Das schwere Erbe der Ära Merkel
Gemeinhin gelten die Jahre der Kanzlerschaft von Angela Merkel als wirtschaftlich gute Jahre für Deutschland. Das BIP pro Kopf wuchs überdurchschnittlich, die Staatsverschuldung ging zurück und mehr als einmal war Deutschland Exportweltmeister.
Gute Zeiten sollten dazu genutzt werden, jene Reformen durchzuführen, die die Grundlage für mehr Wachstum und höheren Wohlstand in der Zukunft legen. Denn nur Wirtschaftswachstum ermöglicht steigende Lebensstandards und die Finanzierung von Sozialstaat und Klimapolitik.
Reformen sind leichter durchzusetzen, wenn es den Bürgern gut geht und ungleich schwerer, wenn es ihnen schlecht geht. Politiker haben die Wahl: Sie können schwierigen Reformherausforderungen auszuweichen und sie können Reformen, die auf starken Widerstand stoßen, verschieben oder aufgeben. Aber jegliche Entscheidung hat ihren Preis.
Angela Merkel hat sich für den Weg des geringsten Widerstands entschieden. Der Preis, den wir alle dafür bezahlen müssen, wird hoch sein. Statt die guten Jahre zu nutzen, wurde in den letzten vier Legislaturperioden verwaltet und verteilt. Im Reform-Ranking der OECD nehmen wir einen der hintersten Plätze ein. Der Rückstand bei Digitalisierung und Bildung ist genauso offensichtlich wie der Investitionsstau bei der Infrastruktur. Die Staatsverschuldung ist – sauber gerechnet – massiv gestiegen: Mütterrente, Rente mit 63, Grundrente und explodierende Pensionslasten haben die verdeckte Staatsschuld auf weit über 100 Prozent des BIP erhöht.
Rückkehr zu guten Zeiten ist unrealisitisch
Noch hoffen die Politiker, dass die guten Zeiten nach Corona zurückkehren, damit die Reformen angepackt werden können – oder um es Kanzlerin Merkel gleichzutun und in einer vordergründig guten Lage weitere Wohltaten zu verteilen. Letzteres ist wahrscheinlicher, wie der Wahlkampf gezeigt hat.
Realistisch ist die Rückkehr zu guten Zeiten nicht. Die Industrie sucht die Zukunft im Ausland. So sank der Anteil der Industrie an der hiesigen Wertschöpfung von 2016 von 23 auf 21,5 Prozent 2019. Angesichts der immer schlechteren Rahmenbedingungen – Bürokratie, Steuern, Energiekosten, Infrastruktur – keine Überraschung. Der demografische Wandel setzt in diesem Jahrzehnt mit voller Wucht ein und trifft uns doppelt: Weniger Erwerbstätige bedeuten weniger Wachstum und mehr Rentner bedeuten explodierende Kosten. Die Produktivitätszuwächse, die einzige Hoffnung trotz rückläufiger Erwerbsbevölkerung den Wohlstand zu erhalten, stagnieren. Die Klimapolitik, gerne als Basis für ein neues Wirtschaftswunder verkauft, dürfte in diesem Umfeld die Preise treiben und wichtige Investitionen erschweren oder verhindern. Je schneller die neue Regierung erkennt, dass die Zeiten der Verteilung von Wohlstand vorbei sind, desto besser für uns alle. Leider steht zu befürchten, dass es erst noch schlimmer wird.