Marsch in die Un­freiheit

Politiker aller Couleur fordern angesichts von Inflation und Energiepreisexplosion eine „zielgerichtete Unterstützung“ der Bürger. Dabei sollen nicht alle Bürger entlastet werden, sondern nur jene, die es aus Sicht der Politik besonders nötig haben. So werden wir seit Monaten mit einer Flut mehr oder weniger sinnvoller Maßnahmen konfrontiert: Tankrabatt, Neun-Euro-Ticket, Energiegeld und mehr.

Was wir in Wahrheit erleben, ist ein ungezügeltes Wachstum staatlicher Bevormundung und Steuerung. Schon das bestehende System der Umverteilung ist alles andere als „zielgerichtet“. Der Staat nimmt den Bürgern über Steuern und Sozialabgaben immer mehr Geld weg, um es ihnen auf anderem Wege, je nach politisch definierter „Bedürftigkeit“ wieder zurückzugeben.

Dabei erfolgt ein immer größerer Teil der Umverteilung nicht mehr von „oben“ nach „unten“, sondern innerhalb der Mitte. Weitere bekannte Nebenwirkung dieses Handelns: Gerade für Menschen im unteren Einkommensbereich ist es wenig attraktiv, einer Arbeit nachzugehen.

Hatte der Sozialstaat schon vor Corona trotz Rekordbeschäftigung das größte je gemessene Ausmaß erreicht, ging es in den letzten zwei Jahren weiter deutlich nach oben. Die Staatsquote, das Verhältnis von Staatsausgaben zur gesamten Wirtschaftsleistung, stieg auf den historischen Höchststand von 51,6 Prozent – und wenig spricht dafür, dass die Politik sich aus dem Leben der Bürger zurückzieht. Durch immer mehr „zielgerichtete“ Transfers ein bestimmtes Verhalten belohnt werden, etwa Klimaschutz.

Nebenbei erfolgt auch die Finanzierung der immer weiter wachsenden Umverteilungsbürokratie. Schon heute befassen sich rund 17 Prozent der Beschäftigten im öffentlichen Dienst mit „sozialer Sicherung“. Die zunehmende Umverteilung trägt dazu bei, den Kreis der Bedürftigen immer weiter anwachsen zu lassen.

Die rasante Inflation tut ihr Übriges dazu. Bis zu 60 Prozent der Deutschen bleibt nicht mehr genug Geld, um zu sparen. Immer mehr ehemals autonome Bürger werden abhängig von staatlichen Vergünstigungen – und die Praxis der Politik, damit auf Stimmenfang zu gehen, ist gut geübt.

Rückbesinnung auf die Aufgaben des Staates

Mit Sozialer Marktwirtschaft hat das nichts zu tun, ist deren wesentlicher Kern doch der selbstbestimmte Bürger. Statt also auf weitere „zielgerichtete“ Entlastungen zu hoffen, sollten wir eine Rückbesinnung des Staates auf seine eigentlichen Aufgaben einfordern – und zugleich das gesamte Steuer-, Abgaben- und Sozialsystem an die deutliche Geldentwertung anpassen, also höhere Regelsätze und Verdienstgrenzen bei Hartz IV, eine höhere Minijobgrenze und einen höheren Grundfreibetrag, einfach alles.

Dazu genügt ein Gesetz. Im zweiten Schritt müssen wir dann darangehen, unser gesamtes Steuer- und Abgabensystem zu reformieren, damit es effizient und effektiv wirkt.

handelsblatt.com: “Staatsquote steigt auf Rekordhoch: Auf dem Weg in die Umverteilungsbürokratie”, vom 02.09.2022