„Als Nächstes kommt Helikoptergeld“
James Grant zählt seit Jahren zu den schärfsten Kritikern der expansiven Notenbankpolitik. Er ist Herausgeber des Investmentbulletins GRANT’S INTEREST RATE OBSERVER und äußert sich hier im Interview mit der FINANZ und WIRTSCHAFT. Die Highlights:
- „Die Zentralbanken haben die Zinsen nicht nur auf null oder sogar noch tiefer gedrückt. Sie haben es sich auch zur Aufgabe gemacht, die Aktienkurse anzuheizen. Das in der Hoffnung, die Menschen würden sich reicher fühlen, mehr Geld ausgeben und so die wirtschaftliche Nachfrage beleben.“ – bto: Diesen Vermögenseffekt habe ich oft diskutiert. Klar ist, dass er nicht wirkt, weil die Konsumneigung der reicheren Bevölkerungsschichten relativ geringer ist.
- Zu China: „Die chinesischen Konjunkturdaten sind grösstenteils frei erfunden, und die Methoden der Regierung sind von vornherein zum Scheitern verurteilt. Denn so endet es in der Regel immer, wenn man versucht, die Märkte zu kontrollieren, und damit den Preismechanismus drangsaliert.“ – bto: Natürlich hat China noch erhebliche Reserven und Aufholpotenzial. Ich denke aber auch, dass es zu einer Abkühlung kommt.
- „Obwohl seit dem Kollaps von Lehman Brothers sieben Jahre vergangen sind, ist die grösste und angeblich dynamischste Wirtschaft der Welt offensichtlich noch immer nicht bereit dafür. Das ist die zentrale Botschaft aus dem Fed. Kein Wunder sind die Märkte da verunsichert.“ – bto: Ist sie auch nicht angesichts der ungelösten Überschuldungsproblematik.
- „Beim Einkaufen im Supermarkt sehen wir zwar noch kaum Inflation. Umso deutlicher zeigt sie sich aber an Wallstreet. Überhaupt: Was ist eigentlich das Problem mit tiefer Inflation? Die Zentralbanken und renommierte Ökonomen wollen uns glauben machen, dass eine ökonomische Katastrophe droht, wenn sich Geld nicht schneller als 2 % pro Jahr entwertet.“ – bto: Natürlich hat Grabt hier recht, allerdings ist das Problem die hohe Verschuldung, die noch untragbarer wird ohne Inflation.
- Zu Zinsen: „Es handelt sich dabei um universelle Preise, nach denen künftige Cashflows abdiskontiert und Hemmschwellen für Investitionen definiert werden. Zinsen sind also eine Art Ampel im Strassenverkehr der Marktwirtschaft. Normalerweise stehen einige auf Grün, andere auf Gelb und manche auf Rot. Die meisten haben seit 2008 jedoch nur noch Grün angezeigt.“ – bto: schönes Bild. In der Tat sind Zinsen DER Maßstab für fast alles in der Welt.
- „Ziel der ultralockeren Geldpolitik war es, die Nachfrage zu steigern. Vergessen ging aber, dass auch das Angebot wachsen würde. In den USA etwa konnten sich Ölförderer dank der niedrigen Zinsen günstig finanzieren. Dadurch kam es zur Überproduktion, was nun den Ölpreis belastet.“ – bto: Das ist genau der Effekt von zu billigem Geld: Niedrige Zinsen führen zu Überinvestition und damit zu fallenden Preisen.
- „Als Reaktion darauf drucken die Zentralbanken aber nur noch mehr Geld, um uns vor dem zu retten, was sie als die Gefahr von Deflation bezeichnen. Es ist eine Art Teufelskreis: Ein Stimulusprogramm führt zum nächsten und unkonventionelle zu immer extremeren Massnahmen. Die radikalsten geldpolitischen Interventionen stehen uns erst noch bevor.“ – bto: was die BIZ kürzlich gesagt hat: Die tiefen Zinsen von heute machen noch tiefere Zinsen morgen erforderlich.
- „Die wechselseitigen Effekte der expansiven Geldpolitik werden immer deutlicher sichtbar. Sie verlagert künftigen Konsum in die Gegenwart und verschiebt Konkurse in die Zukunft. Schwache Unternehmen erhalten so weiterhin Kredit und überleben, obwohl sie nicht mehr nützlich sind.“ – bto: Das trifft den Kern.
- „Investoren beginnen, geldpolitische Interventionen kritischer zu bewerten. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie das ganze Chaos erkennen. Es ist bereits deutlich in den ungesund tiefen Zinsen, in den Verzerrungen im Kreditsektor und in den eskalierenden Eingriffen der Zentralbanken zu sehen: von Stimulusprogrammen über negative Zinsen bis hin zu Ideen wie Helikoptergeld. Anleger brauchen daher einen Schutz, wenn die Dinge nicht nach Plan laufen. Das macht Gold und Goldminenwerte enorm spannend.“
Ich teile diese Einschätzung. Allerdings ist es immer schwer mit dem Timing. Es kann noch lange weitergehen, muss es aber nicht.
Wie nahe wir den Helikoptern schon sind, zeigt auch dieser Kommentar der Citibank via Zero Hedge: „The argument for fiscal policy via central bank monetization is that it directly injects purchasing power into the economy and will increase activity or inflation or both. QE increases the balance sheet but there is no guarantee that the increased lending and spending will result. In consequence many have argued for true helicopter money which is central bank financed final demand, rather than reserves creation.” Und weiter: “Our ‘innovation’ here is to suggest that central banks will invite fiscal spending by announcing that their balance sheets will stay expanded permanently, or almost equivalently, be reduced only under extreme circumstances, and that they anticipate additional permanent expansion if targets are missed. Effectively this eliminates the government debt from the balance sheet, since any coupon payments on the debt are remitted back to the government via central bank profits. Literally the government is paying itself, which is not a bad deal if you can manage it. Many central banks are forbidden to monetize government debt, but governments will understand that permanent balance sheet expansion is an invitation to spend more, opening the fiscal channel.“ Zero Hedge vergleicht dies mit Weimar.
Wie wahrscheinlich ist es? Citi: „Politically it is difficult for central banks to outright endorse monetization of government debt, but faced with another slump and armed with ineffective policy tools, we expect that central banks will quickly give the wink and nod to fiscal measures – the Fed relatively quickly, the BoJ at the drop of a hat and the ECB with an eye to warding off the growth of anti-euro political movements.“
Das glaube ich auch.
→ FINANZ und WIRTSCHAFT: „Als Nächstes kommt Helikoptergeld“, 25. September 2015