Vor der “Japanisierung” Europas
Lesern von bto ist bekannt, dass ich erhebliche Parallelen zwischen Japan und Europa sehe. Japan ist uns zwar einige Jahre voraus. Aber die Kernpunkte sind gleich:
- ungelöste Schuldenkrise
- Verschleppen des Problems durch billiges Geld und Weigerung, die Verluste anzuerkennen
- alternde und (demnächst) schrumpfende Bevölkerung
- Weigerung, Reformen durchzuführen.
Für Europa spricht die Offenheit für Zuwanderung. Gegen Europa spricht, dass wir es mit mehreren Ländern und Völkern zu tun haben, die nicht so homogen und “leidensbereit” wie die Japaner sind. Lesenswert sicherlich: Taugt Japan als Vorbild?
Die NZZ greift das Thema der Geldpolitik mit Blick auf die anstehende EZB-Entscheidung auf. Die Highlights:
- “Die Möglichkeit, dass die EZB vollständig auf Ankäufe verzichtet, wird von Kommentatoren zumeist ausgeschlossen. Allerdings besteht nach allgemeiner Ansicht kein Mangel an Liquidität im Bankensystem. Die Renditen von Staatspapieren sind weiter gefallen, und der Kurs des Euro ist vor allem gegenüber dem Dollar spürbar (aber deutlich weniger auf der handelsgewichteten Basis) schwächer geworden. Die blosse Ankündigung der EZB, sie könnte bei der angestrebten Ausweitung der Bilanzsumme auch Staatsanleihen erwerben, hatte zu dieser Entwicklung ausgereicht.” – bto: Folge ist, die EZB muss handeln, weil sie sonst die Märkte enttäuscht.
- “Zwar sei Inflation vor allem ein monetäres Phänomen, doch die Wirkung zusätzlicher Liquidität hänge in der Praxis von der Geschwindigkeit ab, mit der das Geld in der Wirtschaft zirkuliere – und diesen Faktor könne die Zentralbank bestenfalls am Rande beeinflussen. Selbst Draghi habe früher argumentiert, dass Anleihenkäufe in der Euro-Zone wegen anderer Finanzstrukturen weniger wirksam seien als in den USA.” – bto: Wie an dieser Stelle oftmals geschrieben.
- “Anleihenkäufe durch die EZB setzen Kapital frei, das theoretisch die Kreditvergabe durch Banken anregen kann. Die Chancen dafür sehen Analytiker angesichts der bestehenden hohen Liquidität aber als gering an. Vielmehr entstehen Anreize zu spekulativeren und riskanteren Anlagen.”
- “Auch verstärken sie unerwünschte Begleiterscheinungen von tiefen und negativen Zinsen, wie beispielsweise Daniel Stelter, Kommentator und früher Partner von Boston Consulting, betont. Tiefe Zinsen führen nicht notwendigerweise zu höherem Konsum, sondern können zu Konsumverzicht zwingen, da die durch tiefe Renditen geschwächte Altersvorsorge intensiviert werden muss. Auch werde die überfällige Bereinigung der Realwirtschaft und des Bankensystems verschleppt. Und die Überschuldung von Euro-Ländern bleibe unangetastet.” – bto: korrekt.
Natürlich wird es nichts daran ändern, dass Europa weiter den japanischen Weg geht. Wie dieser endet – ob mit Pleite oder völliger Geldentwertung, wenn der Trick über die Notenbank-Bilanz nicht funktioniert – wird spannend zu beobachten sein.