Warum Deutsch­land seine besten Ideen verschenkt

Deutsche Universitäten und Institute genießen Weltruf, die Zahl der Nobelpreisträger ist beeindruckend, und in Rankings wie dem „Times Higher Education World University Ranking“ behaupten sich deutsche Hochschulen kontinuierlich unter den Top-Adressen außerhalb des englischsprachigen Raums. Die Max-Planck-Gesellschaft, die Fraunhofer-Institute, die Helmholtz-Gemeinschaft – sie alle stehen für wissenschaftliche Exzellenz und Innovationskraft.

Doch die entscheidende Frage lautet: Schlägt sich diese Stärke auch in wirtschaftlichem Erfolg und neuer Wertschöpfung nieder? Die Antwort fällt ernüchternd aus. Deutschland ist zwar europäischer Patentmeister, doch beim Transfer von Forschungsergebnissen in marktfähige Produkte und erfolgreiche Unternehmensgründungen landen wir nur im Mittelfeld.

Die Transformation von Wissen in Wachstum gelingt zu selten. Das ist gefährlich – gerade jetzt, wo unsere klassischen Industrien schwächeln und neue Technologien wie Künstliche Intelligenz weltweit die Spielregeln verändern.

Die Forschungs- und Entwicklungsausgaben der Unternehmen sind in den USA in den vergangenen 20 Jahren viermal so stark gestiegen wie in der Europäischen Union – und auch China ist in der Hightech-Forschung bereits gleichauf mit Europa.

Das Problem: Während die USA und China ihre Ausgaben für Forschung und Entwicklung massiv in Hightech-Sektoren wie Software und Künstliche Intelligenz lenken, fokussieren sich deutsche Unternehmen auf die Fortentwicklung von Bestehendem. Innovationen entstehen, aber sie bleiben zu oft inkrementell, statt wirklich disruptiv zu sein. Die Folge: Deutschland und Europa stecken in einer „Midtech-Falle“, wie Clemens Fuest vom Münchner ifo-Institut es ausdrückt.

Hinzu kommt: Es fehlt an Unternehmensdynamik. Die Zahl der Neugründungen ist zu niedrig und erfolgreiche Start-ups wandern häufig ins Ausland ab – vor allem in die USA. Die Gründe: fehlende Skalierungsmöglichkeiten, zu viel Bürokratie, steuerliche Unsicherheiten, rigides Arbeitsrecht und vor allem zu wenig Risikokapital. Probleme, die schon seit Jahren bekannt sind, die wir nun aber mit Blick auf die lähmende Stagnation im Land angehen müssen.

Dass es auch anders funktionieren kann, zeigt das Gründerzentrum „UnternehmerTUM“ an der TU München. Seit 2002 ist hier Europas führendes Cluster für Gründung und Innovation entstanden – mit über 100 wachstumsstarken Technologie-Start-ups pro Jahr. Was dort gelingt, muss Vorbild für das ganze Land sein, und es ist richtig, dass man daran arbeitet, auch in anderen Regionen ähnliche Gründerzentren aufzubauen.

Für Prof. Helmut Schönenberger, den Gründer und CEO der UnternehmerTUM GmbH, steht außer Zweifel, dass Deutschland das Potenzial hat, deutlich mehr aus seiner Innovationskraft zu machen und die Erfahrung aus München wiederholbar ist. Aber auch er sieht die Notwendigkeit, die Rahmenbedingungen im Land zu verbessern.

Die Maßnahmen reichen von Erleichtern der Unternehmensgründung, Vereinfachen des Steuerrechts über den Abbau bürokratischer Hürden bis zum Etablieren eines einheitlichen EU-Binnenmarkts und Mobilisieren von mehr privatem Kapital. Die Liste der notwendigen Maßnahmen ist lang, aber – politischer Wille vorausgesetzt – durchaus umsetzbar.

Schwieriger dürfte es sein, den aus Sicht von Schönenberger erforderlichen Kulturwandel im Land herbeizuführen: Innovationsgeist, Eigenverantwortung und Risikobereitschaft sind keine Zufallsprodukte, sondern müssen gezielt gefördert werden. Schulen müssen statt heute vielfach ein negatives ein positives Bild von Wirtschaft vermitteln und Unternehmertum muss systematisch in Schulen und Hochschulen gelehrt werden.

Deutschland hat kluge Köpfe, starke Forschung und erfolgreiche Leuchttürme. Nun müssen wir endlich die Bedingungen schaffen, damit aus Ideen Unternehmen werden – und aus Forschung Wohlstand für alle.