Gerichte sind die falsche Adresse
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Der Europäische Gerichtshof hat, wie von allen Beobachtern erwartet, die Rechtmäßigkeit des OMT-Programms der EZB aus dem Jahr 2012 festgestellt. Damit ist der Weg frei für die Fortsetzung der aggressiven Geldpolitik, die nur ein Ziel hat: das Schuldengebäude der Eurozone vor dem Einsturz zu bewahren.
Regelmäßig habe ich an dieser Stelle die Politik der EZB kritisiert. Dient sie doch nur dazu, Banken und Staaten vor dem Offenbarungseid zu retten. Nach wie vor gilt: Die EZB gibt Banken, die faktisch insolvent sind, Kredite gegen fragwürdige Sicherheiten (Staatsanleihen!), zu einem Zinssatz von fast null. Ein klarer Widerspruch zu den Grundsätzen ordnungsgemäßer Notenbankpolitik, die genau das Gegenteil fordert.
Alleine für Griechenland hat sie bislang 118 Milliarden Euro an Liquidität bereitgestellt, wie heute berichtet. Immerhin 66 Prozent des griechischen Bruttoinlandsprodukts (BIP). Damit finanziert die EZB eine Kapitalflucht und verschiebt erhebliche Vermögen innerhalb der EU, müssen doch Steuerzahler anderer Länder im Falle eines Zahlungsausfalls Griechenlands – und wohl auch ohne einen solchen! – dafür aufkommen. Vereinfacht gesagt, belastet die EZB unser Vermögen, ohne zu fragen und ohne einen expliziten Auftrag. Indirekt gilt dies auch für die anderen Krisenländer, denn ohne die EZB wäre es undenkbar, dass Länder wie Portugal, Spanien und Italien sich so günstig am Kapitalmarkt finanzieren können. Schon längst ist klar, dass es ohne eine weitere Monetarisierung der Schulden nicht funktionieren wird, die Politik also noch weiter vorangetrieben wird.
Dabei kann die EZB nur Zeit kaufen, die Eurokrise lösen kann nur die Politik: Schuldenschnitte akzeptieren, Reformanstrengungen intensivieren und die europäische Integration vorantreiben. Doch danach sieht es nicht aus, weshalb sich die Krise nach der kurzen konjunkturellen Erholung in diesem und dem nächsten Jahr mit voller Kraft zurückmelden wird. Dann werden sich das Mandat für die EZB und der heutige Blankobrief des Gerichts als Pyrrhussieg entpuppen. Der Patient bekommt weiter Schmerzmittel aber keine Therapie.
Eine Eskalation von geldpolitischen Maßnahmen, wie etwa die direkte Finanzierung von Staatsaufgaben ist absehbar. Spätestens dies hätte dann sicher vor dem Bundesverfassungsgericht keinen Bestand mehr und würde einen politischen Konflikt auslösen. Dies zeigt aber auch, dass Gerichte die falsche Instanz sind. Die EZB wird als einzige Rettungsinstanz für den Euro von der Politik missbraucht und zunehmend überlastet. Sie müsste sich selber verweigern, will sie die Existenz des Euros und damit die eigene sichern. Die Rettungspolitik in Europa krankt mehr und mehr an einem erheblichen Demokratiedefizit. Vermeintlich politisch unabhängige Institutionen agieren zunehmend hoch-politisch, ohne sich dafür rechtfertigen zu müssen. Hierin liegt die wahre Sprengkraft für die weitere Entwicklung.
→ manager magazin.de: Gerichte sind die falsche Adresse, 16. Juni 2015