Trump ist Folge der Eiszeit

Normalerweise bereite ich meine Beiträge einige Tage im Voraus vor. Heute ging das nicht. Angesichts der Wahlen in den USA und dem unsicheren Ausgang musste auch ich abwarten. Deshalb meine Sicht in 10 Punkten:

  1. Die Wahl von Trump passt in die Eiszeit. Wie schon der Brexit ist sie die Folge der verschleppten Finanz- und Wirtschaftskrise, der zunehmenden Ungleichheit und des Versagens der etablierten Parteien.
  2. Das Erstaunen der hiesigen Politiker – ich habe mir etwas das Geschwafel unserer Politiker im Fernsehen angesehen – zeigt vor allem, dass sie noch nicht verstanden haben, welche Zeitenwende wir gerade erleben.
  3. Die nächsten Dominos, die fallen könnten, sind Italien (Referendum) und Frankreich (Le Pen).
  4. Damit kommt unsere Depression in Zeitlupe in die nächste, heißere Phase.
  5. In dieser Phase werden die Probleme natürlich auch nicht gelöst, sondern weiter verschärft. Protektionismus, neue Eurokrise und weniger Kooperationsbereitschaft sind nicht die Ursache der nächsten Krise, verstärken sie aber.
  6. Die Politiker der westlichen Welt haben in den letzten sieben Jahren die Krise nicht gelöst, sondern sich darauf verlassen, dass die Notenbanken sie retten. Sie haben auf Zeit gespielt und auf ein Wunder gehofft. Erstere läuft aus und Zweites will nicht passieren.
  7. Ein Präsident Trump mit einem republikanischen Kongress (und auch Senat) könnte für die USA ein Game Changer sein. Mit radikalen Maßnahmen – Stichwort Helikopter-Geld – könnte er die USA aus der Krise führen.
  8. Das ginge aber zulasten der anderen Regionen, nicht nur Chinas, sondern vor allem auch Europas  sichtbar schon an der Abschwächung des Dollars in der ersten Reaktion.
  9. Die Eurozone wird das in der heutigen Form nicht überleben.
  10. Erst, wenn die Ursachen der Eiszeit bereinigt (Überschuldung), akzeptiert (Demografie) und gezielt gemindert (bessere Produktivität) wurden, ist die Krise in Zeitlupe vorbei.

Mehr im Laufe der Woche.

Einen guten Kommentar habe ich heute noch im Feuilleton der F.A.Z. gefunden. Darin wird über die ARD-Wahlnacht berichtet:

  • So saßen im Publikum in Köln nur Anhänger Frau Clintons. (…) Damit entsprach die Zusammensetzung weitgehend der Stimmung, die in unseren Medien schon seit Beginn dieses Wahlkampfes herrschte. Er wurde vor allem aus der Perspektive des Clinton-Lagers betrachtet. Man teilte weitgehend dessen Weltbild, womit man aber die tektonischen Verschiebungen in der amerikanischen Innenpolitik nicht verstand.” bto: Und das tut man noch immer nicht.
  • Fassungslosigkeit, Entsetzen, bisweilen eine Spur Verachtung für die Wähler Trumps. White Trash, so nennt man sie tatsächlich, was wohl heute niemand mehr über rassische Minoritäten in den Vereinigten Staaten zu sagen wagte. Feldenkirchen benannte dabei das Problem der amerikanischen Politik ziemlich genau: Ihre Unfähigkeit zum Dialog. Allerdings kam niemand auf die Idee, ob diese Dialogunfähigkeit wirklich nur etwas mit Donald Trump zu tun. Oder nicht doch auch etwas mit der eigenen Arroganz.” bto: BRILLANT
  • So war dieser Wahlabend in der ARD durchaus aufschlussreich. Es war viel von der Spaltung der amerikanischen Gesellschaft die Rede. (…) Was dort ebenfalls zu erleben war, betrifft ein grundsätzliches Problem. Was nämlich passieren kann, wenn der Zugang zu einem dieser Lager verloren geht. Schließlich ist man sich einig, worauf Donald Trump seinen Wahlsieg aufgebaut hat. Der Lüge in einem angeblich postfaktischen Zeitalter. So erspart man sich, eine mittlerweile fast schon ketzerisch anmutende Frage zu stellen. Ob es nicht tatsächlich gute Gründe für den Wahlsieg von Donald Trump gibt.” bto: Und genau diese gibt es!

→ F.A.Z.: “Erwartungen fallen in sich zusammen”, 9. November 2016