EZB: Der letzte Schuss
Nun hat sie es also endlich getan. Der seit Monaten erwartete und vom Finanzmarkt erhoffte großangelegte Kauf von Staatsanleihen durch die EZB steht unmittelbar bevor. Zwar reagierten die Märkte in einer ersten Reaktion mit Gewinnen. Doch dürfte dies aus mehreren Gründen nur ein letztes Strohfeuer sein. Zum einen gilt auch hier die alte Börsenweisheit, das Gerücht zu kaufen und die Fakten zu verkaufen. Alle haben sich schon so in den Märkten positioniert und die Zinsen auf ein historisches Tief getrieben, dass es nun an der Zeit ist, die Gewinne einzufahren. Übrigens hat die Fed mit ihren Programmen genau das gleiche erlebt. Zum anderen hatte Mario Draghi – wohl in der Absicht, den EZB-Rat auf diese Weise in die Ecke zu manövrieren, dass dieser nur noch zustimmen konnte – in den vergangenen Monaten die Erwartungen in den Finanzmärkten ins Unermessliche gesteigert. Wo bis zu zwei Billionen erwartet werden, kann das Programm gar nicht groß genug sein. Die nun bekanntgegebene Größenordnung von rund einer Billion zusätzlichem Geld liegt genau im Rahmen der Erwartung. Aus Sicht der Finanzmärkte wirken die nicht durchschaubaren Nebenabreden schwerer. Wenn die Notenbank kauft, erhöht dies nicht das Ausfallrisiko für die verbliebenen privaten Gläubiger der Staaten? Wenn die nationalen Notenbanken kaufen, führt das nicht zu höheren Risiken, weil es die – ebenfalls erhoffte – Haftungsgemeinschaft nur zum Teil gibt? Für einen erheblichen Anteil der Käufe soll eine Gesamthaftung ausdrücklich ausgeschlossen werden, so Mario Draghi bei seiner Pressekonferenz. Diese Beschränkung soll die Akzeptanz für die Maßnahme in Deutschland erhöhen, wird von den Finanzmärkten jedoch kritisch gesehen. Unmittelbar absehbar an der Reaktion des Dax, der nach einem anfänglichen Anstieg sofort Gewinne abgab, nachdem Draghi auf diesen Punkt hinwies. Dabei sollte jedem Beobachter klar sein, dass der Ausschluss der Haftungsgemeinschaft nur in der Theorie besteht. Im Falle der bevorstehenden Zahlungsunfähigkeit eines Staates werden alle vermeintlichen Sicherungen fallen und es zur gemeinschaftlichen Haftung kommen. Währungsunionen sind per Definition Haftungsgemeinschaften, weshalb es dringend an der Zeit wäre, dass wir in Deutschland unsere Krisenstrategie ändern. Doch dies ist eine Frage der Politik. Nicht nur kurzfristig wird die EZB enttäuschen. Die erhofften realwirtschaftlichen Folgen – höhere Inflation, mehr Wachstum und ein weiterhin schwächerer Euro – werden sich nicht einstellen. Quantitative Easing wirkt in Europa aufgrund der anderen Kapitalmarktstruktur verglichen mit den USA nicht. Angesichts der einseitigen Spekulation gegen den Euro braucht es keine große Phantasie, um eine deutliche Rally in den Devisenmärkten zu prognostizieren. Spätestens wenn klar wird, dass auch in den USA keine Zinserhöhung ansteht, wird der US-Dollar wieder an Wert verlieren. Jede Strategie, über die Abwertung der eigenen Währung einen Vorteil zu erzielen, kann nur vorübergehend funktionieren in einer Welt, in der alle dasselbe versuchen. Damit wird der heutige Tag zum Wendepunkt für die EZB und die Rettungspolitik der Euro-Politiker. Die EZB wird ihren Nimbus als letzte und einzige funktionsfähige Rettungsinstanz in Europa verlieren. Das Vertrauen in die Allmacht der Notenbanken, durch den Ausstieg der Schweizer Nationalbank aus der Eurobindung ohnehin bereits schwer erschüttert, wird weiteren Schaden nehmen. Erkennen die Finanzmärkte, dass die EZB und die anderen Notenbanken mit ihrem Latein am Ende sind, erwischt uns die Krise wieder mit voller Wucht. Dann kann die Politik sich nicht mehr drücken und muss die Krise selber lösen. Mit Blick auf die letzten sechs Jahre kann dies nicht optimistisch stimmen.