Der Staat ist nicht die Lösung, sondern häufig das Problem
Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, ist ein umtriebiger Kommentator der deutschen Wirtschaftspolitik im weiteren Sinne. Sein Wort hat in politischen Zirkeln Gewicht, egal, ob es um die Flüchtlingskrise, die Geldpolitik der EZB oder die Transformation der deutschen Wirtschaft in Richtung Klimaneutralität geht.
Es lässt deshalb aufhorchen, wenn Fratzscher schreibt, dass Oppositionsführer Friedrich Merz nicht nur ein schlechter Kanzler für die hiesige Wirtschaft wäre, sondern bereits jetzt mit seiner Kritik an der Ampel mitverantwortlich für die schlechte Lage der Wirtschaft sei.
Letzteres verwundert angesichts seiner seit Jahren offensichtlichen Nähe zu SPD und Grünen nicht sonderlich. Die „FAZ“ nannte Fratzscher schon einen Claqueur der SPD.
Doch wirft Fratzschers Haltung zur Deindustrialisierung Deutschlands Fragen auf. Nachdem er zunächst die Debatte um die Deindustrialisierung als „Popanz“ bezeichnet hatte, als „Schreckgespenst, das aufgebaut wird, um der Politik Geld aus den Rippen zu leiern“, erklärte er in einem aktuellen Interview, dass einige energieintensive Branchen bis zum Abschluss der Energiewende Deutschland verlassen würden, was allerdings nicht schlimm sei. Deutschland könne neue Geschäftsfelder entwickeln.
Diese Argumentation verkennt, dass auch viele der Zukunftsindustrien enorm energieintensiv sind. Man denke an die Produktion von Batterien, die sich aufgrund der CO2-intensiven Stromerzeugung in Deutschland hierzulande nicht rechnen wird. Oder an den Betrieb von Rechenzentren für KI. Auf diesem Gebiet hat Microsofts Deal zur Wiederinbetriebnahme des stillgelegten US-Atomkraftwerks Three Mile Island in der vergangenen Woche aufgezeigt, welche Wege in anderen Ländern beschritten werden.
Verfolgt man die Beiträge des DIW-Präsidenten, wird deutlich, dass für ihn dem Staat eine wichtige steuernde und gestaltende Aufgabe zukommt. Trotz einer Staatsquote von fast 50 Prozent diagnostiziert der Ökonom einen Bedarf nach noch mehr Staat, gerne auch auf Pump. Eine Haltung, die in Deutschland medial leider viel Beachtung findet.
International erregt derweil ein anderer Ökonom viel Aufmerksamkeit: der Wirtschaftsprofessor Javier Milei, der als neuer argentinischer Staatspräsident seit einem knappen Jahr versucht, sein chronisch in der Krise steckendes Land zu sanieren. Ungeachtet heftiger Proteste hat Milei dem Staat ein radikales Schrumpfungsprogramm verpasst, das Staatsdefizit auf null reduziert und die Wirtschaft dereguliert.
Die monatliche Inflationsrate ist von über 25 Prozent auf unter zehn Prozent gesunken, das Angebot an Mietwohnungen ist deutlich gestiegen, und die Mieten sinken infolge der Abschaffung der bisherigen Regulierungen. Weniger, nicht mehr Staat lautet das Motto Mileis, und die Chancen stehen nicht schlecht, dass er mit dieser Haltung Erfolg haben wird.
Natürlich kann man das heutige Argentinien nicht mit Deutschland vergleichen, Argentinien vor hundert Jahren jedoch durchaus. Damals lag das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf auf dem Niveau Westeuropas. Seither hat der Staat mit seinen wechselnden populistischen Regierungen und Militärdiktaturen, die auf Klientelpolitik und Umverteilung gesetzt haben, immer weitgehender in die Wirtschaft eingegriffen.
Heute ist Argentinien ein armes Land. Damit uns das Schicksal eines ähnlichen Niedergangs erspart bleibt, wäre zu wünschen, dass es in der hiesigen wirtschaftspolitischen Diskussion eine Prise mehr Markt und deutlich weniger Staat gäbe.