„Wie die Demografie-Falle Ihr Vermögen bedroht“
Die alternde Gesellschaft hat erhebliche Auswirkungen auf Wirtschaft und Vermögenswerte. Schon heute muss man das Portfolio darauf ausrichten.
Kürzlich kam ich mit einem Freund auf das Thema Demografie zu sprechen. Beide waren wir uns einig, dass der derzeitige Flüchtlingszustrom die demografischen Probleme Deutschlands und Europas nicht wird lösen können. Zu gering dürfte der produktive Anteil der Zuwanderer sein, die einen nennenswerten Beitrag zum Erhalt unseres Wohlstands leisten. Vielmehr wächst mit jedem Tag die Gefahr von dauerhaft hohen Kosten und heftigen Verteilungskonflikten.
Also kam sehr schnell das „japanische Szenario“ auf den Tisch: schrumpfende Erwerbsbevölkerung, geringe Nachfrage, wenig Wachstum, fallende Preise, am Ende Deflation. Dennoch war mein Freund gerade dabei, sein Immobilienportfolio in Deutschland auszubauen. Wo gäbe es schließlich dank günstiger Zinsen noch Renditen von sieben Prozent auf das Eigenkapital!
Auf den ersten Blick einleuchtend. Aber hat nicht die Demografie auch Auswirkungen auf den Immobilienmarkt? Wie wird eine insgesamt ältere Gesellschaft die Wirtschaft insgesamt beeinflussen? Ist es wirklich das japanische Szenario? Und was ist die richtige Anlagestrategie dafür?
Schauen wir uns zunächst die Wirkung auf das Konsumentenpreisniveau an. Unstrittig ist, dass die Konsumneigung mit dem Alter abnimmt. Der Höhepunkt der Ausgaben liegt meist im Alter zwischen 30 und 55 Jahren, wenn Familiengründung und steigende Einkommen den Konsum befeuern. Im Rentenalter hingegen sind die Leute sparsamer und fragen weniger nach. Diese Faustregel gilt immer noch, auch wenn Rentner heute aktiver leben als vor 30 Jahren. Insofern wird die Wirtschaft wohl weniger wachsen und die Preise werden tendenziell fallen – so, wie wir es in Japan gesehen haben. Selbst wenn das BIP pro Kopf wächst, wie in Japan, genügt dies nicht, um den Rückgang der Erwerbsbevölkerung zu kompensieren.
Es gibt aber auch einen gegenläufigen Trend. Das Arbeitskräfteangebot wird sinken. Dies spricht für eine Umkehrung eines Megatrends der letzten Jahrzehnte. Statt fallender Löhne, könnten wir es mit steigenden zu tun bekommen, die sich dann auch in steigenden Preisen niederschlagen. Zunehmende Automatisierung wird diesen Trend abschwächen, die erforderlichen Investitionen werden die Unternehmen sich allerdings auch bezahlen lassen. In Summe also ein Szenario, in dem vor allem nicht automatisierbare und nicht handelbare Güter und Dienstleistungen teurer werden. Dies betrifft aber einen großen Teil der Ausgaben der künftigen Rentner: Gesundheitsversorgung, Betreuung und Lebensmittel.
Wir sollten uns darauf einstellen, dass die Lebenshaltung für die Babyboomer im Rentenalter deutlich teurer wird. Dafür vorzusorgen, erfordert angesichts des tiefen Zinsniveaus heute noch mehr Ersparnis. Dies auch, weil wir realistisch davon ausgehen müssen, dass der Staat Renten kürzt und mit Steuern und Abgaben gerade bei jenen Rentnern zugreift, die über Ersparnisse und andere Einkünfte verfügen. Die nachfolgende Generation ist gar nicht in der Lage, die ungedeckten Versprechen, die auf jenseits 300 Prozent des BIP geschätzt werden, zu erfüllen. Und sie wird sich auch weigern.
Zwischenfazit also: Selbst wenn eine schrumpfende und alternde Bevölkerung tendenziell weniger konsumiert, bedeutet das nicht automatisch, dass alle Preise fallen, und Rentner auch billiger leben können.
Damit kommen wir zur zweiten Frage: Wie entwickeln sich die Vermögenswerte, wenn sich das Verhältnis zwischen Erwerbstätigen und Rentnern dreht? Zunächst gibt es die naheliegende Überlegung, dass Rentner, die ihre Ersparnisse verbrauchen, und Unternehmen, die wieder mehr investieren müssen, in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung den Ersparnisüberhang reduzieren. Sind die Zinsen in den letzten Jahren unter anderem auch wegen einer Flut an Ersparnissen und zu wenigen Investitionen gesunken – ein Trend, den die Notenbanken durch ihre asymmetrische Politik unheilvoll verstärkt haben – so droht nun eine Umkehrung dieses Trends. Die Analysten von Barclays haben analysiert, dass mit jedem Prozentpunkt, um den die Anzahl der Rentner steigt, der Zins um 1,15 Prozentpunkte steigt. Hinzu kommt die Folge der gestiegenen Inflation. Zinsen von 6 bis 8 Prozent wären dann nicht auszuschließen.
Auf den ersten Blick wären dies gute Nachrichten für Sparer. Das Problem für unsere Vorsorge ist, dass die heutige Bewertung der Vermögensgegenstände – von Aktien, Immobilien bis hin zu Kunst – von den tiefen Zinsen getrieben wurde. Steigen die Zinsen, kommen die Bewertungen entsprechend unter Druck. Hinzu kommt, dass das „Entsparen“ der nicht mehr Erwerbstätigen die Vermögenswerte ebenfalls belastet. Wer von seinen Ersparnissen leben will, muss Aktienfonds, Immobilien und Anleihen verkaufen.
Womit wir bei den bereits angesprochenen Immobilien meines Freundes wären. Er konzentriert sich auf Mietshäuser in guter Lage – soziales Umfeld und Anschluss an den öffentlichen Nahverkehr – in Berlin und Düsseldorf. Berlin wegen der ungebrochenen Hauptstadtdynamik, die weiteres Bevölkerungswachstum verspricht, und Düsseldorf als wirtschaftsstarkes Nebenzentrum in Deutschland. Von Märkten wie München hält er angesichts der sehr hohen Preise trotz der guten Wirtschaftsaussichten Abstand. Das ist – vorausgesetzt man findet Immobilien an sich gut –, schon mal eine gute Strategie.
Denn vor allem selbst genutzte Immobilien in Vorstadtlagen dürften unter erheblichen Preisdruck kommen. Die Rentner wollen sich verkleinern und lieber nah an medizinischer Versorgung und Infrastruktur leben. Zugleich gibt es weniger Familien, die ihre Kinder im Grünen aufziehen wollen.
Dennoch: Auch die Immobilienstrategie meines Freundes wird die Folgen des demografischen Wandels nicht ganz abfedern können. Mit weiteren Wertsteigerungen ist kaum zu rechnen. Insgesamt schrumpft die Bevölkerung nun mal. Daran ändert auch der Flüchtlingsstrom nichts. Und so wird die Nachfrage allgemein sinken, was auch in guten Lagen zu Preisdruck führt. Steigende Zinsen treffen gerade auch Immobilienbewertungen empfindlich. Zu guter Letzt wird die Politik ihm einen Strich durch die Rechnung machen. Sinkende Rentenniveaus, steigende Lebenshaltungskosten und mehr Umverteilung werden der Politik einen starken Anreiz geben, Mieten noch mehr zu regulieren, als dies heute schon der Fall ist. Was hindert künftige Regierungen daran, die Miete an die Rentenzahlungen zu knüpfen? Eine politische Mehrheit für solche Eingriffe ist zu erwarten. Bei der Bundestagswahl 1980 lag der Anteil der Wahlberechtigten im Alter von 60 Jahren und darüber noch bei 26 Prozent, 2013 waren es schon 34 Prozent; 2030 dürften es mindestens 43 Prozent sein.
Es ist absehbar, dass auch Immobilien von der demografischen Entwicklung in mehrfacher Hinsicht getroffen werden. Weniger Mieter, mehr Regulierung, höhere Zinsen und mehr Verkäufer als Käufer werden sich bemerkbar machen. Natürlich ist es theoretisch denkbar, dass Investoren aus anderen Regionen bei uns die Nachfrage hochhalten. Die Frage ist nur: Warum sollten sie – angesichts der Dynamik, die sie in ihren Heimatmärkten vorfinden?
Uns Babyboomern bleibt nur die unerfreuliche Aussicht, von zwei Seiten in die Mangel genommen zu werden: von fallenden Vermögenswerten und steigenden Preisen. Die konsequente Antwort wäre auszuwandern. Der Mindestschritt eine stärkere regionale Diversifikation, wie hier schon vor Wochen angeregt. Wobei „regional“ hier nicht meint, statt in Thüringen in Oberbayern zu investieren, sondern statt in Deutschland in Asien und Südamerika. Das hat auch meinem Freund eingeleuchtet.
→ WirtschaftsWoche Online: „Wie die Demografie-Falle Ihr Vermögen bedroht“, 22. Oktober 2015