Die Krise ist vorbei ‒ DAX über 11.000

“Die Krise ist vorbei”, werden Experten zitiert, nachdem der DAX die 11.000-Punkte-Marke überwunden hat. Insofern, liebe Leser, erwarte ich in Zukunft keine Besucher mehr auf diesen Seiten :-)

Im Ernst: Angesichts Negativzinsen, Geldschwemme und geplanter Euroabwertung ist es kein Wunder, dass Aktien steigen. Es ist eine Abwertungshausse, die einzig und alleine auf der Annahme basiert, dass die EZB und andere Notenbanken für alles garantieren. Zwar hat die SNB kürzlich gezeigt, dass das mit den Versprechen so eine Sache ist. Aber Jordan ist ja auch kein Dragee. Insofern lasst uns die Party genießen, so lange sie läuft. Zugleich wachsen so auch die Vermögen, was das Schuldenproblem ‒ siehe Beitrag von heute Morgen ‒ endgültig erledigt. Alles gut!

Für Zweifler, die dennoch bto besuchen und jetzt noch weiterlesen, ein paar Schmankerl zu dem Thema Börse aus den letzten Monaten. Wichtig dabei ‒ und ich werde das in meiner neuen Serie zum Thema “Was tun mit dem Geld” in den kommenden Monaten noch genauer ausführen ‒ ist, dass ich keineswegs gegen Aktien bin. Ich glaube nur nicht an die Einbahnstraße. Genauso wie man an den starken Tagen dabei sein muss, sollte man an den richtig schwachen Tagen idealerweise nicht dabei sein.

Zunächst die Kollegen vom Bostoner Vermögensverwalter GMO, die ich regelmäßig verlinke. Hier ein Interview mit James Montier, einem der führenden Köpfe in der FINANZ und WIRTSCHAFT:

  • “Vor zwei Jahren war es sehr einfach, in den Peripherieländern Value zu finden. Das ist jetzt vorbei. Die Peripherie ist nicht überbewertet, aber halt nicht mehr spottbillig. Der Industriesektor bietet einige Chancen, und die Banken sehen günstig aus. Auch hier würde ich die Banken nicht kaufen; als Value-Investor mag ich sie nicht, weil ich ihre Bilanz nicht analysieren kann.”
  • “Das grosse Dilemma für den europäischen Aktienmarkt ist jedoch die steigende Gefahr einer Deflation. Die letzte Bewertungsunterstützung für mich als Value-Investor ist der Liquidationswert einer Aktie: das Geld, das ich erhalte, wenn ich das Unternehmen morgen schliessen und seine Einzelteile verkaufen würde. Doch mit jedem Deflationstag, der vergeht, sind die Aktiva des Unternehmens real etwas weniger wert. Deflation unterminiert diesen grundlegenden Aspekt des Value Investing.”
  • “Über die kommenden sieben Jahre erwarten wir von US-Hochqualitätsaktien bloss eine reale Jahresperformance von 2% pro Jahr, was deutlich unter den 6% liegt, die wir als fair erachten würden.”
  • “50% unseres Portfolios liegen aktuell in Cash und kurz laufenden Bonds – haufenweise trockenes Pulver also. (…) Die Zentralbanken haben mit ihrer Politik eine Beinahblase geschaffen, die sich immer weiter aufbläht.”
  • “Weil die Zentralbanken den Markt bewusst aufgebläht haben, kann man sich nirgends verstecken. Mit Cash verliert man real Geld, die Bondrenditen sind absurd niedrig. Im Jahr 2000, als Aktien grotesk überbewertet waren, erhielt ich auf Cash-Anlagen 3% Zins. Im Jahr 2007 erhielt ich mit Cash immer noch 2,5% Realzins. Heute verliere ich mit Cash pro Jahr real 2%. Das schmerzt. Die gefühlte Alternativlosigkeit beeinflusst das Verhalten der Anleger. Doch mit Cash weiss ich wenigstens, wie hoch mein ­maximaler Verlust ist. Kaufe ich Aktien in einem Zustand massiver Überbewertung, kann ich in einer Korrektur enorm viel Geld verlieren – und ich bin dann nicht ­fähig zu kaufen.”
  • “Die Investoren sind überzeugt, dass die Zentralbanken  eine Baisse verhindern werden. Das ist gefährlich. Die Zentralbanken werden uns schützen, bis sie uns plötzlich nicht mehr schützen.

Montiers Fazit, eingeleitet mit einem Zitat von Comicbär Winnie the Pooh: “‘Unterschätze nie den Wert des Nichtstuns.’ Sie dürfen nie vergessen: Wir wissen nichts über die Zukunft. Wir glauben es bloss, weil wir die Gegenwart in die Zukunft extrapolieren. Wir glauben bloss, dass uns die Zentralbanken immer schützen werden, aber wir wissen es nicht. Vertrauen Sie mir: Die nächsten sieben Jahre an den Börsen werden nicht ruhig, fröhlich und linear aufwärts verlaufen. Cash gibt mir trockenes Pulver – und die Option, dieses Pulver zu benutzen, wenn es an den Börsen zu Verwerfungen kommt. Dann kaufe ich.”

→ FINANZ und WIRTSCHAFT: «Der Aktienmarkt ist abscheulich teuer», 3. Dezember 2014

Schon im Oktober befasste sich John Authers in der FT mit dem Thema. Seine Kernaussagen:

  • Selbst nach dem Kursrückgang der letzten Wochen ist nichts preiswert. Bonds und Aktien sind teuer – allerdings bringt Geld gar keinen Ertrag.
  • Der Bostoner Fondsmanager GMO, der bereits früher vor dem Entstehen einer echten Blase gewarnt hatte, sobald die Unternehmen richtig anfangen, M&A zu machen, erwartet für Bargeld, Anleihen und Bonds für die kommenden sieben Jahre eine Rendite unterhalb der Inflationsrate. (bto: Soviel zu Pikettys fünf bis sechs Prozent.)
  • 97 Prozent der Marktexperten haben Anfang des Jahres steigende Zinsen vorhergesagt (und im April 100 Prozent!) – und nun liegen die Zinsen tiefer. (bto: Schönes Beispiel dafür, weshalb Contrarian Investing so attraktiv ist.)
  • Ganz so unverständlich war die Expertenmeinung nicht, sind doch die Zinsen fast dreißig Jahre lang gefallen. Doch zwei Gründe erklären den weiteren Rückgang: die auch für die in den USA realistische Gefahr einer Deflation und die Notwendigkeit von Pensionsfonds und Lebensversicherungen, Geld sicher anzulegen. Lieber eine geringere Rendite, dafür aber ein geringes Risiko und vor allem eine lange Laufzeit, die zu den Verbindlichkeiten passt.
  • Der Rückgang an den Aktienmärkten war bisher moderat, zumindest in den USA, wo die Märkte weniger als zehn Prozent vom Höchststand verloren haben. Zudem war das Volumen gering, was auf “Sorglosigkeit” der Investoren schließen lässt – als solches ein Warnsignal.
  • Nachdem die Fed angedeutet hat, wieder aktiv zu werden, so es nötig ist, haben die Märkte gedreht. Doch bleibt die Frage: Wenn es wirklich zu  einer neuen Rezession wegen einer Krise in China oder Europa kommt, hat die Fed dann überhaupt noch Munition, nach immerhin sechs Jahren Krisenbekämpfung? Eine Frage die Ray Dalio von Bridgewater bereits vor einigen Monaten aufgeworfen (und verneint) hat.
  • So kann es sein, dass es noch einige Jahre weitergeht mit schwachem Wachstum und viel Liquidität und die Investoren aus Fehlen an Alternativen weiter Aktien kaufen. Risikofrei ist es nicht.

→ FT (Anmeldung erforderlich): Markets: Into uncharted waters, 17. Oktober 2014

Dahinter steht nur eines: die Politik der Notenbanken. Dazu immer wieder sehenswert die Präsentation von Grant Williams, auf den ich hier schon hingewiesen habe, lohnt sich sehr. Er beginnt mit einem Rückblick auf die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, beschreibt die Folgen des Versailler Vertrages und kommt letztlich zum Schluss: Heute wird von den Notenbanken alles getan, um den “wirtschaftlichen” Frieden zu erhalten. Doch wird das auf Dauer funktionieren? Lohnenswerte 30 Minuten.

→ Zero Hedge: Grant Williams: The Consequences Of Economic Peace, 25. November 2014