Was tun mit dem Geld? (13) ‒ Kunst ist was für Superreiche und Profis
Die Verunsicherung ist groß. Angesichts ungelöster Schuldenprobleme, dem fortgesetzten Spiel auf Zeit und den immer extremeren Interventionen der Notenbanken suchen immer mehr Investoren nach einem sicheren Hafen.
Meine Meinung dazu habe ich in den ersten Teilen dieser losen Serie schon geschildert: Nur eine intelligente Diversifikation kann dabei helfen, die vor uns liegende Phase der Vermögensvernichtung möglichst unbeschadet zu überstehen. Intelligent, weil sie international sein muss und zugleich auf Qualität achtet. Diversifiziert, weil wir uns auf Inflation und Deflation einstellen müssen und zudem die grundlegenden Trends der ökonomischen Gewichtsverschiebung berücksichtigen. Globaler, kaufkraftbereinigter Vermögenserhalt plus x bleibt das Ziel.
Vielen genügt dieser einfache, viel Disziplin erfordernde Ansatz jedoch nicht. Sie glauben ihr Heil in anderen Sachwerten zu finden, zum Beispiel Uhren, Schmuck, Oldtimer und Kunst. Schon vor einiger Zeit hatte ich dazu einen Beitrag der NZZ verlinkt: lieber Rolex im Safe als Swatch-Aktien.
Dennoch gibt es immer wieder Anfragen, die Kunst betreffend. Hört man doch überall, wie sehr sich die Preise von Kunst nach oben entwickelt haben, viel besser als Aktien und alle paar Monate gibt es schlagzeilenträchtige Auktionsrekorde. Deshalb ein vertiefender Blick auf das Thema mit Hilfe der FT. Diese beschäftigte sich anlässlich der Versteigerung von Picassos “Les Femmes d’Alger” für 179,4 Millionen US-Dollar mit dem Thema:
- Zunächst zitiert die FT den Auktionator, der – wenig verwunderlich – betont, dass die Kaufinteressenten in einem Bietergefecht sehr wohl eine Ahnung vom Wert eines solchen Bildes haben. Sie würden sehr genau auf die Qualität achten und zudem wären die Preise sehr vorsichtig in 500.000 Dollar-Schritten nach oben gegangen.
- Kunst wird zunehmend als „financial asset“ gesehen. Privatbanken raten ihren reichen Kunden zur Diversifikation in Kunst, und Milliardäre besuchen die Kunstmessen der Welt, während Meisterwerke in Zollfreilagern aufbewahrt werden.
- Im Falle des erwähnten Picassos stieg der Preis immerhin um 100 Millionen seit der letzten Auktion im Jahre 1997. Nicht schlecht.
- Kunst funktioniert aber nicht wie ein Wertpapier, denn ihr Wert ist genauso unbestimmt wie das Lächeln der Mona Lisa. Der Preis resultiert aus Annahmen über die künftige Nachfrage, die sich wiederum aus Annahmen über die zukünftige Nachfrage ergibt. Wer wirkliche Werte kaufen möchte, sollte sich anderweitig orientieren.
- Weltweit wurde im letzten Jahr Kunst für 51 Milliarden Euro verkauft, mehr als während des bisherigen Höhepunkts im Jahr 2007 mit 48 Milliarden. Verglichen mit den 294 Billionen Euro an Finanzassets ist das immer noch ein kleiner Betrag. Dennoch sollte es sich auch finanziell lohnen.
- In einer Studie aus dem Jahr 2002 zeigen Luc Renneboog und Tom Van Houtte anhand von 10.500 Auktionsergebnissen für belgische Kunst zwischen 1970 und 1977, dass Kunst schlechter performed als Aktien (bto: Kann natürlich an der belgischen Kunst liegen …)
- Der Mei Moses World All Art Index, der die Preisentwicklung auf Auktionen verfolgt, stieg um sieben Prozent pro Jahr zwischen 2003 und 2013 ‒ etwas weniger als der Standard & Poor’s 500 Index. Zeitgenössische Kunst erzielte immerhin 10,5 Prozent pro Jahr.
- Damit hat Kunst mehr erbracht als Anleihen, wobei die FT skeptisch ist: 1. Kunst, die auf Auktionen gekauft und wiederverkauft wurde, ist nur ein Teil des Marktes. Was per Definition fehlt, sind die Kunstwerke, die nicht wieder auf den Markt gekommen sind oder auf Auktionen stehen blieben. 2. Der Markt ist sehr fragmentiert. Jedes Kunstwerk – auch des gleichen Künstlers – ist einzigartig und damit individuell zu bewerten. 3. Die Transaktionskosten sind auch noch sehr hoch. Die Auktionshäuser nehmen eine Marge von 20 Prozent (die man erst mal mitverdienen muss, um einen Gewinn zu machen).
- Zudem würden die kapitalkräftigsten Käufer das geringste finanzielle Risiko eingehen. Prestigewerke wie der Picasso für rund 180 Millionen erbringen einen weit unterdurchschnittlichen Wertzuwachs. Wirklich Geld verdient man mit Werken, die nicht so „glamourös“ sind.
- Meisterwerke bieten auch keine Sicherheit. Zu sehr wandelt sich der Geschmack. Waren zu einer Zeit bestimmte Bilder gesucht, so sind es zu anderer Zeit andere. Dies kann zu fallenden Preisen und auch zum Nicht-Verkauf von Kunstwerken führen.
- Die FT vermutet die Beweggründe der Käufer: Wer sich ein Bild kauft, welches die großen Museen der Welt gerne hätten, der tut dies als (ultimatives?) Statussymbol. Man hat etwas wirklich Exklusives und kann es sich leisten, lautet das Signal an die Umwelt. Und bevor es der Rivale kauft, kaufe ich es. Das nennt man auch „positional goods“.
- Deshalb steckt auch der deutliche Vermögenszuwachs der Top-0,01-Prozent hinter der Entwicklung der Kunstpreise.
- Ebenso wichtig ist der damit verbundene Eintritt in den „Kunstzirkus“, der für über 60 Prozent der Kunstkäufer eine wichtige Rolle spielt. Gemeint sind Einladungen von Museen, Galerien und das Image, als Mensch mit Geschmack zu gelten. ‒ bto: alles Dinge, die in schlechten Zeiten keiner mehr haben will … Im Falle einer Marktkorrektur – also in unserem Kernszenario der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung – wird man einst teuer erworbene Kunst jedenfalls nicht oder nur mit großen Verlusten verkaufen können.
Was mich zu meinem Fazit führt. Ziel der Geldanlage ist neben dem langfristigen Vermögenserhalt die Verfügbarkeit im akuten Krisenfall und die Eignung als beleihungsfähiges Eigenkapital bei einem Neustart. Kunst erfüllt diese Kriterien nicht. Im Gegenteil, Kunstkauf ist ein massives prozyklisches „Investment“. Kann aber Freude bereiten, sei es, weil sie wirklich gefällt oder auch als „positional good“, wenn das Kaufen von Kunst als Konsum versteht.
P.S.: Und wenn Sie jetzt sagen, dies gilt nur für Kunst. Nein, dies gilt auch für Uhren, Wein, Whisky und Oldtimer. Zu letzteren schreibt die FINANZ und WIRTSCHAFT: “Der Oldtimer-Markt hat inflationsbereinigt erst in den vergangenen Monaten wieder das Niveau erreicht, auf dem er Ende der Achtzigerjahre schon einmal gestanden hatte.”
→ FT (Anmeldung erforderlich): Picasso is not just a valuable abstract, 13. Mai 2015
→ FINANZ und WIRTSCHAFT: Sind Oldtimer eine gute Geldanlage?, 27. Mai 2015