zur Entstehung von Finanzkrisen beigetragen hat.”
- “Somit werden die Banken zahlungsunfähig, wenn gleichzeitig viele Inhaber von Guthaben die Rückzahlung ihrer Einlagen verlangen (ein sogenannter Bank Run). (…) durch die zusätzliche Kreditgewährung mit Hilfe des neu geschaffenen Giralgelds (wird) ein Investitionsboom in der realen Wirtschaft ausgelöst, bei dem die Nettoinvestitionen über die realen Ersparnisse (…) hinausgehen.”
- Dann erläutert Bernholz einige offene Fragen der Umstellung und wie die Banken in Zukunft für ihre Dienstleistungen bezahlt werden, bevor er zu dem eigentlichen Argument kommt, welches er schon vor einigen Monaten in der NZZ vorgebracht hat: “Wenn die grössere Sicherheit des Finanzsystems der Schweiz bei Annahme der vorgeschlagenen Änderungen allgemein bekannt werden würde, müsste besonders in Krisenzeiten mit einer noch stärkeren Überbewertung des Frankens gerechnet werden, da ja entsprechende Änderungen im Ausland nicht zu erwarten sind.“
- Fazit: “Eine Vollgeldlösung, in der alle Girokonti direkte Forderungen gegenüber der SNB darstellen und damit zu gesetzlichen Zahlungsmitteln würden, hätte sicherlich eine geringere Anfälligkeit des Finanzsystems für Krisen zur Folge. Ausserdem würde es Vorschlägen, wie dem des Bundesrats und des Ständerats, keine Bargeldzahlungen von über 100 000 Fr. mehr zuzulassen, den Systemwiderspruch nehmen, dass eine solche Regelung unverantwortlich ist, solange nur Banknoten gesetzliches Zahlungsmittel sind und daher Giroeinlagen von grösseren Beträgen einem schwer ausweichbaren Risiko unterliegen. Doch die Formulierung der Vollgeldinitiative weist erhebliche Mängel und ungelöste Probleme auf, sodass die Annahme in dieser Form nicht empfohlen werden kann.”
bto: kein Veto gegen Vollgeld, sondern gegen den konkreten Vorschlag.
-> FINANZ und WIRTSCHAFT: Vollgeld mit Hilfe der direkten Demokratie?, 20. März 2015