Environmental, Social and Gover­nance (ESG) – nütz­lich oder Willkür?

Es ist schon seit Jahren populär, von Unternehmen mehr zu erwarten wie zum Beispiel soziales Engagement und Fördern der Kultur. Ganze Abteilungen werden dafür in Großkonzernen unterhalten. Das nennt man Corporate Social Responsibility (CSR) oder Unternehmerische Gesellschaftsverantwortung. CSR steht für verantwortliches unternehmerisches Handeln in der eigentlichen Geschäftstätigkeit (Markt), über ökologisch relevante Aspekte (Umwelt) bis hin zu den Beziehungen mit Mitarbeitern (Arbeitsplatz) und dem Austausch mit den relevanten Anspruchs- bzw. Interessengruppen (Stakeholdern).“ (Wikipedia)

Das Thema ist mittlerweile, wie man so schön sagt, „Mainstream“. Wer nicht mitmacht, steht am gesellschaftlichen Pranger. Wenig überraschend soll das mit Blick auf den Klimawandel verschärft werden, vor allem über den Hebel des Kapitalmarktes. Nur noch „ESG“-konforme Unternehmen sollten demnach finanziert werden. ESG steht dabei für „Environmental, Social and Governance oder – zu deutsch – Umwelt, Soziales und Unternehmensführung“.

Natürlich brauchen die Unternehmen einen „Anstoß“, um das „Richtige“ zu tun. Den liefert wie immer die Politik. So auch die EU, die mit ihrer ESG-Initiative den Klimawandel bekämpfen möchte. Eine High-Level Expert Group on Sustainable Finance, legte Anfang 2018 einen Aktionsplan zur Finanzierung von nachhaltigem Wachstum vor. Dieser führte zu folgenden vier konkreten Regulierungsvorhaben, die die EU im Frühjahr 2018 veröffentlichte:

Verordnung über die Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen

  • Mit der sogenannten ‘Taxonomie’ soll eine einheitliche Einstufung ermöglicht werden, um zu beurteilen, welche Aktivitäten ökologisch nachhaltig sind und welche nicht. Diese wiederum soll als Basis für Standards von ‘grünen Anleihen’ bzw. Gütesiegel von Finanzprodukten wie Fonds dienen. Die EU erhofft sich dadurch Effizienzgewinne, weil Banken oder Fondsgesellschaften bzw. Investoren nicht mehr selbst analysieren müssen, ob ein Wertpapier oder das dahinterstehende Unternehmen nachhaltig ist bzw. welchen (Umwelt-)Risiken es ausgesetzt ist.“ – bto: Ich verstehe den Wunsch, sehe die Lösung aber kritisch. Richtig ist, dass Unternehmen je nach Ratinganbieter heute unterschiedliche Ergebnisse haben. Doch ob eine staatliche Stelle in der Lage ist, den Investoren ihre Hausaufgaben abzunehmen, sehe ich kritisch. Warum? Weil ich denke, der Vorteil des Kapitalmarktes muss es sein, dass viele intelligente Menschen analysieren, was zu unterschiedlichen Ergebnissen, aber in Summe zu einem besseren Ergebnis führen sollte.
  • Gemäss derzeitigem Regulierungsentwurf sollen Aktivitäten dann als nachhaltig gelten, wenn sie zu folgenden Zielen beitragen:
  • Minderung des Klimawandels
  • Anpassung an den Klimawandel
  • Nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser und marinen Ressourcen
  • Wechsel zur Kreislaufwirtschaft, Abfallvermeidung und Recycling
  • Vermeidung und Kontrolle von Umweltverschmutzung
  • Schutz von gesunden Ökosystemen
    b
    to: Das klingt alles gut und richtig, wer könnte schon dagegen sein? Aber es ist dennoch eine große Frage, ob es nicht zum „Etiketten-Schwindel“ einlädt.
  • Der Entwurf der Taxonomie rief unter anderem als Kritikpunkte hervor, dass die damit verbundenen Listen und Kategorisierungen zu feingliedrig seien und namentlich kleinere Unternehmen die für ihre ESG-Einstufung notwendigen Informationen oft nicht auf systematischer Basis verfügbar hätten.“ – bto: wie alle Regulierung die großen Unternehmen begünstigt.
  • Weiter erfordere die technologische Anpassung eine konstante Anpassung der entsprechenden Grundlagen und bei der Einstufung von Konzernen mit breitgefächerten Aktivitäten, welche sowohl ESG-kompatiblen wie auch anderen Aktivitäten nachgehen, würden praktische Probleme  entstehen. So stellt sich beispielsweise die Frage, wie die Aktie eines Konzerns wie ABB, der Komponenten für Windgeneratoren wie auch für Kohlekraftwerke herstellt, unter ESG-Gesichtspunkten einzustufen ist. bto: Bekanntlich erfreut sich der Mensch, der mit einem Fuß in der Tiefkühltruhe und dem anderen auf der Herdplatte steht, einer angenehmen mittleren Temperatur.
  • Der Aufbau der Taxonomie basierend auf einem europäischen Branchencode erschwere sodann die Bewertung international diversifizierter Portfolios. Schliesslich berücksichtige der derzeitige Entwurf – wie durch obenstehende Aufzählung illustriert wird – fast ausschliesslich den Faktor Umwelt.“ – bto: Stimmt, “sozial” und “Governance” kommen darin nicht vor, kann aber auch nicht genutzt werden, um das Ergebnis zu manipulieren. 

Verordnung über die Offenlegung von Informationen über nachhaltige Investitionen und Nachhaltigkeitsrisiken

  • Basierend auf dieser Verordnung werden Finanzinstitute in der EU zukünftig ihre Verfahren zur Integration von ESG-Risiken in ihren Anlage- und Beratungsprozess offenzulegen haben. Weiter sind die – in der Praxis wohl oft schwer kalkulierbaren – Auswirkungen der ESG-Risiken auf die Rendite von Finanzprodukten anzugeben, und zwar unabhängig davon, ob diese als nachhaltige oder als konventionelle Anlageprodukte vermarktet werden.“ – bto: Das Ziel ist klar. Die Risiken sollen dazu führen, dass man nicht investieren kann oder möchte, womit den „schlechten Unternehmen“ der Geldhahn zugedreht wird.
  • ESG-Faktoren sind sodann in Entschädigungsmodellen zu berücksichtigen. Bei einer angeblich nachhaltigen Anlagestrategie sind weiter Angaben zu den Methoden und deren Umsetzung zu machen, beispielsweise bezüglich des ökologischen Fussabdrucks von Finanzprodukten und/oder Portfolios. Im Falle von Finanzprodukten mit ausdrücklichem Ziel der Verringerung von CO2-Emissionen ist die konkrete Verringerung zu quantifizieren und schliesslich sind ESG-Faktoren in jegliche Research-Tätigkeiten einzubeziehen.“ – bto: Ich finde, angesichts von Null-Zins und Null-Rendite mit europäischen Aktien seit dem Jahr 2000 (EURO-STOXX) ist es höchste Zeit, die Rendite für die Investoren weiter zu senken!

Verordnung über Referenzwerte für CO2-arme Investitionen und Referenzwerte für Investitionen mit günstiger CO2-Bilanz

Mit dieser Verordnung sollen Standards für zwei Typen von Aktien-Benchmarks geschaffen werden:

  • Low-Carbon-Benchmarks für Titel von Unternehmen, die einen kleineren CO2-Fussabdruck haben als jene, die in herkömmlichen, marktgewichteten Benchmarks enthalten sind
  • Positive-Carbon-Impact-Benchmarks für Titel von Unternehmen, die zu CO2-Einsparungen beitragen, die den eigenen CO2-Fussabdruck des Unternehmens übertreffen

Die entsprechenden Referenzwerte sollen die Standardisierung der Berechnung von CO2-Fussabdrücken ermöglichen, bessere Informationen über den CO2-Fussabdruck eines Portfolios liefern und die Vergleichbarkeit eines Portfolios mit anderen Portfolios oder Indizes bzw. Benchmarks erleichtern.“ – bto: Also wird man hier sehen, dass Unternehmen, die Atomstrom verwenden, bessere Ergebnisse mit Blick auf CO2 erreichen und diese dann im Index entsprechend begünstigen? Wer soll das denn berechnen? Wie gehen wir mit globalen Wertschöpfungsketten um? Viele Fragen, die nicht nur der Manipulation breiten Raum eröffnen, sondern auch der Willkür.

Anpassung von MiFID II und Insurance Distribution Directive (IDD)

  • Gestützt auf die entsprechenden Anpassungen werden zukünftig im Rahmen der Eignungs- und Angemessenheitsprüfung (‘Suitability’ and ‘Appropriateness’) die ESG-Präferenzen der Kunden zu erfragen und zu berücksichtigen sein. Die EU erhofft sich davon, dass auch Privatanleger vermehrt nachhaltige Anlagen tätigen.“ – bto: Wir wissen, dass Privatanleger faktisch keine Rolle spielen, wenn es darum geht, die Kapitalkosten von Unternehmen zu beeinflussen. Und darum geht es bei dieser Übung ja.

Wir haben es also erneut mit Planwirtschaft und Regulierung zu tun. Man möchte die Kapitalkosten erhöhen, für Unternehmen, die der Umwelt schaden (und sich auch sonst nicht „sozial“ verhalten und gute „Governance“ haben, wozu auch Quoten aller Art gehören. Zusätzlich wird dann noch CO2 mit einem Preis versehen. Letzteres würde ja genügen. Eigentlich. Aber es ist nicht genug für die Politik.

Damit will ich nicht sagen, dass eine einheitliche Definition nicht wünschenswert wäre. In Summe, so denke ich, handelt es sich um ein Beispiel für politischen Aktionismus, der am Ende wenig bringt.

Entscheidend ist etwas anderes: Berücksichtigen die Kapitalgeber die Risiken, die sich aus den Maßnahmen der Bekämpfung des Klimawandels ergeben, ausreichend? Oder drohen heftige Abschreibungen und Verluste, wenn der Umstieg schneller gelingt oder die Belastungen deutlich steigen? Dies sind zumindest die Befürchtungen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich und anderer, die ich durchaus teile.