„Volksfront gegen den Euro“
Dieser Beitrag erschien bei manager magazin online:
Sahra Wagenknechts Interview in DIE WELT schlägt Wellen. Erstmals, heißt es, habe sich ein führender Vertreter der Linken gegen den Euro ausgesprochen, eine Position, die sonst nur vom rechten AfD-Rand vorgetragen würde. In der Tat handelt es sich um einen bedeutsamen Schritt.
Dabei ist die deutsche Linke mit ihrem beginnenden Sinneswandel nicht alleine. Auch die linken Kräfte in anderen Ländern, vor allem Spanien, Frankreich und Italien gehen auf merkliche Distanz zum Euro. Je unwahrscheinlicher der große europäische Umverteilungsstaat wird, wie die Linke ihn sich wünscht, desto weniger lohnt es sich, am Euro festzuhalten. Zwar traue ich der deutschen Regierung zu, entgegen besseren Wissens und der Mahnung von Teilen des Sachverständigenrates doch faktisch in ein System der Umverteilung ohne Gegenleistung abzudriften, doch könnte dies für die Linke zu lange dauern.
In Frankreich hat mit Jean-Luc Mélenchon einer der heftigsten Kritiker Deutschlands den Kurswechsel vollzogen. Damit bildet sich eine interessante Konstellation. Die radikale Linke und die radikale Rechte bekämpfen den Euro, der als europäisches Friedens- und Wohlstandsprojekt gestartet und gescheitert ist.
In Italien denkt man bereits weiter. Stefano Fassina, ehemaliger stellvertretender Finanzminister und Mitglied der Partei Matteo Renzis, fordert nicht nur eine geordnete Auflösung des Euros, sondern auch eine Allianz „nationaler Befreiungsfronten“ der Linken, die mit unabhängigen Kräften auf der demokratischen Rechten zusammenarbeiten sollten. Eine wahre Volksfront von Links und Rechts bildet sich in Europa gegen den Euro.
Damit entwickelt sich der Euro nicht nur zum Spaltpilz für Europa, sondern auch zur wichtigsten Waffe von radikalen Kräften gegen die Demokratie. Das Problem ist dabei offensichtlich: Die etablierten Parteien haben in allen Ländern die Einführung des Euros gegen die ausdrücklichen und begründeten Mahnungen der Ökonomen durchgedrückt.
Jetzt, wo die Währungsunion für jedermann offensichtlich nicht funktioniert und statt des versprochenen Wohlstands anhaltend hohe Arbeitslosigkeit und Rezession in den Krisenländern mit sich bringt, können sie nicht zugeben, den größten ökonomischen Fehler der Nachkriegszeit begangen zu haben.
Deshalb entsteht eine Art Bunkermentalität, in der man sich mit Mühe von Krise zu Krise hangelt und auf ein Wunder hofft. Dieses Wunder wird nicht kommen. Zwar mag die EZB noch den einen oder anderen Trick aus dem Hut zaubern. Schulden aus der Welt schaffen und Wettbewerbsfähigkeit wieder herstellen kann sie jedoch nicht. Vor allem Letzteres ist unmöglich.
Damit liefern die etablierten Parteien den radikalen Kräften die beste Munition, die sie sich wünschen können. Ein Thema, bei dem offensichtlich und von der breiten Wissenschaft getragen, die aktuelle Politik auf voller Linie gescheitert ist und die persönlichen Konsequenzen für die Bürger deutlich spürbar negativ sind.
In Deutschland dürfte es noch eine Weile dauern, bis Linkspartei und AfD aufgrund der Eurokrise breiten Zuspruch finden. Zu gut wirkt hier die Vernebelungsstrategie der Regierenden. Zu sehr glauben die Deutschen noch, wir wären die Nutznießer des Euros, was allerdings nicht stimmt.
In den Krisenländern sieht dies anders aus. Die spanische Podemos mag zwar in den Umfragen kurzfristig verloren haben, die ungelösten Probleme des Landes machen die Wahlen im Herbst dennoch spannend. Klar ist, sollte Podemos gewinnen, dass sie mit weitaus stärkerer Konsequenz als die Griechen ihre eigenen Interessen vertreten werden. In Frankreich mobilisieren Rechte wie Linke gegen den Euro und setzen die etablierten Kräfte zunehmend unter Druck. In Italien ist die Opposition mit großer Mehrheit für ein Ende des Euros. Eurokritische Parteien waren bereits bei den letzten Europawahlen die großen Gewinner.
Es muss nicht so weit kommen, dass Sarah Wagenknecht und Frauke Petry gemeinsam Wahlkampf machen. Es genügt schon, dass ein immer größerer Teil der Bevölkerung gegen den Euro votiert, um auch bei den etablierten Parteien eine Wende herbeizuführen. Erinnert sei an Holland, wo die pure Existenz und der Zuspruch zu radikalen Parteien zu einer deutlich restriktiveren Zuwanderungspolitik geführt haben, ohne dass eine dieser Parteien jemals wirklich regiert hätte.
Schwankt eine Volkpartei auf einen Anti-Euro-Kurs um – und mein Hauptkandidat ist und bleibt Italien – ist es mit dem Euro vorbei. Deshalb: Bevor uns die Volksfront gegen den Euro dazu treibt, lasst uns austreten und Italien ein Beispiel sein.
→ manager-magazin.de: „Volksfront gegen den Euro“, 21. August 2015