Strom sparen – aber wie ?

Ein Beitrag des bto-Kommentators und gelegentlichen Gastautors Bauer:

Strom sparen bedeutet Energie sparen, denn wenn der Energiebedarf nur auf andere Energieträger verschoben wird, ist nichts gewonnen. Es gilt aber nebenbei unverändert der lineare Zusammenhang zwischen Energieverbrauch und Lebensstandard (gemessen als BIP pro Kopf). Im Rückwärtsschluss heißt dies, dass eine Energieeinsparung um z. B. 20 Prozent den deutschen Lebensstandard auf das Niveau von Kroatien oder der Slowakei zurückwerfen würde. Das wäre weder wünschenswert noch verträglich.

Ausgehend von der Überlegung, dass es nicht in erster Linie die Strommenge ist, die fehlt, sondern dass es die Bedarfsspitzen sind, die die Zwangslage negativ dominieren, sei hier ein Vorschlag unterbreitet, die Bedarfsspitzen nachhaltig abzubauen. Die dazu bisher ins Auge gefasste sektorielle Abschaltung mag im Haushaltsbereich gerade noch hinnehmbar sein, würde jedoch die Versorgung von Gewerbe und Industrie empfindlich stören und den Kern unserer Wirtschaft im Mark treffen.

Um dieses Verfahren auch dem Laien verständlich zu machen, sei die Wirkungsweise an einem konkreten Beispiel vereinfacht beschrieben und erörtert. Ich verwende dazu die Vergangenheit meines Hauses während der letzten 33 Jahre, da mir dazu vollständige und belegbare Zahlen vorliegen.

1989 habe ich ein altes Bauernhaus in Südfrankreich erworben, um es nach meinen Vorstellungen vorsichtig zu renovieren und auszubauen. Dabei musste auch die unsichere Elektroinstallation völlig erneuert werden, was ich selbst plante und durchführte. Das Haus steht fernab des Dorfweges allein auf der Flur. Bei der Elektrifizierung in den 30er-Jahren hatte die EDF nicht gespart und dem Haus ein 4-adriges Erdkabel beschert. Der Anschlusswert war auf 16 A begrenzt, obwohl das Kabel gut wäre für mehr. Dann wäre jedoch wegen der Kabellänge der Spannungsverlust zu groß für eine sichere Versorgung.  Das war mein Fixpunkt und ist es auch heute noch.

Meine Planung sah jedoch ein von der Fußbodenheizung bis zur Klimaanlage voll elektrifiziertes Haus vor, was bei den französischen Strompreisen damals erste Wahl war und auch heute noch überlegen ist. Das Problem wurde gelöst durch den Einbau eines Lastabwurfschalters, den ich mir damals noch in Deutschland besorgen musste.

Für seine Installation war es schon in der Planung nötig, sämtliche Stromkreise der Hausinstallation gleichmäßig auf die drei Drehstromphasen zu verteilen bzw. zu gruppieren. Ich bildete drei Gruppen. Diese werden vom Abwurfschalter nach Vorwahl priorisiert und so zu- oder abgeschaltet, dass die bestellte Leistung von 16 A (x 380 V) nicht länger als 15 Minuten je Abrechnungszeitraum (Monat) überschritten wird. Diese Zeittoleranz ist notwendig, da der Lastbegrenzer des EVU und der Abwurfschalter unterschiedliche Messintervalle haben und kurzzeitige Unterbrechungen zu vermeiden sind. Nach einigen Feinjustierungen läuft das System nun seit über dreißig Jahren beanstandungsfrei.

Damit habe ich schon längst privatim das getan, was jetzt in großem Stil auf Netzebene als Ausweg diskutiert wird, nämlich die sektoral zeitlich befristete Abschaltung von Verbrauchergruppen. Ich habe seinerzeit keinen grünen Gedanken verschwendet, die Begrenzung meines Hauptkabels trieb mich dazu. Ich habe jedoch jetzt den Vorteil, selbst die Prioritäten mit Knopfdruck beliebig ändern zu können. Ich kann mich nicht einmal mehr erinnern, wann dies das letzte Mal der Fall war. Es funktioniert ganz einfach und ich habe Strom, wann und wie viel ich brauche ohne Einschränkungen.

So weit die technische Seite. Zur Abrechnungssystematik der EVU sollte man wissen, dass der Strompreis sich aus zwei Komponenten zusammensetzt (außer in den einfachsten Fällen der Haushaltsversorgung), nämlich der Bereitstellungsgebühr und dem Arbeitspreis. Erstere ist, wie schon der Name sagt, ein fixer Preis für die Bereitstellung einer vertraglichen Leistung, in meinem Fall 16 A um 20.26 €/Monat. Der Arbeitspreis ist der reine kWh-Preis nach HT (Hochtarif, für mich 0.116 €/kWh) und NT (Niedertarif während 8 h/24 h, für mich 0.079 €/kWh). Alle Preise gelten zuzüglich MwSt.

Und jetzt kommt das Sahnehäubchen und deutsche Leser sollten sich besser erst hinsetzen: Mein Gesamtverbrauch von jährlich rund 28’000 kWh setzt sich zusammen aus nur 13 Prozent HT-Strom und 87 Prozent NT-Strom, obwohl dieser nur während eines Drittels der Zeit zur Verfügung steht. Der Mittelpreis errechnet sich damit zu 0.0837 €/kWh. Wie das? Nun, der Lastabwurfschalter verschiebt ganz ohne mein Zutun und nebenbei die Lasten in den NT-Bereich. Er macht sich damit schneller bezahlt als ein Polizeiradar und das seit über 30 Jahren. Im Übrigen wird mein Strom zu über 80 Prozent mit Kernkraft erzeugt und mein Liefervertrag hat daher Festpreise auf zwei Jahre.

Im Lauf der Zeit konnte ich die Lastgrenze von 16 auf 14 A zurückregeln, da die Beleuchtung größtenteils von Halogen auf LED umgestellt wurde, die stromfressenden Röhrenfernseher verschwanden und bei den Haushaltsgeräten bin ich auch zwei Generationen weiter bei Eco-Modellen. Ich könnte wahrscheinlich meinen Abwurfschalter noch weiter zurückregeln. Da aber die Basisgebühr in Tarifstufen festgesetzt ist und ich vermutlich die nächst niedrige Stufe nicht erreichen könnte, lasse ich vorläufig alles, wie es ist. Bei einer Neuinstallation würde dies jedoch zu Buche schlagen.

Was lässt sich daraus machen? Sehr viel, denn ich habe die Erfahrung gemacht, dass diese Optimierung sehr vielen KMU Hekuba ist oder aus Skepsis nicht realisiert wird. Gerade dort liegen jedoch ungehobene Reserven, um Belastungsspitzen elegant zu kappen, bevor sie das Netz erreichen. Für die Haushalte am unteren Ende ist bei Abwägung der Umbaukosten nicht viel zu erreichen, und die großen und ganz großen Stromkunden arbeiten ohnehin schon eng mit den EVU zusammen, um ihre Existenz zu retten und den Blackout zu vermeiden.

Der einzuschlagende Weg ist relativ einfach, erfüllt alle wirtschaftstheoretischen Prämissen und lässt sich abnehmerseitig dezentral und schrittweise realisieren. Er ist geeignet, um pauschale Abschaltungen zu vermeiden oder mindestens weiter in die Zukunft zu verschieben. Die EVU sollten ihre unvermeidlichen Preiserhöhungen in die Bereitstellungsgebühren packen und den Arbeitspreis schonen. Damit entsteht gewaltiger Druck, die zu zahlenden Bereitstellungsgebühren zu minimieren, d. h. die eigenen E-Installationen kritisch zu prüfen und kreativ gemäß dem gezeigten Modell auf Vordermann zu bringen und damit disruptive Abschaltungen unnötig zu machen.

Die EVU haben mehr als genug Betriebsdaten ihrer Kunden, um Kosten-/Nutzenrechnungen für typische Fälle auszuarbeiten und danach ihr Tarifgefüge neu zu kalkulieren. Es ist auch unerlässlich, dieses frühzeitig zu kommunizieren, denn betriebliche Umstellungen brauchen Vorlauf und Planungssicherheit. Die Liefermöglichkeit der Geräte sowie die erforderliche Facharbeit werden überdies zeitliche Grenzen setzen. Aber wenn in zwei oder drei Jahren auch nur zehn Prozent der Lastspitzen bereits auf Betriebsebene gekappt und damit vom Netz ferngehalten würden, könnten vermutlich bis zu sechs alte Kohleöfen vom Netz genommen werden.

PS: eine Pointe zum Schluss. Der deutsche Hersteller hat seit Längerem die Produktion des von mir verwendeten Geräts (vielleicht mangels Nachfrage?) eingestellt und verweist auf https://eberle-cable.ru 

Dort kann man jetzt womöglich auf Russisch bestellen.

Im Juli 2022