„Wie Ökonomen die Insolvenz eines Staates planen“
Es gibt die Überlegung schon lange. Wenn man keinen Bail-out möchte und keine Schuldensozialisierung, dann muss man Staaten Pleite gehen lassen. Auch in der Eurozone. Daran habe ich hier immer wieder erinnert. Ich denke aber, dass es nicht helfen wird in unserer heutigen Lage. Einfach deshalb, weil die Schulden von Staaten und Privaten viel zu hoch sind. Macht ein Staat Konkurs, verlieren die Gläubiger. In der Folge kommt es zu einem Kollaps. Viel besser wäre ein Schuldenschnitt mit geordneter Gläubigerbeteiligung.
Dennoch ist es gut, dass es die ersten Vorschläge zur Organisation der Staatspleite gibt. Bis sie umgesetzt werden – wenn überhaupt – dürften noch Jahre vergehen.
- „Als Blaupause (…) hat das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW Köln) nun einen Vorschlag für eine Staatsinsolvenzordnung erarbeitet. ‚Durch die Schaffung eines geordneten Insolvenzverfahrens für Euro-Staaten wird der Grundsatz der Währungsunion gestärkt, dass kein Land für die Schulden eines anderen Landes haften muss, und so der Gefahr vorgebeugt, dass die Euro-Zone zu einer Transferunion verkommt”, sagt einer der beiden Studienautoren.‘“ – bto: Nur dann kann es funktionieren.
- „Bislang laufen Insolvenzen von Staaten weitgehend unkontrolliert ab. Denn Staaten sind besondere Schuldner. Weil es anders als bei privaten Kreditnehmern für den Bankrott eines Landes keine festen Regeln gibt, werden Pleiten mal verschleppt, mal mutwillig herbeigeführt. Auch die Gläubiger sind auf das Wohlwollen der Regierungen angewiesen. Schließlich sind die Staatsschuldtitel nicht mit Staatseigentum wie Land oder Immobilien besichert, und so haben die Kreditgeber wenig Handhabe, gegen souveräne Staaten vorzugehen, um an ihr Geld zu kommen. Paradebeispiel ist Argentinien, das 2001 die Zahlungen an die Kreditgeber einstellte. Bis heute kämpfen einzelne Gläubiger um ihr Geld, und auch Argentinien hat bis heute Schwierigkeiten, sich Geld zu beschaffen. Die drohende Insolvenz Griechenlands hatte gar das Potenzial, die europäische Währungsunion zu sprengen.“– bto: Ich habe anlässlich der Argentinienkrise schon vor Monaten in der SZ einen europäischen Konkursprozess gefordert.
- „Der IW-Plan kombiniert alte Vorschläge mit neuen Ideen und sieht einen mehrstufigen Verhandlungsprozess vor. Ausgelöst werden kann ein Staatsinsolvenzverfahren demnach von einem überschuldeten Land. Aber auch – und das ist zentral bei dem Vorschlag – durch den europäischen Rettungsschirm ESM. Er soll mit einer deutlichen Mehrheit einen Euro-Mitgliedsstaat in ein Insolvenzverfahren zwingen können, um eine Insolvenzverschleppung zu vermeiden. Im Verfahren würde das Land zuerst allein mit den Gläubigern verhandeln. Gibt es kein Ergebnis, soll eine neu zu schaffende Kammer am Europäischen Gerichtshof die Verhandlungen beratend begleiten. ‚Das soll den Einigungsdruck erhöhen‘, sagt Matthes. Führt auch das zu keiner Lösung, kann das Gremium gegen die Vorstellungen von Schuldner und Gläubigern eine Entscheidung treffen, wie umgeschuldet werden soll.“– bto: Das klingt vernünftig!
- „Deshalb hält das IW es auch nicht für möglich, sofort ein Insolvenzverfahren einzuführen. Erst müssten die Staaten ihre hohen Schuldenstände reduzieren und die Politik an den Finanzmärkten die richtigen Weichen stellen. Damit Banken und Versicherungen Verluste aus einem Staatsbankrott verkraften können, müssten sie stärker als bisher kapitalisiert sein.“– bto: Eben deshalb wird es nicht kommen.
- „Wenn die Gläubiger künftig stärker zur Kasse gebeten werden, würden sie genauer zwischen den Schuldtiteln der einzelnen Euro-Staaten unterscheiden. Damit würden sich die Zinsunterschiede an den Finanzmärkten deutlich ausweiten, was eine disziplinierende Wirkung entfalten kann. Höhere Finanzierungskosten dürften aber stärker verschuldeten Staaten kaum gefallen. Länder wie Italien oder Portugal werden kaum den deutschen Vorstoß unterstützen. Denn sie wollen die Schulden eher vergemeinschaften, als sie wieder zu renationalisieren. Außerdem stellt sich die Frage, wie souveräne Länder in einen Staatsbankrott gezwungen werden können.“– bto: Bingo. Es soll Sozialisierung ohne Aufgabe von Freiheiten geben. Es ist also richtig, aber illusorisch.
→ N24.de: „Wie Ökonomen die Insolvenz eines Staates planen“, 3. August 2015