Der Staat bekommt genug
Still und heimlich wird die Erbschaftsteuer erhöht, indem vererbte Immobilien ab Anfang 2023 höher bewertet werden. Der Sachverständigenrat plädiert in seinem neuesten Gutachten für einen höheren Spitzensteuersatz oder einen Energie-Soli für Besserverdienende.
Endlich, so rufen viele Politiker, kommt das Thema von Steuererhöhungen wieder auf den Tisch. Und linke Ökonomen, wie der Wirtschaftsweise Achim Truger, behaupten mit Blick auf Länder wie Frankreich, dass wir noch Potenzial für höhere Belastungen hätten. Dabei könnten wir uns auch am OECD-Durchschnitt oder an Ländern wie Spanien orientieren, in denen die Steuerbelastung geringer ist als in Deutschland. Was könnte für höhere Steuern in Deutschland sprechen?
Die Verschuldung des Staates ist es offenbar nicht. Sie stellt nach Einschätzung des Sachverständigenrats kein Problem dar. Der betont in seinem Gutachten, dass die Tragfähigkeit der deutschen Staatsfinanzen nicht gefährdet ist und das starke nominale Wirtschaftswachstum trotz der hohen Nettokreditaufnahme zu einer sinkenden Schuldenstandsquote führt. Der Staat ist einer der großen Inflationsgewinner.
Vermögensbildung müsste gefördert werden
Höhere künftige Staatsausgaben sind absehbar. Man denke an die Modernisierung der Bundeswehr und die Energiewende. Diese wären allerdings problemlos durch eine entsprechende Priorisierung der öffentlichen Ausgaben finanzierbar. Immerhin 57,5 Prozent der Bundesausgaben dienen der Umverteilung, mehr als 13 Prozent fließen ins Ausland, bescheinigt das IfW Kiel. Die Ausgaben der Bundesministerien wachsen nicht erst seit der Ampel schneller als die Wirtschaftsleistung.
Trotz des jüngsten Zinsanstiegs liegen die Finanzierungskosten des Staates weit unter dem langjährigen Durchschnitt. Statt diese Ersparnis zu investieren oder Schulden zu tilgen, hat die Politik seit 2009 den Sozialstaat immer weiter ausgebaut. Dem Staat mangelt es nicht am Geld, der Politik aber am Willen, das Geld richtig zu verwenden.
Oder muss es darum gehen, mit höheren Steuern mehr Gerechtigkeit herzustellen? Schon vor Corona war Deutschland das Land, in dem mit Steuern und Abgaben die Ungleichheit am deutlichsten korrigiert wurde. Nach Umverteilung gehört Deutschland nach Daten der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich zu den Ländern mit der geringsten Ungleichheit. Keine Notwendigkeit also, noch mehr umzuverteilen.
Bei Vermögen sieht es anders aus. Allerdings liegt das nicht daran, dass unsere Reichen besonders reich wären. Sondern daran, dass die breite Masse kaum Vermögen hat. Relativ zur Wirtschaftsleistung haben die privaten Haushalte laut Credit Suisse Global Wealth Report weniger Vermögen als in Frankreich, Italien und Spanien. Daran ändert mehr Umverteilung nichts.
Politisches Zeichen für mehr Solidarität?
Stattdessen müsste die Vermögensbildung gefördert werden. Höhere Erbschaftsteuern führen aufgrund der Schonung von Betriebsvermögen nicht zu geringerer, sondern zu höherer Ungleichheit und machen die Erbschaftsteuer immer mehr zu einer „Dummensteuer“.
Könnten höhere Steuern die Inflation dämpfen? Auch das muss man verneinen. Höhere Steuern für Besserverdienende dürften deren Konsumneigung kaum senken, höhere Steuern für Unternehmen hingegen die Investitionsneigung und damit die Angebotsausweitung.
Was bleibt also als Begründung? Man kann höhere Steuern wie der Sachverständigenrat als politisches Zeichen für mehr Solidarität verstehen, ungeachtet der Tatsache, dass wir bereits so viel umverteilen wie noch nie. Die Bereitschaft der Zahler, dies hinzunehmen, wird angesichts der Prioritäten der Politik bei der Verwendung der Mittel weiter abnehmen.
Die Steuererhöhung zeitlich zu begrenzen, wie es die Wirtschaftsweisen vorschlagen, zeugt von politischer Naivität. Der Solidaritätszuschlag ist drei Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung immer noch fällig, ebenso wie die Sektsteuer, obwohl die damit ursprünglich finanzierte kaiserliche Flotte längst versunken ist.
Der Staat hat genug. Statt über Steuererhöhungen zu philosophieren ist es Zeit, das Steuer- und Abgabensystem zu modernisieren und zu fragen, worauf der Staat verzichten kann. Die Liste der Einsparungsmöglichkeiten ist lang. Beginnen wir mit dem Ausbau des Kanzleramts in Berlin für fast 800 Millionen Euro.