„Warum Gold im Depot bleiben muss“
Folge 8 meiner regelmäßigen Kolumne zum Thema Geldanlage bei WiWo.de:
Turbulenzen beim Goldpreis hin oder her, das Edelmetall gehört in jedes Portfolio. Denn die Stimmung in der Weltwirtschaft und an den Kapitalmärkten könnte wieder kippen, die Argumente der Gold-Gegner überzeugen nicht.
Es ist leicht, kritische Stimmen gegen Gold zu finden. Es bringt keinen Ertrag, hat wenig industriellen Nutzen und lebt nur von der Bereitschaft vieler Menschen, ihm einen irrationalen Wert beizumessen. Willem Buiter, der angesehene Chefvolkswirt der Citibank, schrieb in einem Report gar, Gold befände sich seit nunmehr 6.000 Jahren in einer Blase. Obwohl der intrinsische Wert bei null liege, hätten die Menschen Gold immer einen Wert gegeben. Dies sei blödsinnig und müsse keinesfalls so bleiben.
Warren Buffet hält ebenfalls wenig von Gold: „Zuerst gräbt man es aus, schmelzt es zu einem Klumpen, versteckt es dann irgendwo und bezahlt Leute, die es bewachen. Dabei ist Gold einfach unnütz. Wenn die Marsmenschen das sähen, sie würden sich am Kopf kratzen.“ Was Buffet vor allem stört, ist, dass Gold nicht produktiv ist. Es dient nur zur Wertaufbewahrung, schafft aber keine Werte. Eine Beobachtung, die sich auch empirisch überprüfen lässt. Kostete eine gute Toga im Römischen Reich ungefähr eine Unze Gold, so bekommt man heute einen guten Anzug dafür. Investitionen in Unternehmen entwickeln sich da in der Regel besser.
Mit aller Macht gegen Gold
Nachdem Gold mehr als zehn Jahre lang bis zum Höchststand 2011 eine sehr gute Performance hingelegt hat, ist es in dieser Woche auf ein Fünfjahrestief gefallen. Wer im Frühjahr 2009 Gold kaufte, sitzt heute – je nach Währung, in der er rechnet – auf einem kleinen Gewinn oder gar Verlust. Mit Aktien hätte man in dieser Zeit sein Geld locker verdoppelt.
Kein Wunder, dass schon seit Monaten immer kritischere Stimmen in den Medien auftauchen. Wie zum Beispiel im Economist, der schon Anfang Mai zu der Aussage kam, Gold gehörte „beerdigt“. Nach dem starken Kurseinbruch zu Beginn der Woche waren sogleich die Auguren zur Stelle, die erläuterten, weshalb Gold ohnehin nur fallen könne. Die gängigen Versuche, den Goldpreisrückgang zu erklären, sind allerdings nicht immer überzeugend:
- Die US-Fed würde die Zinsen demnächst anheben, weshalb der Dollar noch stärker werden würde. Beides spricht gegen Gold. Zum einen, weil das Edelmetall in anderen Währungen – wie dem Euro – teurer würde und zum anderen, weil mit höheren Zinsen die Opportunitätskosten steigen. Der Wechselkurseffekt ist sicherlich zutreffend, unterstreicht aber auch, dass aus Sicht eines Euroinvestors die Performance von Gold gar nicht so schlecht gewesen ist. Der Zinspunkt ist eigentlich lächerlich. Geht doch niemand ernsthaft davon aus, dass die Zinsen sich normalisieren. Wenn überhaupt kommt es zu einer Erhöhung in homöopathischen Dosen. Damit bleiben die Opportunitätskosten gering.
- Weit und breit gibt es keine Anzeichen von Inflation. Deshalb gibt es auch keinen Grund, Gold zu kaufen. Die „Papiermärkte“ wären deshalb auch viel attraktiver. Also Anleihen und Aktien. Diese Argumentation ist im zweiten Teil tautologisch und im ersten Teil richtig. Problem ist nur, dass man Gold nicht kauft, wenn Inflation da ist, sondern um sich gegen unerwartete Inflation zu schützen. Obwohl die Menge an Notenbankgeld in den USA um 265 Prozent seit dem Jahr 2000 gestiegen ist, kam es zu keiner Inflation im eigentlichen Sinne. Angesichts der internationalen Überkapazitäten und dem immer noch großen Arbeitskräfteangebot ist auch keine (Hyper-)Inflation absehbar. Die Gefahr ist aber nicht gebannt. Die Versuchung, das Schuldenproblem mit „Monetarisierung“ durch die Notenbanken zu lösen dürfte immer stärker werden.
- China hat viel weniger Gold als erwartet. Letzte Woche meldete China einen deutlichen Zuwachs der Goldbestände auf nun 1.658 Tonnen. Obwohl damit die Goldvorräte seit 2009 um 60 Prozent gestiegen sind, sind sie immer noch ein verschwindender Anteil der rund 3,7 Billionen US-Dollar an Währungsreserven – und viel weniger als von Beobachtern erwartet. Was bei dieser Argumentation erstaunt: Wieso sollten die Zahlen aktuell mehr der Wirklichkeit entsprechen, als die Zahlen von der letzten Woche? China hat großes Interesse daran, kostengünstig Gold zu erwerben. Weshalb also sollte man durch zu offensichtliche Käufe den Preis nach oben treiben? Wie viel Gold China heute besitzt, wissen wir genauso wenig wie vor zwei Wochen. Nur die offizielle Zahl dürfte näher an die Wahrheit gerutscht sein.
- Geringe Nachfrage nach physischem Gold, vor allem in den klassischen Märkten Indien und China. In China liegt es wohl auch an den dortigen Turbulenzen im Aktienmarkt. Wenn verschuldete Aktionäre Liquidität beschaffen müssen, erhöht dies den Druck auf den Goldpreis. In Indien mag der Rückgang der Inflation eine Rolle spielen. Beide Faktoren dürften aber nur eine temporäre Nachfragedämpfung in diesen Ländern mit sich bringen. Traditionell ist das Vertrauen in die staatliche Geldwirtschaft in diesen Ländern gering.
- Generell sind Rohstoffe bei Investoren nicht en vogue. Weil auch andere Rohstoffe fallen, wäre Gold eben einer von vielen. Dabei spielt es für die Kommentatoren keine Rolle, dass Gold und teilweise Silber immer auch eine monetäre Funktion gehabt haben. Wie das Zitat von Buiter zu Beginn meines Kommentars beweist, ist Gold eben in einer „6.000 Jahre dauernden Bubble“ und es wäre sehr überraschend, sollte die gerade jetzt platzen.
Gemäß dem Modell der Deutschen Bank, die anhand von Indikatoren wie Öl- und Kupferpreis, Aktienmarktentwicklungen und dem BIP pro Kopf den Goldpreis erklärt, befindet sich der wahre Wert von Gold bei 750 US-Dollar. Michael Lewis, Rohstoffchef der Bank, bringt es einfach auf den Punkt: Höhere Zinsen, stärkerer US-Dollar und steigende Aktienbewertungen sprechen alle gegen Gold. Immerhin erklärt das Modell den Goldpreis seit 1970.
Ausgeprägte Spekulation
Ich bin bei solchen Modellen immer skeptisch. Eine Korrelation ist noch keine Kausalität, und dass eine solche über 40 Jahre bestanden hat, ist keine Garantie dafür, dass sie sich fortsetzt. Beispiel: Die Preise für Kupfer und Öl sind Indikatoren für die Stärke des weltweiten Wirtschaftswachstums und die Inflation. Fallende Preise signalisieren nun eine Konjunkturabkühlung in China und der Welt und eben geringere Inflation. So gesehen erst mal Argumente gegen Gold.
Wenn man tiefer schaut, muss man feststellen, dass unsere heutige wirtschaftliche Situation eine fundamental andere ist, als sie es in den letzten 40 Jahren war. Wir haben einen durch Überschuldung und Fehlinvestitionen bedingten deflationären Druck in der Realwirtschaft. Diesem steht dank der Geldpolitik der Notenbanken ein ebenso massiver inflationärer Druck bei den Vermögenswerten entgegen. Bis jetzt halten sich beide Entwicklungen die Waage, es ist aber unmöglich, dass sich Finanz- und Realwirtschaft in der Welt ewig auseinanderentwickeln.
Platzt die Bewertungsblase an den Finanzmärkten, wäre die nächste Rezession von deutlicher, weltweiter Deflation begleitet, mit einer entsprechenden Welle an Pleiten und Zahlungseinstellungen. Griechenland wäre dagegen nur ein laues Lüftchen. Ein Szenario, in dem man sicherlich gerne etwas Gold besitzt, welches zwar keinen Ertrag verspricht, aber keinem Kontrahentenrisiko unterliegt.
Im umgekehrten Fall gelingt es den Notenbanken, die Vermögenspreisinflation zu einer breiten Inflation in der Realwirtschaft zu machen. In diesem Fall wären erhebliche Inflationsraten die Folge. Auch ein Szenario, in dem Gold zu haben besser ist, als keines zu haben.
Gold ist nur dann nicht attraktiv, wenn alles bleibt, wie es ist. Schwaches Wachstum, keine Inflation, hohe Risikobereitschaft in den „Papiermärkten“. Möglich, aber unwahrscheinlich aus meiner Sicht. Zu groß sind die Gefahren eines Unfalls. Man blicke nur nach China.
In guten und in schlechten Zeiten
Solange die Phase der relativen Stabilität – nicht zu kalt, nicht zu heiß – andauert, bleibt Gold unter Druck. Man muss kein Verschwörungstheoretiker sein, um anzunehmen, dass ein tiefer Goldpreis für viele Akteure attraktiv ist: Die hiesigen Notenbanken können auf den Goldpreis als Beleg für ihre gute Arbeit verweisen. China kann – wie viele erwarten – weiterhin günstig zukaufen. Die Anlageberater der Banken können die Kunden bewegen, das Geld wieder (für die Bank profitabler) anzulegen.
Spekulanten können in einer auch markttechnisch angeschlagenen Lage schöne Gewinne einstreichen, indem sie zu ungewöhnlichen Zeiten ungewöhnliche Mengen auf ungewöhnliche Weise verkaufen. Nichts anderes passierte diese Woche. Kurz nach Handelseröffnung wurden in New York 7.600 Kontrakte über insgesamt 24 Tonnen Gold verkauft und in Schanghai zeitgleich weitere 33 Tonnen. Niemand, der 57 Tonnen Gold zu einem guten Preis verkaufen will, macht es so. Dabei wurde nur Papiergold gehandelt, ob die anonymen Verkäufer überhaupt Gold besitzen, ist höchst fraglich. Das Ziel der Aktion war klar. Durch eine Manipulation des Preises automatische Verkaufsorders auszulösen und später bei deutlich tieferen Goldpreisen die Position zu schließen.
Wo wird der Goldpreis in sechs Monaten stehen? Ich weiß es nicht. Auch nicht, wo er in fünf Jahren stehen wird. Ich weiß aber, dass Gold in einem balancierten Portfolio einen festen Platz hat. Den hat es in guten, wie in schlechten Zeiten, da das Timing von Märkten, wie hier ausführlich besprochen, nur selten klappt.
→ WiWo.de: „Warum Gold im Depot bleiben muss“, 23. Juli 2015