Der deutschen Elite fehlt die Strategie
Am 6. November 2022 geht es in meinem Podcast um die Qualität unserer Eliten. Wie gut sind wir personell aufgestellt, um die Zukunft zu sichern? Mein Gesprächspartner ist Professor Tomas Casas i Klett, der an der Hochschule St. Gallen den „Elite Quality Index“ erstellt. 2020 stürzte Deutschland darin von Platz 3 auf Platz 15 ab. Ich würde meinen, die wahre Qualität wurde erst (teilweise) sichtbar.
Zur Einstimmung hier die Kernaussagen, über die das Handelsblatt letztes Jahr berichtete:
- „In der Krise zeigt sich Führungsstärke, heißt eine alte Managementregel. Gemessen daran kann die Elite der deutschen Wirtschaft und Politik mit ihrer Leistung im Corona-Jahr 2020 nicht zufrieden sein. Deutschland ist im internationalen „Elite Quality Index“ der Hochschule St. Gallen (HSG) vom dritten auf den 15. Platz abgestürzt. Sieger ist wie im Vorjahr Singapur, gefolgt von der Schweiz und Großbritannien.“ – bto: Großbritannien? Gerade die Briten werden doch bei uns so heftig kritisiert. Unvergessen, wie Heiko Maas sich über Boris Johnson und alle anderen Oxford-Absolventen lustig machte.
- „Gemessen haben die Forscher in St. Gallen anhand von 107 Indikatoren, ob die Führungseliten mehr Wohlstand geschaffen oder ihren Ländern mehr Wohlstand entzogen haben. Untersucht wurden insgesamt 151 Nationen.“ – bto: Über den Beitrag der deutschen politischen Elite mache ich mir keine Illusionen.
- Und zum BioNTech-Erfolg: „Die deutsche Regierung habe zwar frühzeitig die Entwicklung des Corona-Vakzins gefördert, und die Pharmaforscher hätten einen hervorragenden Job gemacht. ‘Aber die Führungskräfte waren nicht in der Lage, den Impfstoff in großen Mengen selbst herzustellen und zu verteilen‘, kritisiert Casas. Biontech war dazu auf eine Kooperation mit dem US-Pharmariesen Pfizer angewiesen. Ein ähnliches strategisches Unvermögen der deutschen Eliten sei auch bei der Digitalisierung zu beobachten.“ – bto: Ich finde es beim Impfstoff nicht so kritisch, da wir bereits seit Jahren einen Niedergang der hiesigen Pharmaindustrie beobachten. Zum Teil ist dieser auch politisch gewollt, durch die Tabuisierung bestimmter Verfahren.
- „Casas führt das Manko weniger auf kulturelle Gründe zurück, sondern macht für die Führungsschwächen die schwerfällige Organisation deutscher Unternehmen und fehlendes Unternehmertum verantwortlich. ‘In den USA verdankt die Mehrzahl der Milliardäre ihren Reichtum der eigenen Arbeit. In Deutschland wird ein großer Teil des Wohlstands vererbt.‘“ – bto: Daraus abzulesen, wir hätten zu viele Erben, ist übrigens falsch. Wir haben zu wenig Self-Made-Milliardäre, was auch daran liegt, dass die mit Potenzial lieber auswandern.
- „Im vergangenen Jahr lag Deutschland noch an der Spitze aller EU-Länder. Diesmal haben sowohl die Niederlande als auch die skandinavischen Länder die Nase vorn. Selbst Estland liegt drei Plätze vor den deutschen Spitzenkräften.“ – bto: Die skandinavischen Länder verwundern mich nicht.
2021 hat die deutsche Elite im Ranking etwas Boden gut gemacht, aber überzeugt immer noch nicht:
- „‘Die deutsche Elite hat Höhenangst‘, sagt der HSG-Forscher, ‘sobald es darum geht, in größeren Dimensionen zu denken, fehlen oft Ideen und eine Strategie.‘ Das gelte für die politischen Entscheidungsträger ebenso wie für die Wirtschaftskapitäne.“ – bto: Dass es unserer Politik an Strategie fehlt, kann man wohl sagen.
Quelle: Handelsblatt
- „Das globale Geschäftsmodell, auf dem die Wertschöpfung und damit auch die Legitimation der meisten Eliten beruht, ist durch die Dauerkrisen womöglich dauerhaft beschädigt. Grenzenloser Freihandel, Wandel durch Handel, Effizienz durch internationale Arbeitsteilung – all das funktioniert in Zeiten von Pandemie und Krieg nicht mehr.“ – bto: Hier zeigt sich dann die Resilienz, also die Fähigkeit zur Anpassung.