Exportüberschüsse: auch eine Verteilungsfrage in Deutschland
Dieser Beitrag erschien zum ersten Mal am 7. März 2014 bei bto. Die Familienunternehmer melden sich heute im Handelsblatt zu Wort. Kernaussagen:
- Die deutschen Exportüberschüsse sind kein Problem, sondern helfen im Gegenteil indirekt den anderen Ländern Europas.
- Die von der neuen Regierung angestoßenen Reformen werden das Problem der Überschüsse nicht lösen. Und wenn, dann nur über eine Schwächung des Standorts durch mehr Arbeitslosigkeit und Abwanderung von Investitionen.
Die Argumente haben etwas. Sie belegen jedoch nur erneut, dass bei diesem Thema immer aus verschiedenen Blickwinkeln aneinander vorbeigeredet wird. Die Antwort auf die Kritik kann nicht sein, den Wirtschaftsstandort Deutschland zu schwächen. Die Antwort kann schon gar nicht sein, durch Mindestlöhne den Osten Deutschlands zu entvölkern. Und erst recht nicht, Rentengeschenke in Milliardenhöhe zu verteilen, die sich ein Staat mit effektiven Schulden von 400 Prozent plus vom BIP schlichtweg nicht leisten kann. Auf der anderen Seite bleibt das Problem: Was nutzen uns die schönen Überschüsse, wenn wir dafür wertlose Forderungen bekommen? Der Kommentar eines Lesers dieser Seiten mit dem Beispiel des Kneipenwirts passt genau. Hinzu kommt ein weiterer Aspekt, auf den ein anderer Leser hinweist: „Ihren Beitrag zu „Schuldenexporteur Deutschland“, dem inhaltlich natürlich zuzustimmen ist, schließen Sie mit den Worten: „Wir exportieren Waren und importieren dafür Schulden. Ein denkbar schlechtes Geschäft.“ Ich gebe allerdings zu bedenken, dass das Geschäft nicht für alle ein denkbar schlechtes ist. Im Gegenteil: Zumindest eine gesellschaftliche Gruppe profitiert gleich mehrfach von der derzeitigen Situation, nämlich die unmittelbar oder mittelbar exportierenden Unternehmen:
- DIESE erhalten für die exportierten Waren keine Schulden, sondern erhalten den Kaufpreis. Die – um mit Ihren Worten zu sprechen – mit dem Warenexport durch Exportüberschuss importierten Schuldenausfallrisiken, werden bei ihrer Bereinigung/Abschreibung hingegen überwiegend von den übrigen Wirtschaftsteilnehmern Deutschlands getragen, ohne dass diesen bislang hierfür eine Risikoprämie zugestanden würde. Dies gilt insbesondere für die Masse der Arbeitnehmer, die seit geraumer Zeit vielmehr mit negativen Reallöhnen am Exportwunder partizipieren, aber Vollhafter sein werden.
- Die exportierenden Unternehmen profitieren ferner vom gegenüber einer stärkeren nationalen Währung (oder auch einem relativ stärkeren Nord-Euro oder ähnlichem) schwächeren Euro, der aus deutscher Sicht mithin Export-fördernde Wirkung hat. Die Lasten, die aus den Rettungsaktionen zum Erhalt des Euro zu tragen sind, sind hingegen abermals überwiegend von den übrigen Wirtschaftsteilnehmern zu tragen, die nicht nur durch den schwachen Euro im Konsum belastet werden (exemplarisch plakativ: Urlaubs- und Spritkosten), sondern die auch die zur Rettung des Euro aufgewandten Beträge zum Beispiel über Steuern abzutragen haben.
- (Auch) die exportierenden Unternehmen profitieren von dem mit dem Ziel der Euro-Rettung künstlich gesenkten Zins durch den daraus resultierenden niedrigen Finanzierungsaufwand. Dies geht zu Lasten der „Sparer“ im weitesten Sinne.
Fazit: Nicht WIR exportieren Waren, und nicht WIR importieren Schulden, sondern krass ausgedrückt: WIR sind die Sponsoren einiger weniger, die auf UNSERE Kosten Exportgewinne realisieren, wobei WIR die (verlorene) Exportfinanzierung stellen. Wenn im Vorstehenden kein Denkfehler enthalten ist, wäre doch die naheliegende Lösung, zunächst an der Euro-Rettung (sowie dem von Ihnen zu Recht geforderten Schuldenschnitt) gezielt die zu beteiligen, die von der Situation profitieren und zwar gleich mehrfach (siehe oben). Ich gebe zu: Meine Ausführungen müssen den Eindruck erwecken, ich sei wirtschaftsfeindlich oder/und „links“. Ich darf Ihnen versichern, das Gegenteil ist der Fall, aber eine Lösung der aktuellen Situation fordert Objektivität.“ Zitat-Ende. Der Leser hat Recht. Natürlich gibt es auch einen breiteren Nutzen der Exporterfolge: höhere Beschäftigung (wenn auch zu geringeren Löhnen, auf die ich im Kommentar für das Handelsblatt vor einigen Monaten auch hingewiesen habe) und mehr Steuereinnahmen. Aber im Kern sind Nutzen und Schaden nicht gleich verteilt. Folgendes ist zu tun:
- Wir müssen versuchen, einen möglichst großen Teil unserer Forderungen zu retten. Verblüffenderweise werden wir mehr retten, wenn wir freiwillig auf einen Teil verzichten. Beispiel: Schuldentilgungsfonds. Setzen wir auf volle Rückzahlung, werden wir am Ende mehr verlieren.
- Wir müssen aufhören, unsere Exporterlöse so schlecht anzulegen. Da ist die Idee eines „Sovereign Wealth Funds“, den Thomas Mayer vor einiger Zeit in der F.A.Z. vorgestellt hat, gar nicht so schlecht.
- Wir müssen möglichst schnell mehr im Inland ausgeben, aber nicht für Konsum, sondern für Investitionen, um die Grundlage für unsere Renten zu legen. Der Staat muss die Infrastruktur sanieren, aber auch die Unternehmen müssen dringend mehr investieren.
- Und dann geht es um die Finanzierung von 3. Da haben die Unternehmen die Wahl: selber investieren oder Steuern zahlen. Auch das wurde vor Monaten in dem Handelsblattbeitrag angesprochen.
Wie der Leser, bin ich nun wahrlich nicht wirtschaftsfeindlich. Aber der Mangel an Investitionen darf nicht dazu führen, dass die „anderen Wirtschaftssubjekte“ – im Klartext der normale Steuerzahler – die Verluste des Schuldenimports einfahren. → Handelsblatt: Stärkung der Binnennachfrage: Familienunternehmer attackieren SPD, 6. März 2014