Best of BTO 2022: Sind Negativzinsen die Regel in die­sem Jahrhundert?

Dieser Beitrag erschien im Februar 2022 bei bto:

Am 13. Februar 2022 geht es in meinem Podcast um das Thema Zinsen. Im Gespräch: Paul Schmelzing, der an der Yale School of Management lehrt und an der Harvard University mit Daten der Bank of England über Inflations- und Zinstrends der letzten Jahrhunderte seine Doktorarbeit verfasst hat. Die Erkenntnisse seiner Arbeit haben bereits in der Vergangenheit für viel Aufregung gesorgt und waren vor zwei Jahren das letzte Mal Thema bei bto:

Negativzinsen werden “Normalität” vermeldete die WELT im Januar 2020. → welt.de: “Zwei Prozent Negativzinsen könnten in Zukunft zur Normalität werden”, 5. Januar 2020

Der von mir sehr geschätzte Redakteur Daniel Eckert berichtet von einer Studie der Bank of England. Diese hat es in sich:

  • “Der Realzins, also die Differenz von nominaler Verzinsung und Inflation, ist nicht erst seit dem 20. Jahrhundert im Sinkflug. Vielmehr lässt sich seit mindestens 500 Jahren ein Rückgang der realen Verzinsung feststellen. Das zeigen Forschungen des Harvard-Wissenschaftlers Paul Schmelzing, (…) Der Wirtschaftshistoriker hat die Quellen der letzten sieben Jahrhunderte ausgewertet. Seine ältesten Daten reichen zurück ins Jahr 1311. (…) Schmelzing kommt zu dem Schluss, dass es keineswegs erst seit dem 20. Jahrhundert einen Großtrend zu immer niedrigeren realen Zinsen gibt. Vielmehr erreichten die Sätze im 15. Jahrhundert, dem Zeitalter der Entdeckungen, einen Spitzenwert. Seither gehen sie auf breiter Front zurück.” – bto: dazu passend dann ein Bild, das unter Schwankungen einen Trend nach unten zeigt.
  • “Dass die Zahl der Konflikte zwischen Staaten seit Jahrhunderten sinkt, könnte ein Grund für das langsame Verschwinden des Zinses sein. ‘Es gibt einen Trend zu fallenden Renditen auf Staatsanleihen, teilweise weil die Welt reicher und sicherer geworden ist’, glaubt Moritz Schularick, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bonn. Folglich seien die Risikoprämien auf Staatsanleihen gefallen. Schreibt man den Trend aus den letzten 500 Jahren fort, wird es für die kommenden Generationen zur Normalität, etwas dafür zu zahlen, wenn sie Geld auf dem Konto haben. Im Jahr 2100 könnten Negativzinsen in Höhe von zwei Prozent eher die Regel als die Ausnahme sein.” – bto: Da dürfte den Lesern der WELT am Sonntag das Brötchen in den Kaffee gefallen sein.

Bevor ich das diskutiere, lassen wir noch Mark Schieritz von ZEIT ONLINE zu Wort kommen. Genüsslich titelt er: “Der Zins kommt nicht zurück”.
zeit.de: “Der Zins kommt nicht zurück”, 13. Januar 2020. Das Thema muss ihn sichtlich freuen, hat er doch schon seit Langem argumentiert, dass es nicht die Folge der EZB-Politik ist, dass wir so tiefe Zinsen haben und auch die Tatsache, dass die deutschen Sparer die Verlierer sind immer mit Blick auf die boomende Konjunktur und geringere Steuerbelastung (wegen der Zinsersparnis des Staates!) verneint – ähnlich wie Top-Ökonom Fratzscher.

Hier also sein Fazit aus der Studie:

  • “Schmelzings Analysen wecken Zweifel an zwei derzeit populären Wirtschaftstheorien: an der These des Pariser Ökonomen Thomas Piketty, wonach die Rendite auf Kapitaleinkommen über die Jahrhunderte hinweg weitgehend konstant sei.” – bto: Dass die These von der dauerhaft über der Wachstumsrate der Wirtschaft liegenden Kapitalverzinsung absoluter Quatsch ist, habe ich mehrfach gezeigt, so auch im kleinen Büchlein “Die Schulden im 21. Jahrhundert”. Denn nur mit ständig steigendem Leverage können Asset-Values schneller steigen als das BIP. Aber egal. Schön, dass es hier auch erwähnt wird. Übrigens müssen auch ohne steigenden Leverage die Vermögenswerte relativ zum BIP steigen, weil die Zinsen tiefer sind. Wenn also tiefe Zinsen ein gutes Zeichen sind, sind steigende Vermögenswerte das auch. Aber das passt nicht in das Bild von Piketty und Co.
  • “Und an der Überlegung des amerikanischen Wirtschaftswissenschaftlers Larry Summers, der den Zinsschwund auf eine sogenannte säkulare Stagnation zurückführt, also darauf, dass seit einigen Jahren schlicht zu wenig investiert werde, um das angesparte Kapital aufzusaugen. Schmelzings Daten deuten vielmehr auf eine noch viel fundamentalere Kräfteverschiebung im Kapitalismus hin: eine Art supersäkulare Stagnation.” – bto: Summers Überlegung ist auch Blödsinn, wie wir wissen, weil es keiner Ersparnisse bedarf, um zu investieren. Die Überschuldung dürfte der Hauptgrund für die Stagnation sein.
  • “Wie auch immer – ein gerade in Deutschland oft angeführter Grund, nämlich die lockere Geldpolitik der früheren EZB-Chefs Mario Draghi und seiner Nachfolgerin Christine Lagarde, scheidet jedenfalls als Ursache für die Zinsentwicklung weitgehend aus. Die Europäische Zentralbank gibt es erst seit 20 Jahren und die ersten Notenbanken wurden überhaupt erst im 17. Jahrhundert gegründet.” – bto: Na, dann ist ja alles gut.

Doch schauen wir es uns doch noch mal an. Hier zunächst das Chart, das die WELT und auch die ZEIT gebracht haben:

Die etwas wackelige rote Linie stammt von mir. Sie zeigt den “Trend”, aus dem dann die Erwartung abgeleitet wird, dass es demnächst nur noch negative Zinsen gibt. Nur mal so als Gedankenspiel habe ich mal eine andere Linie durchgezogen. Es wäre die Linie zweier Anomalien: hoher Zinsen im Umfeld von Krieg, Naturkatastrophen und unsicherer Eigentumsordnung und tiefe Zinsen – abgesehen von dem starken Anstieg im Zuge der Papiergeldordnung – im Umfeld von Frieden, Gesundheit und sicherem Eigentum.

Letztlich kann man nämlich beide Linien durchlegen, finde ich. Aber es passt natürlich besser in den Zeitgeist, anhaltend tiefe Zinsen anzunehmen. Der Mensch neigt zur Trendfortschreibung, was ich aber für gefährlich halte. Dazu gleich mehr.

Zunächst zum Thema: Kann es überhaupt nachhaltig negative Realzinsen geben. Schieritz meint ja:

Quelle: Twitter

Wir haben dann ein wenig hin und her getwittert, weil ich das nicht so sehe. Es ist aus meiner Sicht einfach. Es gibt nichts “Risikoloses”. Zum Beispiel besteht die Gefahr einer Bonitätsänderung, einer unerwarteten Inflation etc. und es gibt eine ökonomische Zeitpräferenz. Wenn es das gibt, muss es – zumindest ex ante – einen positiven Realzins geben. Mindestens einen positiven Nominalzins, was im Umfeld von niedriger Inflation/Deflation einem positiven Realzins entspricht. Ich bin so gesehen bei Thomas Mayer, der in der WELT zitiert wird:  “‘Wenn man Zins als Zeitpräferenz versteht, dann darf die Reihe nicht in den Bereich von Null- und Negativzinsen extrapoliert werden. Das gelte so lange, wie das menschliche Leben endlich sei und Zeit für jeden Menschen ein knappes Gut.” – bto: Damit ist klar, dass die heutigen Negativzinsen die Folgen eines erheblichen Marktproblems sind. Zum einen sind es die Eingriffe der Notenbanken, zum anderen ist es die Regulierung, die einige Anleger in diese Investments zwingt, aber auch Ausdruck von Angst. Die Anleger spüren, dass da was auf uns zukommt.

Womit wir zum weiteren Aspekt kommen, den weder die WELT noch die ZEIT thematisiert haben, nämlich die Trendwenden in den vergangenen Jahrhunderten. Es mag einen Trend geben, aber die Volatilität ist hoch! Dem Anspruch dieses Blogs entsprechend, beyond the obvious zu sein, hatte ich die Studien von Schmelzing nämlich schon im November 2017 an dieser Stelle!

→ Studie: Kommt die Zinswende, dann kommt sie schnell

Und da habe ich auf den aus meiner Sicht viel wichtigeren Aspekt abgehoben, nämlich auf die Frage, was Zinssteigerungen auslösen könnte und wie rasch diese verlaufen. Hier mein damaliger Text:

Ein Gastforscher hat sich bei der Bank of England damit beschäftigt und eine schöne Auswertung online gestellt. Schauen wir uns das mal an:

  • “(…) this post takes a much longer-term view on real rates using a dataset going back over the past 7 centuries, and finds evidence that the trend decline in real rates since the 1980s fits into a pattern of a much deeper trend stretching back 5 centuries. Looking at cyclical dynamics, however, the evidence from eight previous real rate depressions is that turnarounds from such environments, when they occur, have typically been both quick and sizeable.“ bto: Das ist durchaus spannend. Es wäre also so, dass es eben nicht einmalig in der Geschichte ist, sondern bereits zum achten Mal vorkommt. Und das wohlgemerkt in durchaus unterschiedlichen monetären Regimen (Golddeckung, FIAT). Wichtig ist auch, dass der Zinsanstieg nach einer Repression schnell und deutlich erfolgt. Das wäre so meine Einschätzung dann allerdings der massive Margin Call, der in einen deflationären Kollaps münden müsste.
  • “(…) the majority of work on secular stagnation – and with it the debate regarding bond market valuations  – fails to consider the deeper historical rate trends. In contrast, a  multi-century dataset offers the opportunity to look at cyclical behavior and the dynamics of reversals from earlier real rate depressions.“ bto: Das ist meines Erachtens eine überlegene analytische Herangehensweise.

Seven centuries of real risk free rates

  • “(…) this post provides a real rate dataset for the last 700 years, and identifies a total of nine real rate depressions sharing similar traits to the trend observed since the 1980s.” bto: „Real rate depressions“ meint dabei den mehrjährigen Rückgang des Realzinses.

Anmerkung bto 2020: Man beachte, hier ist noch kein Trend eingezeichnet. Doch weiter zum damaligen Text.

  • “The all-time real rate average stands at 4.78 % and the 200-year real rate average stands at 2.6 %. Relative to both historical benchmarks, the current market environment thus remains severely depressed.” bto: Das wirft zwei Fragen auf: a) Könnte der Rückgang der Zinsen im Durchschnitt (also von 4,78 auf 2,6) mit erhöhter Sicherheit für die Gläubiger zu tun haben? b) Könnte es sein, dass es heute wirklich „anders ist“, weil wir eben eine Demografie wie heute noch nie hatten? In der Pest schrumpfte die Bevölkerung auch, allerdings ohne einen derartigen Altersbauch wie heute.
  • “Upon closer inspection, it can be shown that trend real rates have been following a downward path for close to five hundred years, on a variety of measures. The development since the 1980s does not constitute a fundamental break with these tendencies.” bto: jahrhundertelanger Rückgang der Zinsen also eine Fortsetzung?

  • “The all-time peaks in real yields in the mid-1400s coincide with the geopolitical escalations amid the fall of Constantinople, the seizure of silver mines by the Ottomans, on the Balkans, and evidence of increasing European BoP deficits to the Levant – factors consistent with the narrative of a ‘Great Bullion Famine’. The ‘real rate turning on our basis thus somewhat precedes the classical dating of the ‘financial revolution and the sharp inflows of New World treasure. The falling trend continues unabatedly after other political inflections, such as the Reformation, the Thirty Years War, and into the modern days of Globalization.“ bto: Das bedeutet, dass das Risikobewusstsein der Gläubiger sich kontinuierlich verringert hat. Es passierte weniger.

The breakdown of real risk-free rates: nominal and inflation components

  • “The 700-year average annual ex-post headline inflation for the risk-free issuer stands at 1.09 %,, the 200-year average, since 1817, stands at 1.55 %, with a further pickup in the 1900s.” bto: Wir hatten früher Inflation, weil das Goldangebot deutlich stieg: temporär durch Kriege und Katastrophen. Man beachte aber die langen Phasen fallender Preise in dieser Zeitreihe; Deflation, die durchaus mit Aufschwüngen einherging.

  • “Three observations stand out: First, the past 60 years, in which the US has been the benchmark bond issuer has been the most inflationary in our whole sample period; second, current inflation rates of slightly below 2 % remain fully in-line with the ex-post performance witnessed in modern times, with today’s typical inflation targets already being accommodative if measured against (very) long run trends. Third, never before has a longer period without deflation existed than the ongoing 70-year spell since World War Two.” bto: was für eine schöne Analyse! Kann man Geld unbegrenzt schaffen und tut man dies auch, gibt es höhere Inflation und keine Deflation. Allerdings könnte es sein, dass der Grenznutzen des Gelddruckens abnimmt und damit auch die inflationäre Wirkung, unter anderem auch, weil die deflationären Kräfte nur unterdrückt, aber nicht beseitigt wurden.
  • “The chart below presents the real rates and ex post inflation rates in terms of century averages.” bto: Die realen Zinsen sinken seit 500 Jahren, die nominalen wurden durch die Inflation verzerrt, deren Effekt scheint aber abzunehmen?

“Real rate depression cycles”

  • “Over the seven centuries, nine historical real rate depression cycles can be identified, which saw a secular decline of real interest rates, followed by reversals.  The chart below plots the size and duration of these compression episodes.” bto: Wir können sowohl, was die Dauer betrifft, als auch die Dimension noch einige Jahre weitermachen. Allerdings halte ich das für unwahrscheinlich.

  • “Our current secular stagnation of real rates, at 34 years, is the second longest thus far recorded. Only the years immediately surrounding the discovery of America outstrip the current cycle by length.” bto: vermutlich wegen des Goldrausches?
  • “Turning to how these depressions end, the chart below plots the path of real rates in each reversal period following the trough.” bto: Man beachte, dass die starken Anstiege auch noch zu einer Zeit allgemein höherer Zinsen stattfanden. Diesmal könnte es also auch schwächer ausfallen.

    • “Most reversals to ‘real rate stagnationperiods have been rapid, non-linear, and took place on average after 26 years. Within 24-months after hitting their troughs in the rate depression cycle, rates gained on average 315 basis points, with two reversals showing real rate appreciations of more than 600 basis points within 2 years. Generally, there is solid historical evidence, therefore, for Alan Greenspan’s recent assertion that real rates will rise reasonably fast, once having turned.“ bto: Wenn sie drehen. Das ist die entscheidende Frage!!
    • “Most of the eight previous cyclical real rate depressions were eventually disrupted by geopolitical events or catastrophes, with several – such as the Black Death, the Thirty Years War, or World War Two – combining both demographic, and geopolitical inflections.” bto: Könnte es diesmal auch so sein? Aber natürlich! Denken wir an Korea, Saudi-Arabien, Islam, Demografie, ungedeckte Versprechen usw., dann haben wir den Margin Call, der direkt zu noch höheren Zinsen führt, weil wir dann nämlich plötzlich wieder sehr hohe Risiken nicht nur haben, sondern sehen!

    Conclusion

    “On aggregate, then, the past 30-odd years more than hold their own in the ranks of historically significant rate depressions. But the trend fall seen over this period is a but a part of a much longer ‘millennial trend. It is thus unlikely that current dynamics can be fully rationalized in a secular stagnation framework. Meanwhile, looking at past cyclical patterns, the evidence suggests that when rate cycles turn, real rates can relatively swiftly accelerate.” bto: spannend!

    Kommentare (11) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
    1. Vater Thiel
      Vater Thiel sagte:

      Inwieweit “verhunzt” ein künstlich gesteuerter Nominalzins das Preisniveau ?

      Realzins ist der Zins für die Überlassung realer Wirtschaftsgüter zur Durchführung realer Wirtschaftsprojekte, ausgedrückt in realen Wirtschafsgütern.

      Reale Wirtschaftsgüter sind in diesem Zusammenhang unbeschäftigte Menschen mit entsprechendem Know-How, Güter und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs (kurzfristige Güter) und längerfristige Güter wie Maschinen, Grundstücke, Gebäude u.s.w.

      Je mehr zu verwirklichende Projekte es gibt, desto höher tendenziell der Realzins.

      Je knapper die freien realen Wirtschaftsgüter, desto höher tendenziell der Realzins.

      Im Schlaraffenland sind alle Menschen unbeschäftigt (ihr Know-How wird wohl eher immer mehr sinken als steigen), und alle Güter sind unbegrenzt vorhanden. Reale Projekte werden nicht mehr durchgeführt, denn die Welt ist bereits perfekt. Der Realzins ist null.

      Beim Wiederaufbau nach einem Krieg sind die realen freien Güter knapp und die Projekte zahlreich.
      Der Realzins sollte vergleichsweise eher hoch als niedrig sein.

      Mit zunehmendem Wiederaufbau-Fortschritt werden die freien Güter zahlreicher, was den Realzins tendenziell senken sollte.

      Bei Verknappung wichtiger Güter (Erdöl in den Siebzigern) bei unverändert hohem Projektbedarf sollte der Realzins wieder steigen.

      In den realwirtschaftlich goldenen Nuller- und Zehnerjahren gibt es immer mehr freie Güter und die Projekte werden weniger oder zunehmend weniger kapitalintensiv. Die Entwicklung von Software-Algorithmen benötigt weniger Realkapital als der Bau von Industrieanlagen. Der Realzins sinkt.

      In der Coronazeit gab es weniger freie Güter (Menschen mit Know-How waren zur massenhaft unbeschäftigt, durften aber nicht arbeiten), aber auch weniger durchzuführende Projekte, der Realzins blieb tendenziell konstant.

      Nach Aufhebung der Coronamaßnahmen gab es enormen Projekt-Nachholbedarf, aber die Wiederfreisetzung von realen Gütern kam nicht mit, die Realzinsen stiegen.
      Jetzt kommt hinzu die Verknappung von Energie und die politische Verhinderung von Projekten, der Realzins steigt weiter.

      Wenn Freitag das Projekt “Bau einer Hütte nächste Woche” durchführen will, braucht er einen oder mehrere Robinsons, die das Know-How und die freie Zeit haben, ihn während der Projektwoche mit den Gütern des täglichen Bedarfs zu versorgen. Sind die Robinsons mit Know-How knapp, wird der Realzins eher hoch sein.

      Wenn die Sache mit dem Fachkräftemangel stimmt, dann werden künftig die Robinsons mit Know-How knapp …

      Antworten
    2. komol
      komol sagte:

      Ich glaube das hat damit zu tun, dass sich durch den Buchdruck eine Exposion in Sachen Kommunikation und damit letzendlich Wissen eines Individuums über das Netzwerk bzw. damit eben auch über das Wissen bzw. die Annahmen der anderen über das Netzwerk ereignete (von eher lokaler Kummulation (Stichpunkt Staatenbildung bzw. – formung bis hin zu Globalisierungswellen)). Damit sinkt grob gesagt die Unsicherheit, v.a. auch hinsichtlich der eigenen Annahmen über das Wissen der anderen, also Risiken.

      Das jetzt aber zu extrapolieren, wäre ein Fehler. Denn wir haben nun mit dem Internet einen neuen Strukturbruch, ebenso oder wie ich meine, noch größer als jener, den der Buchdruck mit sich brachte (Neuzeit und dann letztendlich ab etwa 1800 Moderne). Die Negativzinsen sind dabei nur ein Ausdruck von Übergangsturbulenzen (sie sind eh was ganz anders als niedrige Zinsen). Was jetzt aber kommt kann man noch nicht sagen – auch weil man den Übergang zum Buchdruck nicht beobachten kann (es gab noch keine funkt. Differenzierung der Gesellschaft, also weder eine Wirtschaft als Teilsystem der Gesellschaft, noch irgendwelche Wissenschaft o.ä. die Daten kummulierte). Ich glaube es wird wie die Frage beim Urknall in der Physik (wo man, wenn man fragt, was davor war, gesagt bekommt, dass die Frage doof ist, weil Raum-Zeit dort erst entstand) darauf hinauslaufen, dass die Frage später irrelavant sein wird – es ist eine Frage aus dem Denken einer vergangenen Epoche mit ihren eigenen Konstruktionen und deshalb wäre jede jetzige Beantwortung ihrer vergebene Mühe.

      Für die aber sicherlich noch relativ lange anhaltende Übergangszeit würde ich jedoch eher vom Gegenteil, also hohen Zinsen, ausgehen. Vor allem ab dann, wenn das Vertrauen in die ZBs schwinden wird. Und auch der normale deflt. Druck wird dann nochmal expon. zunehmen, wenn ausgeshakert wird, also wenn die U verschwinden, die durch den Strukturwandel einfach überflüssig werden (und das werden viele sein). Ich glaube nicht, dass die Effizienzgewinne durch die neuen IuKs noch vor dem vollst. Pfadbruch von Wirtschaft und Gesellschaft kommen – das ist glaube ich doch eine Illusion und eben noch altem Denken geschuldet.

      Antworten
    3. Dietmar Tischer
      Dietmar Tischer sagte:

      An diesem Blog sind zu viele Rechthaber unterwegs.

      Sie, Dr. Stelter, satteln drauf mit dieser WERTUNG:

      >bto: Summers Überlegung ist auch Blödsinn, wie wir wissen, weil es keiner Ersparnisse bedarf, um zu investieren. Die Überschuldung dürfte der Hauptgrund für die Stagnation sein.>

      Summers sagt NICHT, dass zu VIEL gespart wird und DAHER das Geld für Investitionen fehlt.

      Er wird hier wie folgt zumindest teilweise RICHTIG wiedergegeben:

      „Und an der Überlegung des amerikanischen Wirtschaftswissenschaftlers Larry Summers, der den Zinsschwund auf eine sogenannte säkulare Stagnation zurückführt, also darauf, dass seit einigen Jahren schlicht zu wenig investiert werde, …“

      Zu WENIGE Investitionen, d. h. NACHFRAGE nach Krediten, ist nach Summers die Ursache für die Stagnation und eben NICHT, dass zu viel gespart wird und deshalb das Geld fehlt, um zu investieren.

      Wenn Ersparnisse eine Rolle spielen in der Erklärung, dann NUR insoweit, wie zu WENIG konsumiert und nachgefragt wird mit Blick auf ZUSÄTZLICHE Investitionen und damit eine potentielle Angebotserweiterung.

      Man kann ja darüber diskutieren, ob Summers These von der säkulären Stagnation richtig oder falsch ist, aber nicht mit einer herbeigezerrten unsinnigen BEGRÜNDUNG behaupten, dass sie BLÖDSINN sei.

      Konstruktiv wäre es, sie in einen ÜBEREINSTIMMENDEN Zusammenhang mit Schmelzings SUPERSEKULÄRER Stagnation zu sehen und zu bewerten.

      EIN Ansatz könnte sein, dass es seit 75 Jahren KEINEN derart zerstörerischen Krieg mehr gegeben hat, dass in der nachfolgenden Friedenszeit über HOHEN Konsumnachfrage bei teilweise zerstörtem Sachkapital mit einem MANGEL an Produktionskapazität GROSSE Investitionen auslöste.

      Summers wäre dann ein Spezialfall in Schmelzings umfassenderen Szenario.

      Antworten
    4. foxxly
      foxxly sagte:

      wenn die ware “geld” im überfluss da ist, bzw gedruckt wird, warum sollten dann die zinsen steigen, oder hoch sein?

      erst, als die zinsen in den 80er jahren zweistellig wurden, wegen steigender inflation, wurde auch das geld knapper.
      ein zusammenhang ist gegeben.

      Antworten
    5. Thomas M.
      Thomas M. sagte:

      Aus dem Orbit betrachtet…

      Liegt der sinkende Realizins “makro” nicht auch daran, dass Gewinne über die Jahrhunderte stärker sozialisiert als privatisiert werden? Arbeitenehmer erhalten mehr Anteile der potenziellen Gewinne über höhere Gehälter und über Steuern werden mehr Anteile der Gewinne abgeschöpft und sozial verteilt?

      (Für die “Massen” ging’s in den letzten hundert Jahren ökonomisch stetig nach oben. Besser heute Malocher als in 1500!)

      Eine meiner praktische Betrachtungen ist übrigens, dass ganz Deutschland Anteile an unserer GmbH hält: Jedes Jahr gehen x % vom Gewinn weg und werden bundesweit ausgeschüttet. Und das ganz ohne ETF-Sparplan beim Bürger.

      Antworten
      • Richard Ott
        Richard Ott sagte:

        @Thomas M.

        “Liegt der sinkende Realizins “makro” nicht auch daran, dass Gewinne über die Jahrhunderte stärker sozialisiert als privatisiert werden?”

        Nein. Zumindest in den USA ist der Anteil der Löhne an der Gesamtwirtschaftsleistung seit den 1950er Jahren gesunken:

        https://fred.stlouisfed.org/series/W270RE1A156NBEA

        Gestiegen sind die Zinsen aber trotzdem nicht.

        “Eine meiner praktische Betrachtungen ist übrigens, dass ganz Deutschland Anteile an unserer GmbH hält: Jedes Jahr gehen x % vom Gewinn weg und werden bundesweit ausgeschüttet. Und das ganz ohne ETF-Sparplan beim Bürger.”

        So ist es, aber das kapieren die Linksradikalen Anteilseigner auf den staatsfinanzierten Sesseln einfach nicht und holen sich stattdessen noch einen darauf runter, wenn die bösen Unternehmen endlich pleite gehen.

        Antworten
      • PW
        PW sagte:

        „Für die “Massen” ging’s in den letzten hundert Jahren ökonomisch stetig nach oben. Besser heute Malocher als in 1500!“

        Das ist so nicht wirklich richtig. Der Durchschnittsmensch um 1500 hat selbstbestimmter, stressfreier, und mehr im Einklang der Natur gelebt. Ja , die Kindersterblichkeit war hoch, und ernsthafte Krankheiten waren tödlich.
        Dennoch, Sie sollten ggf. sich mit dem Lebensrhythmus der Landbevölkerung und z.B. dem Zunftwesen in Städten kundig machen…

        ***

        Interessant wäre ein Chart Realzins vs. Verhältnis Realwirtschaft/Finanzsektor.

        Der Schwanz wackelt eben mit dem Hund.
        Beim kleinsten Hüsteln hängt der Hund vorne in der Luft.

        Freilich, der Hund nährt die Flöhe im Schwanz. Und dass die Staatssektorflöhe auch in der Schwanz übersiedeln, kommt erschwerend hinzu. Am schlausten sind freilich die deutschen Flöhe. Sie kleben sich im Schwanz fest und huldigen dem errettenden Anorexia nervosa, während sie dem Hund die Zähne ziehen lassen.

        Antworten
        • Thomas M.
          Thomas M. sagte:

          @PW

          Ich dachte an Komfort, Mobilität, Unterhaltung, vor allem Gesundheit / Hygiene und generell eher Materielles.

          Bzgl. Ihres Hinweises: Den glaube ich gerne. Ich hab nicht viel gelesen gehabt; mir war tatsächlich hängen geblieben, dass die Arbeitszeiten früher auf dem Land sich ganz stark an den Jahreszeiten orientiert haben und man so im Winter bspw. nicht viel zu tun hatte und von der Arbeit des Frühjahrs bis Herbstes lebte und Arbeit generell eher “schubweise” passierte.

          Aber würde man aber wirklich tauschen wollen? Man könnte natürlich mal für 2 Wochen ein “back to the roots” absolvieren und seinen Komfort-Kompass wieder rekalibrieren.

          @Hr. Ott: War so eine Idee…findet man bestimmt die passenden Zahlen zu, wenn man will ;-)

      • markus
        markus sagte:

        @Thomas M:

        “Liegt der sinkende Realizins “makro” nicht auch daran, dass Gewinne über die Jahrhunderte stärker sozialisiert als privatisiert werden? Arbeitenehmer erhalten mehr Anteile der potenziellen Gewinne über höhere Gehälter und über Steuern werden mehr Anteile der Gewinne abgeschöpft und sozial verteilt?”

        Wenn dem so wäre, wäre die Lohnquote gestiegen und der Gini-Koeffizient wie die Vermögensungleichheit gesunken. Dies ist seit den 70iger nicht der Fall.

        Antworten
    6. Wolfgang Selig
      Wolfgang Selig sagte:

      bto: “Da dürfte den Lesern der WELT am Sonntag das Brötchen in den Kaffee gefallen sein.”

      Ach, das glaube ich nicht.

      Die faktische Aussetzung der Regeln von Maastricht, Dublin, der grundgesetzlichen Schuldenquote, die kräftige Überschreitung der Zahl der Abgeordnetenmandate des Bundestages, das Wahldesaster in Berlin, das Attentat vom Breitscheidtplatz, 10 % Inflation, Maskendeals oder jetzt die Verhaftung der Reichsbürger stören die Masse auch nicht bei den erderschütternden Fragen, ob Mbape oder Messi in Katar Weltmeister bzw. Torschützenkönig werden und wohin man demnächst in Urlaub fährt. Einmal kurz gemeckert und dann resigniert akzeptiert.

      Antworten
    7. Richard Ott
      Richard Ott sagte:

      bto: “lassen wir noch Mark Schieritz von ZEIT ONLINE zu Wort kommen. Genüsslich titelt er: ‘Der Zins kommt nicht zurück'”

      Jaja, wie lange der Februar 2022 doch schon wieder her ist, es wirkt wie eine Geschichte aus einer anderen Epoche.

      Das ist fast so lustig wie die Fehlprognose von unserem “Top-Ökonomen” Fratzscher aus dem Jahr 2016, der zufolge die Merkel-Migranten die Renten der Babyboomer zahlen würden…

      https://www.welt.de/wirtschaft/article153220547/Fluechtlinge-werden-Renten-der-Babyboomer-zahlen.html

      Antworten

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