STELTERS MAILBOX: Drücken Sie sich um eine Bilanz Ihrer Prognosen?

„Sehr geehrter Herr Stelter,

früher haben Sie Bilanz Ihrer Jahresprognosen gezogen. Diesmal waren Sie wohl so schlecht, dass Sie sich nicht trauen – oder?

Mit freundlichen Grüßen“

Klares Feedback kann man da nur sagen (im Original war die Mail noch hämischer). Nein, ich will mich nicht drücken. Meine Prognosen, von denen ich immer betont habe, dass sie nur den Zufall durch den Irrtum ersetzen, erschienen bisher bei der WirtschaftsWoche. Die Zusammenarbeit ist bekanntlich im letzten Jahr etwas abrupt und bedauerlich geendet, weil meine Kolumne zunächst ohne Ankündigung nicht veröffentlicht wurde und erst auf mein Nachfragen hin als inhaltlich nicht akzeptabel abgelehnt wurde.

Hier die strittige Kolumne, die dann nur bei bto erschien:

→ Raus aus Deutschland

Er ist übrigens der zweitmeistgelesene Beitrag auf bto mit immerhin 178 Kommentaren. Dies ist kein Zeichen für Qualität, zeigt aber zumindest, dass das Thema einen Nerv getroffen hat.

Hätte ich noch bei der WiWo publiziert, wären Rückblick und Ausblick dort natürlich erschienen. Da das nicht der Fall ist, also heute die Bilanz. Ich drücke mich nicht, sehe ich doch Prognosen auf die kurze Frist ohnehin als wenig sinnvoll an.

Ausgangslage 2019

Jede Prognose wird naturgemäß unter dem Eindruck des angelaufenen Jahres gemacht. Deshalb zur Erinnerung: „2018 war es fast unmöglich, eine Anlageform zu finden, die einen positiven Ertrag erbracht hat. Über 90 Prozent der möglichen Geldanlagen, die die Deutsche Bank in ihrer jährlichen Studie über den langfristigen Ertrag verschiedener Vermögensklassen analysiert, haben 2018 zu Verlusten geführt. Das schlechteste je gemessene Ergebnis seit dem Jahr 1901. Das bis dato schlechteste Jahr war 1920 mit 84 Prozent. Nicht mal während der Großen Depression, der Weltkriege und der Finanzkrise war es an den Finanzmärkten so schwer, Geld zu verdienen wie in diesem Jahr.“ So meine Zusammenfassung vor einem Jahr.

Die zu der offensichtlich falschen Einschätzung führte: „Offensichtlich haben wir 2018 eine Trendwende erlebt. Der von den Notenbanken inszenierte und finanzierte künstliche Aufschwung an den Finanzmärkten und (deutlich schwächer!) in der Realwirtschaft nähert sich dem unvermeidlichen Ende. Ein Ende, welches schmerzhaft offenlegen wird, dass keine der Ursachen von Finanz- und Eurokrise bereinigt wurde. Im Gegenteil sind die Probleme heute noch größer als vor 10 Jahren. 2019 dürfte uns diesem Ende einen großen Schritt näherbringen.“ Eine Aussage, die, wenn man auf die Börsen blickt, offensichtlich nicht zutrifft.

Die Notenbanken haben auch alles dafür getan, dass es gut verläuft. Beginnend mit den zwei Wenden der Fed (vor einem Jahr Abkehr von der Zinserhöhung, im letzten Herbst QE 4, wenn auch unter anderem Namen) und der Wiederaufnahme der Wertpapierkäufe durch die EZB als eine der letzten Amtshandlungen von Mario Draghi. Hätte man eigentlich wissen können.

Die Thesen im Einzelnen

Doch nun zu den Thesen im Einzelnen. (Nachzulesen im Original hier:→ Meine Top-Thesen für 2019)

  1. Der Handelskrieg verlagert sich auf Europa: Meine Erwartung, dass der Handelskrieg des Donald Trump sich in diesem Jahr auch auf Europa verlagern würde, war (glücklicherweise!) falsch. Damit null Punkte.
  2. Chinas Wirtschaftswachstum fällt weiter: Diese Erwartung traf zu. Ebenso die Erwartung, dass China nicht in eine Krise stürzt, der Umbau der Wirtschaft aber eine schwere Aufgabe bleibt. Kein Wunder, dass die Politik zum Jahresende die Geldschleusen doch wieder mehr geöffnet hat. China war damit wie erwartet nicht die Zugmaschine für die Weltwirtschaft, was sich auch an der Konjunkturentwicklung in Deutschland zeigt. Ein Punkt.
  3. USA und Europa fallen in die Rezession: Offensichtlich falsch. Deutschland ist als schwächstes Land der EU knapp an einer offiziellen Rezession vorbeigeschrammt aber andere Länder wie Frankreich tragen das Wachstum. Auch in den USA hält sich die Wirtschaft besser als gedacht. Null Punkte.
  4. Die Deflation kehrt zurück:  Deflation haben wir zwar noch nicht gesehen. Aber die Erwartung, dass die Inflationsängste an den Märkten verschwinden und die Notenbanken statt Zinserhöhungen auf weitere geldpolitische Maßnahmen zur Rettung von Weltwirtschaft und Finanzmärkten umstellen, war so falsch nicht. Ich würde mir da einen Punkt geben.
  5. Krise bei Unternehmensanleihen: Eindeutig null Punkte. Dazu kam es nicht. Ich denke aber, mit Blick auf die enorm gestiegene Verschuldung der Unternehmen vor allem in den USA, ist die Gefahr nicht gebannt. Klarer Fall von Timingproblem also. Zur Erinnerung: Seit 2009 ist das Volumen an BBB Bonds in den USA um fast 230 Prozent auf nunmehr 2500 Milliarden US-Dollar angewachsen. Gut 1000 der 2500-Milliarden-Dollar-Anleihen, die noch mit BBB geratet sind, haben einen Verschuldungsgrad auf Junkbond-Niveau, müssten also eigentlich ihr Rating verlieren. Noch können Unternehmen und Ratingagenturen die Illusion aufrechterhalten, alles sei bestens. Kommt es zu einer Welle an Herabstufungen, drohen massive Kursverluste im Anleihebereich. GE war in diesem Jahr das auch von mir diskutierte Beispiel.
  6. Die US-Börse fällt weiter: Völlig falsch. Null Punkte. Der Grund liegt auf der Hand, die Öffnung der Geldschleusen und die Aktienrückkäufe. Hätte man vermutlich sehen können. Habe ich aber nicht. (Zu meiner Ehrenrettung merke ich an, dass meine positive Sicht auf Russland und UK, die ich in anderen Beiträgen geäußert habe, nicht so falsch war.)
  7. Der Dollar fällt: Ebenfalls falsch. Der US-Dollar hat sich – zur Überraschung nicht nur von mir – deutlich besser gehalten und gegenüber den meisten Währungen weiter hinzugewonnen. Null Punkte.
  8. Gold hingegen steht vor einem (relativ) guten Jahr: Richtig. Gold hat von weiter sinkenden Zinsen und dem dumpfen Gefühl, dass was nicht gut läuft, profitiert. Ein Punkt.
  9. Cash als bestes Investment: Falsch. 100 Prozent Aktien, am besten noch auf die FANGS konzentriert, wäre richtig gewesen. Ebenso griechische Aktien und Bonds. Null Punkte.
  10. Die CDU verliert weiter: Richtig, wenngleich es bei der Europawahl noch glimpflich ausging. Richtig war auch die Erwartung, dass Manfred Weber nicht Kommissionspräsident wird (aber das war ja eine einfache Vorhersage!). Ein Punkt.

Trübe Bilanz: Nachdem ich im Jahr zuvor mehr als 50 Prozent richtig lag, war das Ergebnis für 2019 eher bescheiden: 40 Prozent Treffer. Besonders schmerzlich (aus dem Blickwinkel des Prognostikers!) war die außerordentlich gute Entwicklung an den Börsen und die anhaltende Stärke des Dollars.

Spielt es überhaupt eine Rolle?

Alle Arten von Prognosen für die Entwicklung von Wirtschaft und Kapitalmärkten auf die Sicht von zwölf Monaten sind pures Glückspiel. Wie schon der vielzitierte John Maynard Keynes wusste: Die Börsen können länger falsch liegen, als man Geld hat, gegen sie zu wetten. Deshalb freue auch ich mich über die gute Entwicklung an den Börsen des letzten Jahres, weil sie sich auch in meinem Portfolio niedergeschlagen hat.

Zur Erinnerung: Trotz aller Sorgen um die Stabilität des Finanzsystems, die Zukunft des Euro und der Weltwirtschaft bleibe ich bei meiner sehr einfachen, möglichst kostengünstigen Allokation auf:

  • Aktien – global verteilt, idealerweise nach BIP.
  • Immobilien – idealerweise auch regional diversifiziert, dies geht u. a. über REITS und Immobilienaktien.
  • Gold – und auch Goldminen.
  • Liquidität/Anleihen – zum Parken von Liquidität zur Sicherung vor Bankenkrisen.

Daraus ergibt sich automatisch auch eine währungsmäßige Diversifikation aus dem Euro.

Ich erinnere auch daran, dass es mit dem Timing an den Börsen so eine Sache ist. Selbst wenn man Dinge richtig einschätzt, kann man viel zu früh dran sein. Deshalb lohnt es nicht, zu früh auf bestimmte Entwicklungen zu setzen.

Dennoch macht es Sinn, sich über die Entwicklung des kommenden Jahres Gedanken zu machen. Nimmt man die Übung ernst und sieht sie nicht nur als ein Marketinginstrument, schärft es den Blick auf die Märkte. Wenn man dann noch akzeptiert, dass es meist nur eine Verschiebung einer Entwicklung auf der Zeitschiene ist, nicht unbedingt eine falsche Sicht, kann man durchaus Nutzen für die eigene Portfolioallokation ziehen.

Meine Thesen für 2020

Deshalb habe ich mich entschlossen – in vollem Bewusstsein in einem Jahr erneut hämische Mails zu bekommen – meine Erwartungen – nicht Prognosen! – für 2020 zusammenzufassen. Nicht zu verwechseln mit meinen Thesen zur wirtschaftlichen Entwicklung im kommenden Jahrzehnt. Diese sind Gegenstand der kommenden Folge meines Podcasts am nächsten Sonntag!

Hier also Stelters Thesen für 2020:

  1. Börsen enttäuschen: Ja, ich klinge wie eine Schallplatte mit einem Sprung. Ich denke aber, nach einem Jahr wie 2019, in dem die Börsen – namentlich die Wall Street – faktisch ausschließlich von der billigen Liquidität und Aktienrückkäufen getragen wurde und die Gewinne der Unternehmen stagnierten/rückläufig waren (je nach Quelle), ist es schwer, nochmals eine Schippe drauf zu legen. Ausschließen will ich einen Melt-up-Boom nicht. Ich würde ihn aber zur Reduktion von Positionen nutzen und denke, am Jahresende werden wir auf ein turbulentes Jahr zurückblicken ohne nennenswerte Gewinne. Einen Crash an der Wall Street halte ich durchaus für möglich. Der Stress am Repo-Markt ist ein ernsthaftes Warnsignal, dass etwas faul ist. Japan und Europa sollten relativ (!!) besser abschneiden.
  2. Wirtschaft stabilisiert sich: Die Kehrtwende der Notenbanken, die (temporäre) Ruhe im Handelskrieg, die lockere Fiskalpolitik und der Wahlkampf in den USA sind positive Rahmenbedingungen für eine robuste, wenn auch nicht beeindruckende Konjunkturentwicklung. Auch in Deutschland stabilisiert sich die Lage. Das heißt, wir schrammen an einer Rezession vorbei – aber nur dann, wenn das Crash-Szenario ausbleibt.
  3. Die Inflation bleibt niedrig: Wie schon in der Vergangenheit, wird die Inflation enttäuschen. Gemeint ist dabei die offizielle Konsumenteninflation. In einzelnen Bereichen werden wir vor allem staatlich ausgelöste Preissteigerungen erleben (CO2 etc.) und auch in einzelnen Vermögensmärkten werden die Preise weiter steigen. In Summe bleiben wir aber in einem Umfeld, das den Notenbanken die offizielle Begründung liefert, auf dem Gaspedal zu bleiben.
  4. Der Dollar wird schwächer: Vorletztes Jahr habe ich richtigerweise eine Stärke des Dollars erwartet, letztes Jahr zu Unrecht eine Schwäche. Ich bleibe bei meiner Meinung, dass der Dollar 2020 schwächer wird, vor allem getrieben von der Tatsache, dass die Fed eben doch nicht aus der Politik des billigen Geldes aussteigen kann. Diese Schwäche des Dollars trägt übrigens zu einer Stabilisierung der Weltkonjunktur bei.
  5. Gold wieder schwächer: Deshalb dürfte Gold auch in den Bärenmarkt zurückfallen. Trotz gelegentlicher Unruhe und anhaltenden Notenbankkäufen dürfte Gold schwächer notieren. Dies sollte allerdings keinen Investor kümmern, da Gold ja einen Versicherungscharakter im Portfolio hat.
  6. Die Schuldenblase platzt noch nicht: Im letzten Jahr habe ich wie besprochen vor den erheblichen Risiken im Markt für Unternehmensanleihen gewarnt und eine Krise prognostiziert, die nicht kam. Stimmt die Einschätzung, dass wir keine Rezession bekommen und die Fed bei der lockeren Politik – faktisch QE 4 – bleibt, dann dürfte es auch 2020 noch mal gut gehen. Platzt sie – und das ist das Problem mit diesen Prognosen, da sie eine reine Timing-Frage sind – könnte sie Rezession und Börsencrash auslösen.
  7. Die GroKo hält: Da keiner der Akteure einen Nutzen davon hat, die Koalition platzen zu lassen, wird sie uns bis zum Ende der regulären Legislaturperiode erhalten bleiben. Nicht, dass sich daraus was Gutes für das Land ergibt.
  8. Klimaaktionismus boomt: Verglichen mit dem, was Politik und Medien, angetrieben von einer zunehmend marktwirtschaftsfeindlichen Klimabewegung, im kommenden Jahr veranstalten werden, war 2019 nur ein kleines Vorspiel. Der vermutliche Höhepunkt steht uns 2020 bevor. Eine wahre Flut an „Klimanotstandserklärungen“ von Städten (und Bundesländern?) wird folgen, gepaart mit einer Flut an Einzelmaßnahmen, die mehr oder weniger sinnvoll sind und nicht zusammenpassen. Auf EU-Ebene wird es die Agenda der Kommission bestimmen und die Grundlage für den nächsten Schritt legen: die Einbindung der EZB zur Finanzierung des Ganzen. Dies dürfte allerdings noch nicht 2020 passieren.
  9. Donald Trump wird wiedergewählt: Immer, wenn ich Nachrichten in Deutschland über Donald Trump höre, muss ich an die Harvard-Studie denken, die aufgezeigt hat, dass nirgendwo in Europa und den USA so schlecht über Donald Trump berichtet wird, wie bei uns. (→ Nirgends kommt Trump schlechter weg als im deutschen Fernsehen) Das passt in das Bild der Oxford-Studie zur Einseitigkeit der hiesigen Medien. (→ Zur Wirkung der Medien in Deutschland) Deshalb muss man aufpassen, mit der Beurteilung seiner Wahlchancen. Je nachdem, wer demokratischer Kandidat wird, kann es gut sein, dass Trump es nochmals schafft. Bis dann müsste die Börse aber durchhalten. Käme es zu einer deutlichen Korrektur und gar einer Rezession in den USA, wäre für ihn Schluss.
  10. Der Brexit kommt: Ende Januar tritt Großbritannien aus. Ich denke, wir werden ein Jahr mit heftigem Auf und Ab erleben, abhängig von der gerade aktuellen Meldung über den Stand der Verhandlungen zu einem Vertrag zwischen Großbritannien und der EU. Es wird viel Drama und Theater geben – und am Ende einen Deal. Das Pfund wird am Ende höher stehen als heute, allerdings nach einem sehr volatilen Jahr.

Die große Schuldenkrise kommt vielleicht nicht im Jahr 2020. Aber sie wird kommen und vermutlich gerade dann, wenn ich sie nicht erwarte. Denn trotz dieser grundsätzlich guten Aussichten für 2020 dürfen wir nicht vergessen, dass die Weltwirtschaft und das Weltfinanzsystem keineswegs auf einem stabilen Fundament stehen. Im Gegenteil wird das System von billigem Geld und weiter wachsenden Zentralbankbilanzen stabilisiert, während die Schulden immer weiter wachsen, die Zombifizierung zunimmt (wenn auch von vielen Ökonomen bestritten), die Produktivitätsfortschritte enttäuschen und der demografische Wandel, für den niemand vorgesorgt hat, mit voller Wucht zuschlägt. Genießen wir es also, so lange es hält.

Soweit für heute bei STELTERS MAILBOX. Schreiben Sie mir!

Kommentare (28) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. Jürgen Schwichtenberg
    Jürgen Schwichtenberg sagte:

    Ich schätze die Kommentare und Beiträge von Hr.Stelter sehr,da sie fachlich kompetent und mit aufrichtigem Charakter verfasst sind.
    Der Ausblick 2020 erscheint mir tendenziell zu optimistisch,da ich größere Turbulenzen an den Märkten erwarte und Deutschland in der Rezession sehe
    Von einem stabilenFundament kann man weder in der Realwirtschaft noch in der Politk sprechen

    Antworten
  2. Markus Funke
    Markus Funke sagte:

    In Deutschland hatten wir eine Inflation von 1,4%. In Amerika 2,3%. Dazu stark steigende Preise von Vermögenswerten (Aktien, Immobilien, Gold, Bitcoin). Ich denke nicht, dass man für von einer Deflation für 2019 sprechen kann.

    Antworten
  3. Dietmar Tischer
    Dietmar Tischer sagte:

    >meine Erwartungen – nicht Prognosen! – für 2020>

    Das wollen wir einmal festhalten und uns daran erinnern, wenn wieder Häme aufkommen sollte.

    Meine Erwartungen:

    Die Notenbanken werden weiterhin stabilisierend auf die Märkte wirken.

    Die Volatilität könnte steigen, ich erwarte aber keinen Börsencrash.

    Was Trump und China betrifft, ist erst einmal relative Ruhe eingekehrt.

    Erst 2021, nach einer Wiederwahl von Trump, wird das Verhältnis destabilisierend wirken – und dann mehr denn je.

    Dennoch:

    Die Instabilität wird zunehmen, insbesondere wegen des Brexit, aber auch wegen sich innenpolitisch verschärfender Auseinandersetzungen mit Blick auf die Folgen der Energiewende.

    Auch in der EU werden die Konflikte zunehmen, speziell beim Aushandeln des EU-Budgets.

    Die große Unbekannte ist für mich die Entwicklung im Nahen Osten.

    Wenn da die Dinge final aus dem Ruder laufen, ist mit dem nächsten Migrationsdesaster in Europa und an unseren Grenzen zu rechnen.

    Dann wäre ALLES anders.

    Antworten
    • Zweifler
      Zweifler sagte:

      Jetzt warte ich nur noch, bis Friedrich&Weik und Max Otte ihre „Erwartungen“ absagen und Markus Krall ein Buch über weiße Schwäne herausgibt. Dann und nur dann kommt der große Crash.

      Antworten
    • Richard Ott
      Richard Ott sagte:

      @Herr Tischer

      “Die große Unbekannte ist für mich die Entwicklung im Nahen Osten. Wenn da die Dinge final aus dem Ruder laufen, ist mit dem nächsten Migrationsdesaster in Europa und an unseren Grenzen zu rechnen. Dann wäre ALLES anders.”

      Ja, die Entwicklungen dort sind seit dem Attentat auf Soleimani und seinen irakischen Kollegen unkalkulierbar geworden.

      Der Iran ist ungefähr viermal so groß wie der Irak und hat die doppelte Bevölkerung. Grob extrapoliert bedeutet das bei einem Krieg ein entsprechendes Vielfaches der Kosten, der Kriegstoten, der nach Europa kommenden Migranten, des “Wir schaffen das” und des Stimmenzuwachses für die AfD. Das brächte das Sozialsystem und auch das politische System in Deutschland an den Rand des Zusammenbruchs.

      Das US-Verteidigungsministerium hat im Jahr 2002 übrigens schon einmal ein großes Planspiel durchgeführt, in dem ein Krieg gegen den Iran simuliert wurde. Das Ergebnis war verheerend, der Iran schaffte es zu Beginn der Simulation, fast einen ganzen amerikanischen Flugzeugträger-Flottenverband (inklusive Flugzeugträger) und 5 amphibische Landungsschiffe zu versenken, bevor die von US-Seite geplante Invasion des Iran überhaupt beginnen konnte. 20000 amerikanische Tote in kürzester Zeit.
      https://www.youtube.com/watch?v=9IQb4BXOQK0

      Wenn ein Krieg gegen den Iran tatsächlich auch so beginnt, produziert er sofort eine schwere gesellschaftliche und politische Krise in den USA.

      Antworten
      • Dietmar Tischer
        Dietmar Tischer sagte:

        @ Richard Ott

        Obwohl der Nahe Osten „brennt“, sind es durchweg nur die Standard-Themen wie Schuldenblase, Inflation, Gold etc., die Anlass für Prognosen und Erwartungen geben.

        Verstehe ich nicht, zumal bto. kein reiner Ökonomie-Blog ist.

        Es ist m. A. n. die unübersichtliche Mischung von Konfliktpotenzialen, die den Nahen Osten direkt vor unserer Haustür zu einem unkalkulierbaren Pulverfass machen und verheerende Folgen für ganz Europa haben können.

        Was die USA anlangt, glaube ich, dass Trump auf einen Umsturz im Iran aus ist. Das Potenzial scheint angesichts der Unzufriedenheit im Lande doch erheblich zu sein und Wirtschaftssanktionen werden es verstärken. Einen dauerhaften Frieden wird es mit dem Regime jedenfalls nicht geben, es hat sich mit seinen Destabilisierungsmaßnahmen völlig diskreditiert.

        Als viel größeres Risiko für uns und Europa und letztlich auch die globale Stabilität erkenne sehe ich die Türkei an:

        Ein unbefriedetes Land, mehr Flüchtlinge als es allein verkraften kann, eine Wirtschaft in erheblicher Schieflage (Inflationsrate 10%, Arbeitslosenquote 14%, Jugendarbeitslosigkeit 25%) und ein Erdogan, der militärisch überall involviert ist.

        Sollten die Türkei entgleisen, dann haben Sie kaum übertrieben:

        >Das brächte das Sozialsystem und auch das politische System in Deutschland an den Rand des Zusammenbruchs.>

        Weil wir als Bevölkerung nicht auf den Massenansturm vorbereitet sind – noch nicht einmal, WIE wir auf Heerscharen an der Grenze reagieren können und sollten – sowie die Regierung aus verständlichem Grund die Problematik unter der Decke hält, ist in der Öffentlichkeit immer nur die Rede davon, dass uns die Türkei erpresst.

        Man könnte ruhig schlafen, wenn es NUR das wäre.

        Es steht viel mehr auf dem Spiel.

        Frau Merkel weiß genau, warum sie demnächst wieder bei Erdogan auf der Matte steht.

        Ginge es nur um Geld, könnten das Kofferträger erledigen.

      • Richard Ott
        Richard Ott sagte:

        @Herr Tischer

        “Obwohl der Nahe Osten ‘brennt’, sind es durchweg nur die Standard-Themen wie Schuldenblase, Inflation, Gold etc., die Anlass für Prognosen und Erwartungen geben. Verstehe ich nicht, zumal bto. kein reiner Ökonomie-Blog ist.”

        Ich kann das schon nachvollziehen, aus 2 Gründen: Erstens ist es sehr schwer, überhaupt Prognosen auf konkrete Ereignisse abzugeben. Ich traue mir auch nicht viel mehr zu, als zu sagen, dass die Instabilität und das Risiko für Eskalationen gegenüber den Vorjahren deutlich zugenommen haben. Und zweitens ist das noch viel mehr als Schuldenblase und Flüchtlingskrise ein ideologisches Minenfeld. Mit der politisch nicht korrekten Meinung sind Sie dann für die Haltungsjournalisten nicht “Crash-Prophet” oder “Nazi” sondern “Putin-Versteher” und wahlweise “Mullah-Freund” oder gar Trump-Sympathisant. Das geht auch in Kombination, obwohl es ideologisch eigentlich überhaupt nicht zusammenpasst, die bösen Pegida-Nazis waren ja auch “Putin-Versteher”. Zu Lanz oder Plasberg wird man dann nur noch als Watschenmann im bekannten “Einer gegen alle”-Setup eingeladen.

        “Was die USA anlangt, glaube ich, dass Trump auf einen Umsturz im Iran aus ist. Das Potenzial scheint angesichts der Unzufriedenheit im Lande doch erheblich zu sein und Wirtschaftssanktionen werden es verstärken.”

        Klar, die Risiken bei einem offenen Krieg USA gegen Iran wären so groß, dass ein Regime Change durch verdeckte Geheimdienstoperationen das viel attraktivere Szenario für die USA ist. So einen Umsturz halte ich aber für westliches Wunschdenken. Es gibt höchstens ein paar Tausend Protestierer gegen die iranische Regierung, da wurden ja bei der Massenpanik bei der Beerdigung von Soleimani fast schon mehr Leute totgetrampelt. Und amerikanische Mordanschläge auf die politische Elite des Iran führen eher zu einer Solidarisierung der iranischen Bevölkerung mit ihrer Regierung – die Iraner wissen ja aus ihrer Geschichte seit dem CIA-Putsch in den 1950ern, dass die USA ihnen grundsätzlich nicht freundlich gesinnt sind und dass man ihnen nicht trauen kann.

        Eine konkrete Prognose kann ich aber anbieten, als Best-Case:

        Es scheint ein Muster in Trumps Politik zu geben, das mittlerweile auch vom Iran erkannt und gespiegelt wird. Immer dann, wenn es zu irgendwelchen großen “militärischen Vergeltungsaktionen” kommen soll, aus welchem Anlass auch immer, dann werden ein paar Marschflugkörper oder Raketen scharf gemacht und militärische Einrichtungen beschossen, wobei es aber kaum oder gar keine toten Soldaten und auch nur begrenzte Materialschäden gibt. Die Medien und die Kriegstreiber-Fraktion sind dann erstmal zufrieden, die Vergeltung fordernde Volksseele ist einstweilen beruhigt und die Wirkung des Angriffs wird überschätzt. Folgeangriffe bleiben aber aus. So war es 2017 und 2018 bei den amerikanischen Vergeltungsaktionen für die angeblichen Chemiewaffenangriffe Assads auf sunnitische islamistische “Rebellen” in Syrien, und so reagierte der Iran auf den Mordanschlag auf Soleimani. Mit solchen Raketen-Angriffen können die Parteien auf Zeit spielen ohne zu eskalieren, vermutlich ist das das beste, worauf wir dieses Jahr hoffen können.

        Der Mordanschlag auf Soleimani selbst bricht natürlich mit diesem Muster. Möglicherweise sehen wir vom Iran neben dem bereits erfolgten Raketen-Angriff auch irgendwann noch eine asymmetrische Reaktion, also einen Anschlag auf ein US-Militär- oder US-Regierungsziel auf einem anderen Kontinent in ein paar Monaten oder sogar Jahren. So hat der Iran schon in den 1980er und 1990er Jahren agiert, damals im Kontext des libanesischen Bürgerkriegs und als Vergeltung für israelische Angriffe. So kam es dann zu Angriffen des Iran auf israelische Einrichtungen in Argentinien (!).

        Wie ich schon sagte: Unkalkulierbare und unberechenbare Folgen, die natürlich wieder unkalkulierbare Reaktionen nach sich ziehen können. Und meiner Meinung nach das Einzige, das Trumps Wiederwahl ernsthaft gefährden könnte, wenn er weiter auf die falschen Berater hört oder mit seinem Riesen-Ego eine Entscheidung trifft, dessen Folgen er nicht überblickt. Trumps Basis sieht eine Eskalation im Iran größtenteils sehr skeptisch.

        “Einen dauerhaften Frieden wird es mit dem Regime jedenfalls nicht geben, es hat sich mit seinen Destabilisierungsmaßnahmen völlig diskreditiert.”

        Vergessen wird immer wieder, welchen erheblichen Anteil der Iran mit seinen angeblichen “Destabilisierungsmaßnahmen” beim Sieg über den “Islamischen Staat” hatte. Ohne die vom Iran beeinflussten schiitischen Milizen im Irak und der vom angeblichen “Top-Terroristen” Soleimani geleisteten Militärhilfe wäre zum Beispiel Mosul im Nordirak vielleicht noch heute vom IS kontrolliert – oder, noch schlimmer, hätte der IS 2014 Bagdad erobern können. Dazu wäre es fast gekommen, Soleimani hat die Verteidigung der Stadt mit organisiert.

        Der Iran und wir, also wir Deutsche, haben ein gemeinsames strategisches Interesse: Die Vernichtung der sunnitischen Terror-Organisationen “Al Kaida” und “Islamischer Staat” und mit ihnen verbündeter Milizen in Syrien und dem Irak. Darauf könnten wir aufbauen. Wir werden nicht in westlich-naiver Gutmenschenart die Demokratie und den Feminismus im Iran einführen können, so wie sich das einige Leute in Deutschland wahrscheinlich wünschen (hat ja in Afghanistan auch schon toll funktioniert…), aber das Potential für eine Zusammenarbeit ist da. Und aus realpolitischer Sicht ist es völlig offensichtlich, dass wir lieber die Islamisten im Iran unterstützen sollten als die Islamisten, die der Iran bekämpft. Wir könnten uns natürlich auch ganz raushalten, aber dann geht der Konflikt im Nahen Osten weiter und die “echten” Kriegsflüchtlinge, die als Migranten zu uns kamen, bleiben einstweilen hier, mit allen Konsequenzen.

        Die angeblich so gefährlichen iranischen Terroristen haben übrigens seit Jahrzehnten keinen Terroranschlag mehr in Deutschland oder auf deutsche Truppen verübt. An den großen Terroranschlag vom IS auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz in Berlin erinnern Sie sich sicher noch.

        “Als viel größeres Risiko für uns und Europa und letztlich auch die globale Stabilität erkenne sehe ich die Türkei an”

        Da stimme ich zu. Erdogan hat offensichtlich das Ziel, das osmanische Reich zu restaurieren und sich ehemalige osmanische Gebiete wieder einzuverleiben. Das erklärt die türkische Militärintervention in Libyen und auch seine Unterstützung für die sunnitischen islamistischen Hilfstruppen in Syrien (Idlib), die “Terrorbekämpfungsmissionen” gegen die Kurden in Syrien und im Irak und lässt für die Zukunft Übles für Griechenland und den Balkan ahnen.

        Der Großteil des Irans war interessanterweise nie Teil des osmanischen Reiches – aber die Unterstützung der jeweiligen Kriegsgegner in Syrien und dem Irak bringt die Türkei und den Iran natürlich trotzdem auf Konfliktkurs zueinander.

        In jedem Fall wird Erdogan versuchen, die chaotische Lage zu nutzen, um so viele Zugeständnisse von der EU abzupressen wie nur irgendwie möglich.

        Falls es Sie interessiert, hier ist noch das Prognosevideo für 2020 von Southfront, dem Zerohedge für Geopolitik. Dafür würde ich auf Facebook sofort ge-shadowbanned werden, wenn ich da noch einen Account hätte: https://www.youtube.com/watch?v=hM7tDWOHXTM

      • ruby
        ruby sagte:

        Also, diesen Kommentar schreibe ich impulsiv nach halber Lektüre.
        Sehr interessant die beiden auferstandenen Peter Scholl-Latour inhaltlich zu verarbeiten👍
        Vergessen wir nicht, er hatte vom Ayatholla Khomeini die Mappe in die Hand gedrückt bekommen in der Air France für den Fall, daß die iranische Revolution und ihr Führer gescheitert wären.*
        Und heute diskutieren wir extremste wirtschaftliche, politische, rechtliche und kulturelle Konsequenzen.
        Geschichte wiederholt sich nicht!?

        *Sein Buch steht noch im Regal bei mir

      • ruby
        ruby sagte:

        @ Herren Tischer & Ott
        “Es war ein Jumbo und oben in der Kapsel saß Khomeini alleine und verrichtete sein Morgengebet und er forderte uns auf, ihn dabei zu filmen, was ganz ungewöhnlich war. Und vor allem: Er machte einen sehr entspannten, beinahe lächelnden Eindruck, was ich sonst nie gesehen habe, als ob er, was ja sehr schiitisch wäre, sich freuen würde in der Perspektive des Martyriums. Dann geschah etwas Ungewöhnliches auch. Er übergab Tabatabai eine gelbe Mappe, die dann Tabatabai mir übergeben hat, und er sagte mir, wenn wir verhaftet werden, wenn wir getötet werden bei der Ankunft, dann verstecken sie diese Mappe gut, und wenn alles gut geht, wie wir es erhoffen, dann geben sie mir die Mappe zurück. Zwei Millionen Menschen standen da und jubelten Khomeini zu und ich habe die Mappe abgegeben. Acht Monate später habe ich erfahren, was drin war. Das war die Verfassung der islamischen Republik Iran.”
        https://www.deutschlandfunk.de/iraner-der-person-khomeinis-noch-zutiefst-verbunden.694.de.html?dram:article_id=66775

        Erschreckender Weise werden Angriffswaffen verstärkt Mittel der Politiken. Selbstverteidigung scheint in diesen globalen Welthegmonenstrategien zerrieben und unterdrückt wenn gar ausgeschaltet zu sein. Wenn Militärmacht nicht greift folgt Wirtschaftsmacht, die heute auch verknüpft Computer- sowie Medienmacht vernetzt.
        Gerne würde ich Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik als Wettbewerb zum Besseren in Freiheit und Frieden erleben.

      • Richard Ott
        Richard Ott sagte:

        @ruby

        Es schmeichelt mir sehr, dass Sie bei meinem kleinen Kommentar an Peter Scholl-Latour denken, aber der war nicht nur wegen seiner jahrzehntelangen Auslandskorrespondententätigkeit ein ganz anderes Kaliber als ich, mit viel tieferen Einblicken als ich sie haben könnte.

        Ich bedauere es übrigens sehr, dass er schon gestorben ist. Ich würde zu gerne sehen, wie er eine politisch ultrakorrekte öffentlich-rechtliche Framing-Talkrunde aus dem Jahrgang 2020 zerlegen würde, inklusive der überbezahlten Kartenablese-Propagandistin: “Dieses humanitäre Geschwafel bin ich leid!”
        https://www.youtube.com/watch?v=mHvs79Ed9q4
        (Diese Anne-Will-Sendung damals aus dem Juni 2012 hieß wirklich: “Assad tötet Kinder – Wie lange wollen wir noch zuschauen?”)

        Heute alles undenkbar. Scholl-Latour wäre als “Nazi” verfemt und würde gar nicht mehr eingeladen – was er vermutlich schon wegen seines persönlichen Hintergrundes zum Anlass nehmen würde, die deutschen Haltungsjournalisten einfach nur auszulachen.

        Die meisten seiner Prognosen aus 2012 traten ein, das macht seine letzten Bücher auch heute noch lesenswert.

      • ruby
        ruby sagte:

        @Richard Ott
        “Allah ist mit den Standhaften”
        37 Jahre nach dem Erscheinungsjahr wahrlich kein prophetischer Buchtitel zur iranischen Revolution und den US-Szenarien.
        Im Grunde ist die westliche Herrschaftsstrategie gegenüber der Sunna, siehe den Artikel bei der bpb und die Erklärungen von PSL zu den Hashemitenund ihren Herrschern ein weiterer Beleg für das Scheitern der EU, die diesen Timmermans “Islamexperten” noch agieren läßt , obwohl Schüler besseres Wissen abliefern
        https://m.grin.com/document/104484
        Militärisch und politisch ein Bruxxeler Desaster mit der Bitte um schnelle Erlösung und Rückkehr zu vernünftigen einzelstaatlichen Interessenverhandlungen.
        Trump praktiziert das, denn er verhandelt mit Frankreich, Großbritañinnien und Deutschland gleich direkt. Deutschland wohl nur weil hier das Basislager der US-Army ist siehe Großmanöver im Frühjahr im Osten nahe Russlands mit dem Einfliegen von 20.000 Soldaten. Der Katzenstuhl gehört der Bundeskanzlerin Merkel.

      • Richard Ott
        Richard Ott sagte:

        Die Washington Post bringt einen herrlichen Artikel über ein Meeting im Pentagon, bei dem US-Generäle und einige von Trumps Ministern den Präsidenten über Grundlagen der amerikanischen Außenpolitik belehren wollen, was aber völlig eskaliert:

        https://www.washingtonpost.com/politics/youre-a-bunch-of-dopes-and-babies-inside-trumps-stunning-tirade-against-generals/2020/01/16/d6dbb8a6-387e-11ea-bb7b-265f4554af6d_story.html
        Trump proceeded to explain that NATO, too, was worthless. U.S. generals were letting the allied member countries get away with murder, he said, and they owed the United States a lot of money after not living up to their promise of paying their dues. “They’re in arrears,” Trump said, reverting to the language of real estate. He lifted both his arms at his sides in frustration. Then he scolded top officials for the untold millions of dollars he believed they had let slip through their fingers by allowing allies to avoid their obligations.“We are owed money you haven’t been collecting!” Trump told them. “You would totally go bankrupt if you had to run your own business.”
        (…)
        Trump unleashed his disdain, calling Afghanistan a “loser war.” That phrase hung in the air and disgusted not only the military leaders at the table but also the men and women in uniform sitting along the back wall behind their principals. They all were sworn to obey their commander in chief’s commands, and here he was calling the war they had been fighting a loser war. “You’re all losers,” Trump said. “You don’t know how to win anymore.”
        (…)
        Trump questioned why the United States couldn’t get some oil as payment for the troops stationed in the Persian Gulf. “We spent $7 trillion; they’re ripping us off,” Trump boomed. “Where is the f—ing oil?”
        (…)
        Trump mused about removing General John Nicholson, the U.S. commander in charge of troops in Afghanistan. “I don’t think he knows how to win,” the president said, impugning Nicholson, who was not present at the meeting. (…) Dunford sought to explain that he hadn’t been charged with annihilating the enemy in Afghanistan but was instead following a strategy started by the Obama administration to gradually reduce the military presence in the country in hopes of training locals to maintain a stable government so that eventually the United States could pull out. Trump shot back in more plain language. “I want to win,” he said. “We don’t win any wars anymore . . . We spend $7 trillion, everybody else got the oil and we’re not winning anymore.”
        (…)
        “I wouldn’t go to war with you people,” Trump told the assembled brass. Addressing the room, the commander in chief barked, “You’re a bunch of dopes and babies.”

        Die Schilderungen des Amazon-Meinungsblogs von Jeff Bezos muss man natürlich immer mit ein bisschen Skepsis sehen, aber wenn sich das tatsächlich so ähnlich abgespielt hat, dann zeigt es, dass Trump eigentlich nur eine Sache will: “Gewinnen” und dabei, im ganz kapitalistischen Sinn, einen “Profit” für die USA machen. Auch wenn es um Geopolitik geht. Eine völlig unorthodoxe Denkweise, die alle anderen vor den Kopf stößt, und gleichzeitig spannend und potentiell gefährlich ist.

        Das Faszinierende daran ist: Für die hochdekorierten Generäle und Karrierebeamten im Pentagon muss sich das wie ein schmerzhafter Einlauf angefühlt haben, aber ein Großteil der US-Bevölkerung und der einfachen Soldaten findet zum Beispiel die US-Strategie in Afghanistan genau so schlecht wie Trump. Die müssen es ja auch bezahlen beziehungsweise ihren Körper in die Schusslinie halten und können nicht die eigene Bedeutungssteigerung durch ein höheres Pentagon-Budget in einem schönen Haus in Washington D.C. genießen und vielleicht später noch auf ein Aufsichtsrats-Pöstchen in der amerikanischen Rüstungsindustrie wechseln.

        Faszinierend auch die Sicht auf den Iran:
        Trump then repeated a threat he’d made countless times before. He wanted out of the Iran nuclear deal that President Obama had struck in 2015, which called for Iran to reduce its uranium stockpile and cut its nuclear program. “It’s the worst deal in history!” Trump declared. “Well, actually . . .,” Tillerson interjected. “I don’t want to hear it,” Trump said, cutting off the secretary of state before he could explain some of the benefits of the agreement. “They’re cheating. They’re building. We’re getting out of it. I keep telling you, I keep giving you time, and you keep delaying me. I want out of it.”

        Was könnte Trump wollen? Falls der Artikel keine Relotiade ist sondern eine wahre Nacherzählung, ist es eigentlich ganz offensichtlich: Den Loser-Deal (auch noch abgeschlossen vom Obama-Loser) aufkündigen und einen neuen Deal machen bei dem die USA und Trump “gewinnen”.

        Dabei würde es wahrscheinlich sogar helfen, wenn der Iran schon eine Atombombe hätte, dann wäre nämlich klar, dass ein Krieg gegen den Iran unter keinen Umständen ein Profit-Center wird, sondern ein Kosten-Center, und Trump würde in den Kim-Jong-Un-Buddymodus wechseln und anfangen, einen Deal zu verhandeln, der wirklich für beide Seiten nützlich sein könnte. Das Modell könnte so ähnlich wie in Nordkorea sein: Sicherheitsgarantien für den Iran gegen die Aussicht auf Investitionsprojekte im Iran, flankiert von einem US-Truppenabzug der die Kosten reduziert, wodurch mehr Profit für die USA übrig bleibt. Natürlich würde das auf schärfsten Widerstand der Militärlobby und der Israel-Lobby in den USA stoßen, die profitieren von einer Eskalation des Konfliktes viel mehr als von dessen Beilegung.

        Und Steve Bannon, der bei den Haltungsjournalisten in Europa und bei den Linken in den USA ja als Inkarnation des leibhaftigen Bösen gilt, ist die vernünftigste Stimme im ganzen Artikel:

        Bannon had been trying to persuade Trump to withdraw forces by telling him, “The American people are saying we can’t spend a trillion dollars a year on this. We just can’t. It’s going to bankrupt us.” (…) “And not just that, the deplorables don’t want their kids in the South China Sea at the 38th parallel or in Syria, in Afghanistan, in perpetuity,” Bannon would add, invoking Hillary Clinton’s infamous “basket of deplorables” reference to Trump supporters.

      • Richard Ott
        Richard Ott sagte:

        “And not just that, the deplorables don’t want their kids in the South China Sea[,] at the 38th parallel or in Syria, in Afghanistan, in perpetuity,”

        Hübsches Detail: Bei dem von der Washington Post kolportieren Bannon-Zitat fehlt das von mir eingefügte Komma, was darauf hindeutet, dass die nicht vollständig verstanden hatten, was Bannon überhaupt meinte. Das Südchinesische Meer liegt deutlich weiter südlich als der 38. Breitengrad (nördlicher Breite) – da entlang verläuft die Demarkationslinie zwischen Nordkorea und Südkorea.

        Das sind also alles potentielle Aufmarschgebiete amerikanischer Truppen in zukünftig möglichen Kriegen. Aber Journalistenbüros in Washington D.C. sind davon weit weg, genauso weit wie von der Lebenswirklichkeit normaler Menschen…

      • Dietmar Tischer
        Dietmar Tischer sagte:

        @ Richard Ott

        Man kann ja über Trumps Politik des „America first“ denken, was man will.

        Aber wenn das alles einigermaßen authentisch ist, was da berichtet wird, dann muss man sagen:

        Trump ist UNBERECHENBAR und damit ein hohes RISIKO für den Frieden in der Welt.

        Es ist jedenfalls leicht nachvollziehbar, dass Leute, die hohe Verantwortung in Wirtschaft oder Verwaltung wahrgenommen hatten, hingeschmissen haben.

        Für so einen Typen wird kein seriöser Mensch geradestehen wollen.

        Trump ist natürlich kein Hitler und Amerika hat eine andere Klasse von Führungsfiguren als das Deutschland im Dritten Reich mit seinen Juristen und Militärführern.

        Gerade deshalb ist es beunruhigend, dass er mehr oder weniger unbehelligt so agieren kann, wie er es offensichtlich tut.

      • Richard Ott
        Richard Ott sagte:

        @Herr Tischer

        “Gerade deshalb ist es beunruhigend, dass er mehr oder weniger unbehelligt so agieren kann, wie er es offensichtlich tut.”

        Trump kann unbehelligt agieren? Das stimmt nun wirklich nicht, seit dem Tag seiner Amtsübernahme führt er einen heftigen Machtkampf auch mit Teilen des Staatsapparates (insbesondere im US-Außenministerium und Verteidigungsministerium), denen gegenüber er laut US-Verfassung eigentlich weisungsbefugt sein sollte.

        Die Russen beklagen sich schon länger darüber, dass die USA mittlerweile “недоговороспособны” sind, also “vereinbarungsunfähig”. Sie können einen Vertrag mit den USA abschließen, aber der wird dann von dem Teil des US-Staates mit widerstrebenden Interessen systematisch unterminiert. Beim Hickhack um das Thema “Truppenabzug” in Syrien sieht man das immer wieder. Können Sie beschreiben, was die Position der US-Regierung dazu ist? Da erzählt das Außenministerium etwas ganz anderes als das Pentagon, und Trump hat sowieso seine eigene Sicht (die als Oberkommandierender eigentlich maßgeblich sein sollte, es aber de facto nicht ist).

        Genau das gleiche bei der Frage nach dem US-Truppenabzug aus dem Irak: https://www.dw.com/en/us-military-sends-iraq-withdrawal-letter-by-mistake/a-51907519

        “US Defense Secretary Mark Esper denied Monday that the White House was preparing to pull troops out of Iraq. The announcement came after a top US general in the country gave his Iraqi counterpart a letter saying American forces would be exiting the country over the next days and weeks”

        Ein Ministerium verschickt also “versehentlich” einen Brief mit so weitreichenden Konsequenzen. Das war kein Versehen, das war Positionsgerangel in einem internen Machtkampf. Dieses erratische Verhalten des US-Staates als ganzes finde ich viel beunruhigender als das, was Trump tut. Es deutet nämlich darauf hin, dass durch die Staatsmacht selbst ein tiefer ideologischer Riss geht und die Regierung die Kontrolle über den Staat verliert.

        “Trump ist UNBERECHENBAR und damit ein hohes RISIKO für den Frieden in der Welt.”

        Schlimmer als die Präsidenten, die vor ihm kamen?

        Auf eine faszinierende Art ist Trump sogar viel ehrlicher als die Bürokraten, ob nun mit zivilem oder militärischem Hintergrund, die er bei dem Meeting so zusammengefaltet hat. Der Titel des für Trump vorbereiteten Tutorials war: “The post-war international rules-based order is the greatest gift of the greatest generation.” Glauben Sie daran? Die USA interessieren sich für internationale Regeln nur so lange, wie sie ihnen nützen. Ansonsten ignorieren sie die. Und das ist nicht erst seit Trump so, Obama, Bill Clinton und die Bushes agierten ganz genau so.

        Das Problem ist ein anderes: Trump will “gewinnen” und Deals machen und Profite sehen und betrachtet alles aus der Perspektive eines Immobilienkaufmanns, auch völlig sachfremde Fragen. Deswegen will er auch unbedingt Miete für Militärbasen von seinen Verbündeten oder schickt Merkel eine Rechnung für die ausstehenden NATO-Beiträge. Für solche Immobilien-Leute ist es aber eigentlich untypisch, Wettbewerber per Mordanschlag zu liquidieren, selbst in New York. Da Trump aber keine Ahnung von den politischen und gesellschaftlichen Hintergründen im Nahen Osten hat, kann man ihn von Maßnahmen überzeugen, deren Konsequenzen er höchstwahrscheinlich nicht überblickt. So kam wohl auch die Authorisierung für den Soleimani-Anschlag zustande, die wurde ja schon vor Monaten erteilt, aber erst Anfang Januar ergab sich die konkrete Gelegenheit dazu.

        Das wäre einer Präsidentin Hillary Clinton nicht passiert, die hätte Eskalationsschritte mit voller Absicht vorangetrieben und kommt ja aus dem Außenpolitik-Establishment, das Trump so heftig bekämpft. Siehe Syrien. Siehe Libyen.

      • ruby
        ruby sagte:

        @Richard Ott
        ” Ich würde nicht in den Krieg ziehen mit euch Volk.”
        Das zeigt wie wenig sich Präsident Trump von den Showdarstellern instrumentalisieren läßt. Morgen werden wir das Grausen der Unfähigen in Berlin präsentiert bekommen, wie sie in Lybien wieder das verlorene Desaster gegen die Rebellen einfahren. Putin und Erdogan machen die Grenzen ohne Globalisten und Multilateralisten, die dürfen das Catering, Logis und sonstigen Verwaltungsaufwand bezahlen.
        Diese Strukturen und das Personal pro EU wird ersetzt durch Realpolitiker die Staateninteressen kennen und durchsetzen. Kurz macht mit der Visegradgruppe den Osteuropavertrag und das Mittelmeer erfährt sukessive Enteuropäisierung wegen totaler Chaotik. Ebenso ist die UN ausgesetzt, Kapitel geschlossen. Und Macron mit seinen korrumpierten Afrikansimperatoren hat den Abpfiff verpasst.
        Die Geschichte zeigt den Medienprofiteuren die nackten Nüchternheiten der echten Bilder und Erlebnisse bis in den letzten Haushalt im Netz. Genau dieses bestimmen die Bürger im Modus des Going Society. Die Öffentlich-Rechtlichen Medienanstalten sollten sich ernsthaft auf ihren rechtfertigenden Informationsauftrag konzentrieren sonst landen sie wie Ihr Undertainment als Privat Equity.

  4. Ulrich Remmlinger
    Ulrich Remmlinger sagte:

    “Genießen wir es also, so lange es hält.”

    Das ist das beste Motto für 2020, das ich in den letzten Wochen gelesen habe.
    Also: raus in die Sonne und aufhören mit dem Blog-Lesen.

    Antworten
  5. Thomas M.
    Thomas M. sagte:

    “Die US-Börse fällt weiter: Völlig falsch. Null Punkte. Der Grund liegt auf der Hand, die Öffnung der Geldschleusen und die Aktienrückkäufe. Hätte man vermutlich sehen können. Habe ich aber nicht.”

    Grämen Sie sich nicht. Der Dezember 2018 war an der US-Börse dramatisch und ein klares Signal, wie schnell es von hohen Bewertungen runtergehen kann. Ich dachte auch “nu ist es so weit”. Sie hätten damals schreiben können “da kommt in 2019 eine Ralley” und wären damit heute Forecast-Held. Wenn die Ralley nicht gekommen wäre, hätten Sie’s auf Trump schieben können ;)

    Aber wie immer: Don’t underestimate the FED und mittlerweile auch die Power des modernen Tradings. Solange KI-Systeme handelbare Trends nach oben erkennen und keinen Hinweis auf den dritten Weltkrieg in Nachrichten lesen, sind sie long. Fast schon magisch, wie abrupt der beschleunigte Abwärtstrend gestoppt wurde.

    Was Häme betrifft. Die kommt meiner Erfahrung nach meist von Menschen, die es selbst nicht hinbekommen (was auch immer) und sich dann mal freuen, wenn andere es nicht hinbekommen.

    Ihre rund 50% Treffer sehe ich als Bestätigung meiner Entscheidungsstrategie “wenn ich nix zur Zukunft weiß, gehe ich von 50% Eintrittswahrscheinlichkeit aus” an :)

    Hut ab und Danke für das freiwillige Resüme!

    Antworten
  6. Richard Ott
    Richard Ott sagte:

    Meine kontroversen Prognosen für 2020:

    -Berliner Senat baut riesige Stalin-Gedenkstätte auf dem Tempelhofer Feld (“Er war ein großer Antifaschist”)

    -Greta Thunberg und Leonardo di Caprio werden ein Paar

    -Mindestlohn für bezahlte Klatscher bei Markus Lanz wird auf 15 EUR/Stunde erhöht

    -WDR-“Umweltsau”-Kinderchor macht große Klimabotschafter-Tourneereise nach Nordkorea, Venezuela und Zimbabwe

    -Bonpflicht wird ab 1. Juli auch für Straßenbettler eingeführt

    -Preisniveau in der Eurozone bleibt völlig stabil bei knapp 2% Inflation

    -Marcel Fratzscher startet eigenen Cryptowährungs-Investmentfonds, exklusiv für SPD-Mitglieder

    -Bundespräsident zeichnet Terrormiliz “Islamischer Staat” aus als “Arbeitgeber ohne Islamophobie”

    -Zentralbanken stellen unkompliziert Kreditlinien für Hedgefonds bereit, formloser Antrag per Fax genügt

    -Trump wird völlig überraschend wiedergewählt und macht sich am Jahresende auf den Weg nach UK zur Feier des Ersten Neuen Britischen Unabhängigkeitstages 01.01.2021; Von der Leyen bekommt keine Einladung und muss also auch nichts versehentlich von ihrem Handy löschen

    Antworten
  7. Wolf Palmer
    Wolf Palmer sagte:

    Sehr geehrter Herr Dr.Stelter,

    machen Sie sich nicht verrückt.

    Fast alles, was Sie angesichts der Schulden-Tsunamis und den unseligen Aktionen der Notenbank prognostiziert haben, wird kommen.

    Inzwischen nennen mich die beiden Multiblogger DT und MS einen Troll, weil ich mir erlaubt habe, den beiden Bloggern zuviel Nähe am Mainstream unterstellt zu haben und vor allem zuviel Kritik an der Fiat-Geld-Großdruckerei geübt habe.

    Alle negativen Prognosen werden sich auslösen, denn unser Land sitzt in der Transfer-Union aussichtslos in der Falle.

    Dann hilt nur noch, Sie wissen schon:

    R A U S aus dem politischen Katastrophen-Land!

    Antworten

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