Zur Wirkung der Demografie auf die Finanzmärkte

Die demografische Entwicklung ist leicht vorherzusagen und dennoch fließt sie so gut wie gar nicht in die breitere Diskussion zu Wirtschaft und Finanzmärkten ein. Dabei sind die Folgen erheblich! Geringere Wachstumsraten, höhere Zinsen und Inflationsraten (oder doch nicht?) und entsprechend strukturelle Veränderung auch an den Finanzmärkten sind die unweigerliche Folge.

Der Amerikaner Robert Arnott versucht diese Entwicklungen empirisch zu analysieren und äußert sich in einem Interview mit der FINANZ und WIRTSCHAFT zu seinen Erkenntnissen:

  • Zunächst zu den Treibern an den Finanzmärkten: „Kurzfristig sind Geldflüsse der Investoren und das Sentiment die Haupttreiber. Einen grossen Einfluss können aber auch die Währungshüter haben. Wenn Zentralbanken zu viel Geld drucken, konsumieren Konsumenten nicht, sondern horten das Geld aus Furcht vor einer Krise. Sie investieren es in Vermögenswerte. (…) Langfristig ist es der faire Wert. Er kann durch die Demografie beeinflusst werden.“ – bto: Das liegt natürlich an der Wirkung auf die Realwirtschaft und das Zinsniveau.
  • „Am meisten verfügbares Vermögen haben Personen zwischen 40 und 65 Jahren. Aktienmärkte, in denen diese Altersgruppe dominiert, weisen die beste Performance und die höchste Bewertung auf. Menschen in den Zwanzigern und Dreißigern haben wenig Geld zum Investieren. Darum haben Aktienmärkte in Ländern, in denen diese Generation dominiert, eine schwächere Performance und sind günstiger.“ – bto: und müssten danach überperformen, weil der Anteil der über 40-Jährigen dann wächst.
  • „In Europa wird demnächst die Generation der Siebzig- bis Achtzigjährigen dominieren. Das liegt auch an der niedrigen Geburtenrate. Junge produktive Erwachsene fehlen. Der Anstieg der Zahl der Rentner und das Schrumpfen der arbeitstätigen Bevölkerung haben ein geringeres Wirtschaftswachstum und eine schwächere Entwicklung der Aktien- und der Anleihenmärkte zur Folge.“ – bto: weil mehr verkauft als gekauft wird. Das gilt auch für die Immobilienmärkte, wie wir wissen.
  • „In den nächsten zehn Jahren wird sich viel verändern. Heute demonstrieren Leute dafür, im gleichen Alter in Pension gehen zu können wie die Großeltern, obwohl sie fünfzehn Jahre länger leben. Das ergibt keinen Sinn. Noch ist es politischer Selbstmord, über eine Veränderung des Generationenvertrags zu sprechen. Bald wird es Suizid sein, nicht darüber zu sprechen. (…) Wir werden Demonstrationen sehen, die sich gegen den Vermögenstransfer von den Jüngeren zu den Älteren – obwohl Letztere doch mehr Vermögen haben – richten.“ – bto: Solange allerdings die Mehrheit der Wähler im Rentenalter sind, ändert sich nichts daran. Ich denke, die jungen werden dann mit ihren Füßen abstimmen und auswandern.
  • „Wäre das Pensionsalter an die Lebenserwartung gekoppelt, wäre das Problem gelöst. Zudem muss geschaut werden, ob die Personen, die die Rente erhalten, nicht nur einen Anspruch haben, sondern sie auch benötigen. Transferzahlungen sollten Überweisungen sein von Personen, die Geld haben, zu denen, die keines haben.“ – bto: Oh, da ist er aber weit von dem entfernt, was bei uns in Deutschland diskutiert und praktiziert wird.
  • „Schulden, die nicht zurückgezahlt werden können, werden nicht zurückgezahlt. Das ist klar. Größtenteils haben die jungen Generationen Verpflichtungen gegenüber den älteren Generationen. Ob sie ihnen nachkommen werden, ist fraglich. Möglicherweise kommt es zu einem großen Schuldenschnitt. Ich rechne aber eher damit, dass es zu vielen kleinen Schnitten kommen wird.“ – bto: Und das gilt auch zwischen Ländern wie in der Eurozone.
  • „Wenn die Millennials kein Geld haben, wer kauft dann unsere Aktien und Anleihen, wenn wir sie verkaufen möchten, um nach unserer Pensionierung Geld zur Verfügung zu haben? Aktien und Anleihen werden über die nächsten zehn Jahre eine miese Performance haben. Sie werden sich abwerten.“
  • „Der Einfluss auf das Wachstum wird nicht so groß sein. Millennials werden weiterhin zum Wirtschaftswachstum beitragen. Allerdings kann es zu deflationären Tendenzen kommen, wenn Millennials das Geld fehlt, um Güter zu kaufen.“ – bto: Interessant, ich hätte eher mit inflationären Effekten bei nicht handelbaren Gütern gerechnet.
  • „Die Wahrscheinlichkeit einer Finanzkrise in den nächsten zehn Jahren ist hoch. Deswegen müssen Anleger diversifizieren und in Märkte investieren, die günstig sind und attraktive Wachstumsaussichten haben – also nicht auf Aktien und Anleihen aus den USA und Europa setzen, sondern auf Aktien und Lokalwährungsbonds aus Schwellenländern.“ – bto: Das denke ich auch, wobei man da angesichts der auch dort gegebenen Schuldenprobleme vorsichtig agieren muss.
  • „In den USA sind die Märkte bewertet, als ob es auf Jahre hinweg so rund weiterläuft wie bisher. (…) Mit mehr Gewissheit können wir aber sagen, dass wir uns dem Ende des längsten Bullenmarktes der Geschichte nähern. Selbst nach der jüngsten Korrektur war die Bewertung – gemessen am zyklisch adjustierten Kurs-Gewinn-Verhältnis von Robert Shiller – ausser 1929 und während der Technologieblase nie höher. Das Shiller-KGV in den USA betrug Ende November 32, in den Schwellenländern 13 und in Europa 16. Wegen der hohen Bewertung werden US-Aktien schlechter abschneiden als die Pendants aus Europa und den Schwellenländern.“ – bto: Das ist eine bekannte Tatsache, die nur zu gerne verdrängt wird.

→ FINANZ und WIRTSCHAFT: “‘Aktien werden eine miese Performance haben‘”, 13. Dezember 2018