Die Wahl­kämpfer ignorieren die Lage der deutschen Wirtschaft

Einige Meldungen der letzten Wochen: Der Sachverständigenrat der Bundesregierung schätzt das Wachstum des Produktionspotenzials bis 2029 auf lediglich 0,3 bis 0,4 Prozent pro Jahr und warnt angesichts eines massiven Verlusts an Wettbewerbsfähigkeit zugleich vor „Selbstverstärkungseffekten“ der Industrieschwäche. Umfragen konstatieren eine Wettbewerbsschwäche deutscher Unternehmen.

Das Münchener Ifo-Institut meldet, dass der Anteil deutscher Unternehmen, die akut um ihre wirtschaftliche Existenz fürchten, auf 7,3 Prozent gestiegen ist. Im Oktober 2023 waren es noch 6,8 Prozent. Fast jeder fünfte Selbstständige fürchtet, sein Geschäft aufgeben zu müssen, zwei Prozent mehr als vor einem Jahr. Über Mangel an Aufträgen klagen 41,5 Prozent der Unternehmen, der höchste Wert seit der Finanzkrise 2009. Besonders dramatisch ist die Lage in der Industrie. Hier berichtet fast jedes zweite Unternehmen von fehlenden Aufträgen.

Nur Rechts- und Steuerberater sowie Wirtschaftsprüfer freuen sich, weil der hohe Bürokratie- und Regulierungsaufwand ihnen eine hohe Nachfrage beschert, so das Ifo-Institut. Diese Branche kann durchaus optimistisch in die Zukunft schauen. Schließlich gibt es keine ernsthaften Zeichen, dass die Politik einen Kurswechsel vollziehen wird, obwohl durch die Bürokratie Wirtschaftsleistung in enormem Ausmaß verloren geht. Auch die Beschäftigung im öffentlichen Dienst steigt immer weiter an. Vor allem die Stellen wachsen schnell, die sich um die Verwaltung der Verwaltung kümmern.

Die Lage der Wirtschaft ist dramatisch und benötigt eine klare und starke Antwort der Wirtschaftspolitik. Umso mehr erstaunt, dass sich kein Wohlstandsschaffungs- , sondern ein Wohlstandsverteilungs-Wahlkampf abzeichnet. Ganz so, als hätte die Verteilung von Wohlstand nicht 20 Jahre im Fokus der Politik gestanden und entscheidend dazu beigetragen, uns in die Krise zu führen.

Die Grünen setzen auf mehr Subventionen, höhere Steuern für Reiche und Markteingriffe wie einen Mietenstopp, um im Wahlkampf zu punkten. Als hätten nicht genau diese untauglichen Markteingriffe in den letzten Jahren erheblich zur Verschlechterung der Lage an Wohnungsmarkt und der Wirtschaft beigetragen.

Die SPD kündigt schon jetzt an, voll auf das Thema Gerechtigkeit zu setzen, verstanden als Verteilungsgerechtigkeit. Dabei gibt es kaum etwas Ungerechteres als eine stagnierende oder gar schrumpfende Wirtschaft.

Die Union erkennt zwar den Handlungsbedarf an, bleibt aber gefangen zwischen der Mitschuld am Niedergang aufgrund ihrer Politik in den Merkel-Jahren und der Angst, als neoliberal gebrandmarkt zu werden – ein Witz angesichts von Staatsausgaben in Höhe von annähernd 50 Prozent der Wirtschaftsleistung.

Die FDP findet angesichts der medialen Positionierung als „unehrenhafte Verräter” praktisch kein inhaltliches Gehör, während BSW und AfD ohnehin auf andere Themen setzen.

Mit Blick auf den Absturz der Wettbewerbsfähigkeit und den unmittelbar einsetzenden demografischen Wandel haben wir jedoch nur noch diese Chance, die Richtung zu ändern und einen anhaltenden, von Verteilungskämpfen geprägten Niedergang zu stoppen. Doch das politische Establishment scheint sich damit schon abgefunden zu haben.