Zur Wirkung der Medien in Deutschland
Vor einigen Wochen bin ich über einen Artikel in der NZZ gestolpert, der von einer Studie zum Profil von Nutzern von Medien in Europa von der Oxford Universität berichtet. Nun kann ich sagen, dass ich bisher keine schlechten Erfahrungen mit den hiesigen Medien gehabt habe, wenn es um meinen persönlichen Auftritt ging. Auch die letzte – aus meiner Sicht sicherlich unbefriedigende – Diskussion bei hartaberfair würde ich als neutral definieren. Es ist mir halt nicht gelungen, meine Punkte zu machen, und ich muss hier noch an meinen Fähigkeiten arbeiten.
Andererseits kann ich als regelmäßiger Hörer und Zuseher durchaus nachvollziehen, wenn man den Eindruck bekommt, dass die Medien mit einem gewissen „Spin“ agieren. Deshalb waren die Aussagen der Studie so interessant und vor allem war es bemerkenswert, dass die Studie in Deutschland nicht viel intensiver besprochen wurde.
Ja, es wäre ein gutes Talk-Show-Thema gewesen. Grund genug für mich, es zu einem Thema bei bto zu machen, obwohl es nur indirekt mit Wirtschaft zu tun hat. Wie? Nun, zum Beispiel in der Art und Weise wie bei uns über Vermögen, Wohlstand, Zuwanderung und auch Klimaschutz gesprochen wird. Die Medien haben hierzulande heftig am Märchen vom reichen Land mit erzählt. Immer wieder wurde diese Nachricht von den Medien genutzt, um Themen zu positionieren. Wenn Politiker mit dieser Behauptung bestimmte Ausgabenprojekte begründeten, wurde das weder hinterfragt noch angezweifelt.
Es fehlt oft die ökonomische Vernunft. Entweder, weil diese nicht vorhanden oder aber nicht erwünscht ist.
Zunächst zur NZZ, die so berichtete (Highlights):
- „(…) ARD und ZDF (wird) unterstellt, politisch einseitig zu berichten und eine linke Agenda zu verfolgen. Begründet wird dies meist mit einzelnen Beispielen, wie etwa der euphorischen Berichterstattung einer ARD-Reporterin vom Grünen-Parteitag im Jahr 2018. Dass ZDF und ARD politisch links stehen, ist für manche Kritiker der Sender eine gefühlte Wahrheit, die sich aber schwerlich seriös belegen lässt.“ – bto: Ich habe in den letzten Jahren vermehrt Stimmen gehört, die sich in diese Richtung äußern. Nun mögen dies Einzelstimmen sein, es kann aber auch eine breitere Wahrnehmung sein. Zum Beispiel finde ich die Berichterstattung zum Brexit oft sehr einseitig, die Frage nach den Wirkungen auf die EU wird nur selten gestellt.
- „Nun publizierte das Reuters Institute der Universität Oxford jedoch eine Studie, die ein aufschlussreiches Bild von den Nutzern dieser Programme zeichnet. Für die Studie hat das Institut den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in acht europäischen Ländern analysiert. Die Zuschauer wurden dabei auch gefragt, wo sie sich politisch verorten würden. Pro Land untersuchte das Reuters Institute Gruppen von jeweils rund 2000 Menschen. 26 Prozent des Publikums von ARD und ZDF beschreiben sich demnach als leicht rechts oder rechts der politischen Mitte. 34 Prozent sehen sich genau in der Mitte, und 40 Prozent verorten sich leicht links oder links der Mitte.“ – bto: Nun muss man natürlich sagen, dass die Fernsehmacher nichts für ihr Publikum können. Andererseits ist die Anforderung an einen öffentlich finanzierten Rundfunk sicherlich nicht falsch, alle Schichten der Bevölkerung zu erreichen. Insofern ist der Befund kein guter.
- „Bei den Zuschauern von ARD und ZDF ist also eine linke Tendenz erkennbar. Sie scheinen sich somit im Durchschnitt vom Publikum vergleichbarer europäischer Sender zu unterscheiden. Bei den meisten in der Studie untersuchten öffentlich-rechtlichen Sendern ergibt sich ein ausgewogeneres Bild der politischen Präferenzen des Publikums.“ – bto: Hervor sticht dabei die BBC. Aus persönlicher Erfahrung muss ich sagen, dass die Morgensendung bei BBC Radio 4 ein Vorbild an ausgewogener Information ist, ganz anders als der Deutschlandfunk, der bei den Informationen am Morgen durchaus einen gewissen „Spin“ bei bestimmten Themen erkennen lässt. Unvergessen ist mir ein fast schon hetzerischer Kommentar gegen Vermieter in der Mittagssendung, der danach leider weder als Skript noch als Podcast verfügbar war. Ich hätte ihn zu gerne auseinandergenommen.
- „Auf einer Skala von eins bis zehn beantworteten die Teilnehmer der Studie die Frage, für wie vertrauenswürdig sie die Nachrichten von ARD und ZDF halten. Bürger, die sich politisch links oder in der Mitte verorten, halten die Berichterstattung der Sender mit einem Durchschnittswert von 7,1 für relativ wirklichkeitsnah. Jene rechts der Mitte vergaben hier nur einen Wert von 5,0.“ – bto: Das ist kein Erfolg, sondern ein Desaster. Wird das Programm als einseitig oder gar erzieherisch wahrgenommen, verfehlt es das Ziel komplett.
- „Der Trend, dass Linke den Nachrichten eher Glauben schenken als Rechte, lässt sich bei den meisten untersuchten Sendern beobachten, ist aber fast nirgendwo so ausgeprägt wie in Deutschland. Ein ausgewogenes Ergebnis lieferte auch hier die Befragung von Zuschauern der britischen und französischen öffentlich-rechtlichen Medien.“ – bto: Wie gesagt, das ist ein Problem, setzt doch gerade eine funktionierende Demokratie eine gute Information der Bürger voraus. Jene, die man nicht erreicht, können leicht von alternativen Medien in anderer Richtung falsch informiert werden.
- „Um junge Menschen im Internet zu erreichen, investieren ARD und ZDF in Spartenkanäle und Onlineangebote. Der Erfolg ist jedoch laut Reuters Institute überschaubar: Nur ein Fünftel der Deutschen zwischen 18 und 25 Jahren nutze diese Angebote. Dass es auch anders geht, zeigt die britische BBC. Sie erreicht laut der Studie online 56 Prozent dieser Zielgruppe.“ – bto: was aber nicht durch eine sichtbare Absenkung der Standards erkauft wird.
Soweit die NZZ. Schauen wir uns doch die Studie mal an:
- Beginnen wir zunächst mit den untersuchten Anstalten. Diese zeigt die nachfolgende Tabelle, die auch Aussagen über die Budgets pro Kopf macht. ARD, ZDF und Deutschlandradio kosten demnach 112 Euro pro Kopf der Bevölkerung. Sie sind damit die teuersten im Sample, gefolgt von der BBC mit 102 Euro. Alle anderen sind weit abgeschlagen. Wir haben also den teuersten Staatsfunk und die Frage ist, bekommen wir was für unser Geld? Im Deutschlandfunk läuft übrigens gerade eine Kampagne für den gebührenfinanzierten Rundfunk, ohne als Werbung gekennzeichnet zu sein. Dabei sind viele der in diesen Spots gemachten Aussagen Behauptungen, keine Beweise.
Quelle: Reuters Institute Oxford University
Die Studie diskutiert dann den Erfolg der Medien, jüngere und weniger gebildete Bildungsschichten zu erreichen und auch in Neuen Medien zu agieren, bevor es zum eigentlich interessanten Punkt kommt:
- „Our analysis thus shows that most public service media we cover are relatively successful at reaching politically diverse audiences across the left–right political spectrum. The audiences of ČT and ČRo, Yle, RTVE, BBC, and Rai sit right in the centre of the maps, indicating that they tend neither to the left nor to the right when compared with the population average. We see a slight deviation to the left in France and a slightly larger one in Germany.” – bto: wobei man sagen könnte, dass es in Frankreich wenigstens weniger kostet!
Quelle: Reuters Institute Oxford University
- Diese Abbildung zeigt das ganze Drama. ARD/ZDF sind ganz klar die Sender für den linken Teil der Gesellschaft. Heute, wo wir selbst bei Hochschulen – die eigentlich den kritischen Diskurs fördern sollen – zunehmend Denkverbote oder Redeverbote haben, ist das ein enormes Warnzeichen. Angesichts der Zusammensetzung der Rundfunkräte muss man da vermuten, dass diese Haltung bis weit in „offiziell“ konservative Kreise reicht. Früher – also zu meiner Kindheit – glaubte man zu wissen, dass ARD eher SPD-nah und ZDF eher CDU-nah waren. Heute sind alle links der Mitte.
- „In order to learn more about these country differences we want to take another look, now focusing on whether different political audience segments trust PSMs. Broad reach is one thing, broad trust another.“ – bto: Das ist ein wichtiger Punkt. Verliert eine wichtige Bevölkerungsgruppe das Vertrauen, ist alternativen Medien und damit auch unseriösen Quellen Tür und Tor geöffnet.
- „If we break down the trust scores for our PSMs by different political orientations and look into how people who identify themselves as being on the political left, in the centre, or on the right trust PSMs a complex picture emerges. In France, Italy, Spain, and the UK, PSMs have the highest trust scores among those who self-identify with the political centre. In Germany and Finland, the trust scores are equal or roughly equal among those in the centre and those on the left.” – bto: Und die “Rechten” vertrauen nicht. Das ist aber ein Warnsignal für die Demokratie, dem man mit Angebotsänderung, nicht mit Dämonisierung begegnen muss.
Quelle: Reuters Institute Oxford University
- Persönlich finde ich, dass ein Wert für das heutejournal des ZDF von 4,9 keine Auszeichnung, sondern eine Ohrfeige ist. Möglicherweise denkt man im Sender, es zeige gute Gesinnung und die erfolgreiche Verfolgung des politischen Bildungsauftrages. Ich bin da skeptisch.
- Doch nun noch zum Untersegment der „Populisten“. Hier verwundert es angesichts der oben gesehenen Daten nicht, dass die Populisten besonders wenig Vertrauen in die öffentlichen Medien hierzulande haben.
- „Figure 10 shows the differences in the mean trust scores that we find between our populist and non-populist groups for a range of news services across our sample countries. If the difference is negative, populist citizens trust a brand less compared with non-populist citizens; if the difference is positive, populists trust a brand more than non-populists do.” – bto: was logisch aus dem zuvor Gesagten folgt.
Quelle: Reuters Institute Oxford University
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland steckt nach dieser Studie in einer Krise. Er erreicht weite Teile der Bevölkerung nicht (mehr), wird als parteiisch wahrgenommen und sieht das Problem nicht, sondern agiert ähnlich wie die Politik in Berlin und Brüssel mit einem trotzigen „Jetzt-erst-recht”. Dafür mag es gute Motive geben.
Doch auch hier gilt, dass man durch Parteinahme keine Brücken baut und eben nicht den Beitrag leistet, den der öffentliche Rundfunk eigentlich leisten müsste, um die Gesellschaft zu einen. Mich hat die Studie – und vor allem die fehlende Reaktion darauf – in meiner Befürchtung bestärkt, dass wir in Deutschland vor einer sozialen und gesellschaftlichen Zerreißprobe stehen, in der die Medien eine schlechte Rolle spielen. Nur eine Frage der Zeit, bis es nicht nur Außenseiter sind, die eine Abschaffung der – im Vergleich überhöhten – Gebührenfinanzierung fordern. Übrigens fließen Milliarden dieser Gebühren gar nicht in das Programm, sondern dienen zur Schließung von Finanzierungslücken im üppigen und unterfinanzierten Pensionssystem der Sender.
Hier die Links:
→ nzz.ch: “ARD und ZDF links der Mitte beliebter”, 21. September 2019