Zoltan Pozsar: Krieg und Roh­stoffe

Heute nun Teil Drei zu den Aussagen Zoltan Pozsars, die ich im Podcast diskutiere: Diesmal geht es um die Entwicklung an den Rohstoffmärkten:

„Die besondere Beziehung zwischen China und Russland hat eine finanzielle Agenda, und was Präsident Xi und Präsident Putin über die Zukunft des Geldes sagen – das heißt, die Zukunft, die sie sich vorstellen – ist für die Zukunft des US-Dollars und der Liquidität im Markt für US-Staatsanleihen von Bedeutung. Ihr Handeln schmiedet etwas Neues: Bretton Woods III nimmt langsam Gestalt an, und angesichts der bisherigen Entwicklungen bleibt mein Motto für Bretton Woods III – ‚Our Commodity, Your Problem‘.“

Dabei hat Pozsar früh die Annäherung des Irans an die OPEC und damit die Saudis erkannt, die erst kürzlich unter Vermittlung von China zustande gekommen ist:

„Der Besuch von Präsident Xi beim Kooperationsrat der arabischen Staaten des Golfes (kurz GCC)  – also Bahrain, Kuwait, Oman, Katar, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten – markiert die Geburt des Petroyuan und einen Sprung in Chinas wachsendem Zugriff auf die Öl- und Gasreserven der OPEC+: Mit dem China-GCC-Gipfel kann China behaupten, nicht nur eine ‚besondere Beziehung‘ mit dem ‚+‘ Zeichen in OPEC+ (Russland) aufgebaut zu haben, sondern auch mit dem Iran und allen OPEC+ Staaten.“

Er betont auch, dass beide – also Saudi-Arabien und Iran – sich um eine Mitgliedschaft in dem, was er BRICS+-Club nennt, bemühen. Die Annäherung war allein deshalb schon zu erwarten.

Die Geburt des Petro-Yuan und der Zugriff Chinas auf die Öl- und Gasreserven ist so wichtig, dass Pozsar die Punkte im Detail durchgeht:

„Hier ist die wichtigste Aussage der Rede von Präsident Xi auf dem China-GCC-Gipfel: ‚In den nächsten drei bis fünf Jahren ist China bereit, mit den GCC-Ländern in den folgenden vorrangigen Bereichen zusammenzuarbeiten: Erstens, Aufbau eines neuen Paradigmas alldimensionaler Energiekooperation, bei der China weiterhin große Mengen Rohöl langfristig aus den GCC-Staaten importieren und mehr LNG kaufen wird. Wir werden unsere Zusammenarbeit im vorgelagerten Sektor, bei Ingenieurdienstleistungen sowie bei Lagerung, Transport und Raffinerie verstärken. Die Shanghai Petroleum and Natural Gas Exchange-Plattform wird vollständig für die RMB-Abwicklung im Öl- und Gashandel genutzt, […] und wir können eine Währungsswap-Kooperation beginnen und das m-CBDC-Brückenprojekt vorantreiben.‘“

Verstanden? Nein? Dann geht es Ihnen wie mir. Deshalb gehen wir jetzt auch die Punkte nacheinander durch, wie Pozsar es erfreulicherweise für seine Leser auch macht.

Zunächst zur wirtschaftlichen Bedeutung des Kaufs von Öl in chinesischen Renminbi:

„Aus marktwirtschaftlicher Sicht bedeutet dies, dass wir davon ausgehen sollten, dass in fünf Jahren Öl und Gas nicht nur in Dollar, sondern auch in Renminbi fakturiert werden und ein Teil des Öls und Gases für den Westen nicht mehr zu günstigen Preisen in Dollar verfügbar ist, weil es nach Osten fließt.“

Es gibt also einen zunehmenden Teil der fossilen Brennstoffe, die in Richtung China fließen.

Und das dürften, wenn es dann so weit ist, nicht mal mehr jene gut finden, denen heute die Abkehr von fossilen Brennstoffen nicht schnell genug gehen kann. Zugleich wird die weltweite Dollar-Liquidität abnehmen. Was nicht nur dazu führt, dass weniger Dollar in amerikanische Staatsanleihen fließen.

Damit nicht genug. Es geht deutlich weiter:

„‚Paradigma‘ ist in ‚einem neuen Paradigma alldimensionaler Energiezusammenarbeit‘ ein symbolisches Wort. Das Treffen zwischen Franklin D. Roosevelt und König Abdul Aziz Ibn Saud im Februar 1945 begründete ebenfalls ein Paradigma: Sicherheitsgarantien der USA für das Königreich für den Zugang zu erschwinglichen Ölvorräten. Im Laufe der Zeit lief das Paradigma darauf hinaus: Die USA importierten Öl und bezahlten es mit US-Dollar, die Saudi-Arabien für Staatsanleihen und Waffen ausgab und die Reste als Einlagen bei US-Banken recycelte. Das alte Paradigma funktionierte bis die USA aufgrund der Frackingrevolution weniger abhängig von Öl aus dem Nahen Osten wurden, während China heute der größte Ölimporteur ist; Die saudischen Bestände an US-Staatsanleihen und Bankeinlagen sind zurückgegangen, da das Königreich von der Finanzierung der US-Regierung und der Banken zum Besitz von Beteiligungen an Unternehmen übergegangen ist; und der saudische Kronprinz sagte kürzlich, dass das Königreich seine Investitionen in den USA reduzieren könnte. Ähnliche Muster gelten in anderen GCC-Ländern.“

GCC steht übrigens für „Gulf Cooperation Council“ (zu deutsch Golfkooperationsrat). Er wurde 1981 gegründet und umfasst die folgenden Staaten: Saudi-Arabien, Kuwait, Oman, Katar, Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). Als Sammelbezeichnung wird oft von „Golfstaaten“ gesprochen und so habe ich es dann im Folgenden auch öfter übersetzt.

Doch zurück zum neuen Paradigma:

„Das ‚neue Paradigma‘ zwischen China, Saudi-Arabien und den Golfstaaten unterscheidet sich grundlegend von dem mit den USA. China hat es jetzt mit einem reichen Nahen Osten zu tun, während Roosevelt es mit einem Nahen Osten zu tun hatte, der gerade erst begonnen hatte, sich zu entwickeln. Mit Reichtum verschieben sich Macht und Prioritäten:

Damals waren ‚Liquidität und Sicherheit‘ für eine aufstrebende Region wichtiger; Heute sind ‚Gerechtigkeit und Respekt‘ wichtiger für diese bedeutende Region. Das bot China an: ‚Alldimensionale Energiekooperation‘ bedeutet, nicht nur Öl für Bargeld und Waffen zu nehmen, sondern in der Region im ‚nachgelagerten Sektor‘ zu investieren und das regionale Know-how für die Zusammenarbeit im ‚vorgelagerten Sektor‘ zu nutzen –

Anders ausgedrückt: ‚Öl für Entwicklung‘ (Anlagen und Arbeitsplätze) verdrängt ‚Öl für Waffen‘.“

… was ich wiederum interessant finde. Die Träumereien in Deutschland, wonach wir von dort Wasserstoff beziehen, sind einfach lächerlich. Man wird vor Ort auch die Produkte herstellen. Was auch zur Frage führt: Was machen wir dann eigentlich noch in Deutschland?

Diese Frage scheint die Bundesregierung jedenfalls nicht zu interessieren.

Und das kann nicht verwundern, scheint sie doch auch nicht zu verstehen, was auf der globalen Ebene passiert, wie der Besuch von Scholz beim brasilianischen Präsidenten Lula da Silva unterstrichen hat.

Dann kommt Pozsar zum vielleicht wichtigsten Punkt – die Folgen für das Weltwährungssystem:

„Das ‚neue Paradigma‘ wird nicht mit US-Dollar finanziert: Präsident Xi merkte an, dass ‚die Shanghai Petroleum and Natural Gas Exchange […] vollständig für die RMB-Abwicklung im Öl- und Gashandel genutzt wird‘. Die Kommentare von Präsident Xi, dass ‚China weiterhin große Mengen Rohöl langfristig aus den GCC-Ländern importieren und mehr LNG kaufen wird‘, unterstreicht die Schwere des Zitats: Zusammengenommen sagen die beiden im Grunde, dass China, bereits heute der größte Käufer von Öl und Gas aus den Golf-Staaten, künftig noch mehr kaufen und in den nächsten drei bis fünf Jahren dafür in Renminbi bezahlen will. Das ist der Beginn des Petroyuan.“

„Petroyuan“ als Gegenpol zum Petro-Dollar. China bietet den Ländern an, etwas Sinnvolleres mit ihrem Petroyuan anfangen zu können:

„Angesichts des Umfangs der vorrangigen Bereiche, in denen China plant, mit den GCC-Ländern zusammenzuarbeiten – dem Verkauf von sauberer Energieinfrastruktur, Big Data und Cloud-Computing-Zentren, 5G- und 6G-Projekten und der Zusammenarbeit in der intelligenten Fertigung und der Weltraumforschung, gibt es viele Wege, durch die die Golf-Länder in der Lage sein werden, den Renminbi, den sie durch den Verkauf von Öl und Gas an China verdienen, wieder auszugeben.“

Das ist dann mehrfach schlecht aus westlicher Sicht:

  • Wir haben weniger Zugriff auf Öl und Gas, können nicht mehr in Dollar bezahlen, bzw. nicht mehr so günstig,
  • wir verlieren Produktion an diese Staaten,
  • wir können nicht einmal mehr unsere Anlagen dorthin verkaufen und
  • ein großer Markt würde wegfallen – nicht „nur“ der chinesische.
  • Ich finde, das wird bei uns nicht ausreichend als Gefahr wahrgenommen.

Und auch sonst wird die chinesische Währung für die Finanzmärkte attraktiver:

„2018 hat China einen auf Renminbi lautenden Öl-Futures-Kontrakt an der Shanghai International Energy Exchange eingeführt, und seit 2016 und 2017 ist der Renminbi an den Goldbörsen in Shanghai bzw. Hongkong in Gold konvertierbar. (…) Sie können ihre Renminbi also für Sonnenkollektoren, Windkraftanlagen, Rechenzentren, Telekommunikationsausrüstung oder Weltraumprojekte ausgeben, um Arbeitsplätze zu schaffen, oder Sie können es einfach bei einer Bank anlegen oder einfach in gute alte Goldbarren umwandeln. Die Konvertierbarkeit in Gold schlägt die Konvertierbarkeit in Dollar.“

Das dürfte unstrittig sein! Gold ist sicherlich attraktiver als ein Dollar, der zudem mit Blick auf die Inflation deutlich an Wert verlieren dürfte – womit wir zum Höhepunkt der Aufzählung kommen:

das sogenannte Projekt m-CBDC Bridge. Nie gehört? Ging mir genauso:

„Das Projekt m-CBDC Bridge, oder wie die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich es nennt, dass Projekt mBridge, ist eine Meisterstück: durchgeführt von der PBoC, der Bank of Thailand, der HongKong Monetary Authority und der Central Bank of the United Arab Emirates. Das Projekt ermöglicht Echtzeit-, Peer-to-Peer-, grenzüberschreitende Devisentransaktionen unter Verwendung von Digitalen Zentralbankgeld, und zwar ohne Einbeziehung des US-Dollars oder des Netzwerks westlicher Korrespondenzbanken, auf denen das US-Dollar-System läuft.“

Es geht also um nichts anderes als ein neues Weltzahlungs- und Finanzsystem. Heute laufen alle internationalen Zahlungen über den Umweg des US-Dollars. Künftig handeln Notenbanken digitales Geld direkt. Eine Parallelstruktur, die vom Westen auch nicht mit Sanktionen belegt werden kann. Aber damit nicht genug. China lockt auch mit einem Vorschuss auf künftige Einnahmen. Dies erfolgt über die angesprochenen „Swap-Lines“:

„Diese ‚Währungstauschkooperation‘ läuft so: sie können Ihre lokale Währung gegen meine lokale Währung tauschen, wobei ich Ihnen etwas Renminbi leihe und Sie dann die Sachen kaufen können, die sie brauchen, und wenn Sie anfangen, mir Öl für Renminbi zu verkaufen, können Sie die Swap-Linien abbezahlen. Mir ist nur wichtig, dass Sie Importe von mir nicht in US-Dollar bezahlen, weil ich bereits genug US-Dollar habe und mein Sanktionsrisiko nicht erhöhen möchte.“

Also auch hier das gleiche Ziel: Wegkommen vom US-Dollar.

„Im Geld- und Bankwesen wird das Wort ‚Belastung‘ typischerweise im Zusammenhang mit Transaktionen mit Sicherheiten verwendet: Wenn eine Sicherheit für ein bestimmtes Geschäft verpfändet wird, wird sie als ‚belastet‘ bezeichnet, was bedeutet, dass sie nicht für andere Geschäfte verwendet werden kann. Wenn die Belastung extrem wird, werden die Sicherheiten knapp, was sich typischerweise in Zinssätzen für knappe Sicherheiten zeigt.

Unter Bretton Woods III, einem System, in dem Rohstoffe Sicherheiten sind, bedeutet Belastung, dass Rohstoffe in bestimmten Teilen der Welt knapp werden können – und die Knappheit äußert sich dann in hoher Inflation.“

Das muss man nochmal genauer betrachten.

China baut um die Energielieferanten herum ein neues Währungssystem auf. Öl und Gas sind hierbei die Säulen. Und es basiert darauf, dass immer mehr Öl und Gas im Club – so würde ich das mal nennen – gehandelt wird. Was per Definition bedeutet, dass es für Nicht-Club-Mitglieder knapper werden könnte.

Und das erklärt er so:

„China beginnt, die OPEC+ zu dominieren: Erstens haben Russland und China ihre berühmte besondere Beziehung, und seit dem Ausbruch der Feindseligkeiten in der Ukraine bekommt China russisches Öl in Renminbi zu einem sehr günstigen Preis. Wie Präsident Putin bemerkte: ‚China verhandelt hart‘. Zweitens haben der Iran und China seit dem 27. März 2021 auch eine besondere Beziehung – die Umfassende Strategische Partnerschaft – ein 25-jähriges ‚Abkommen‘, in dem sich China verpflichtet hat, 400 Milliarden Dollar in die iranische Wirtschaft zu investieren, im Austausch für eine stetige Versorgung mit iranischem Öl zu deutlich unter dem Weltmarkt liegenden Preisen. Drittens akzeptiert Venezuela seit 2019 Zahlungen für Öl in Renminbi und verkauft Öl auch mit hohen Rabatten an China. Viertens ähnelt Xis Golfstaaten-‚Pitch‘ der Umfassenden Strategischen Partnerschaft mit dem Iran – Investitionen in nachgelagerte petrochemische Projekte, Fertigung und Infrastruktur – plus einige höherwertige Projekte für Saudi-Arabien, um Riads Silicon-Valley-Bestrebungen zu unterstützen. Da die Golfstaaten nicht sanktioniert sind, hat China keine hohen Rabatte verlangt, aber es hat eine Renminbi-Abrechnung verlangt.“

Der Zugriff auf die Ölreserven bedeutet erhebliche Wettbewerbsvorteile für die chinesische Wirtschaft:

„Halten wir hier für einen Moment inne. Auf Russland, den Iran und Venezuela entfallen etwa 40 Prozent der nachgewiesenen Ölreserven der Welt, und jeder von ihnen verkauft derzeit Öl mit einem hohen Abschlag für Renminbi an China. Auf die Golftstaaten entfallen ebenfalls 40 Prozent der nachgewiesenen Ölreserven – Saudi-Arabien hat die Hälfte davon und die anderen GCC-Länder die andere Hälfte. Siewerden von China umworben, Renminbi für ihr Öl im Austausch für transformative Investitionen zu akzeptieren – das ‚neue Paradigma‘, das wir oben besprochen haben.“

Wenn das nicht die Spielregeln verändert, dann weiß ich auch nicht. Das sind massive Vorteile, vor allem mit Blick auf eine EU, die die Augen vor der Realität völlig verschließt –beziehungsweise nicht im Entferntesten daran denkt, die richtigen Schlüsse aus der Situation zu ziehen.

Pozsar bringt es so auf den Punkt:

„Um es zu unterstreichen: Die USA haben die Hälfte der OPEC mit 40 Prozent der weltweiten Ölreserven sanktioniert und sie an China verloren, während China die andere Hälfte der OPEC mit einem Angebot umwirbt, das schwer abzulehnen ist. Die restlichen 20 Prozent der nachgewiesenen Ölreserven befinden sich in Nord- und Westafrika sowie Indonesien. Geopolitisch wird Nordafrika derzeit von Russland dominiert, Westafrika von China und Indonesien hat seine eigene Agenda.“

Und die Agenda des muslimischen Landes ist nicht unbedingt pro-westlich, würde ich meinen.

In Summe klingt das nicht nach einer Gewinner-Strategie für den Westen.

Vor allem auch in Hinblick auf hiesige Wertschöpfung und Arbeitsplätze:

„China wird in den nächsten ‚drei bis fünf Jahren‘ nicht nur für mehr Öl in Renminbi zahlen, was den US-Dollar verdrängt, sondern auch Investitionen in nachgelagerte petrochemische Industrien im Iran, in Saudi-Arabien und im ganzen arabischen Raum finanzieren. Dies bedeutet, dass in Zukunft viel mehr Wertschöpfung vor Ort auf Kosten der Industrien im Westen erwirtschaftet wird. Stellen Sie sich das als ein ‚Farm-to-Table‘-Modell vor: Früher habe ich Ihnen mein Huhn und mein Gemüse verkauft, und Sie haben in Ihrem Fünf-Sterne-Restaurant Suppe für einen Aufpreis verkauft, aber von jetzt an mache ich die Suppe selbst, und Sie können es in einer Dose importieren – mein Öl, meine Jobs, Ihre Ausgaben, ‚unsere Ware, Ihr Problem.‘ ‚Unsere Ware, unsere Emanzipation‘.“

Auch das trifft vor allem eine EU, die alles daransetzt, die Energie zu verteuern. Da hilft auch kein Klimazoll mehr.

Ich muss an dieser Stelle gestehen, dass ich den Ausführungen von Pozsar folge und mich immer mehr frage: Was machen wir hier in Europa eigentlich?

Und es kommt noch besser. Die Sanktionen führen dazu, dass wir im Westen Rohstoffe teurer kaufen, über einen Umweg:

„Wir sehen bereits Beispiele für den Wiederverkauf von Rohstoffen: China wurde zu einem großen Exporteur von russischem LNG nach Europa und Indien zu einem großen Exporteur von russischem Öl und raffinierten Produkten wie Diesel nach Europa. Wir sollten in Zukunft mit mehr ‚Weiterverkäufen‘ von mehr Produkte rechnen und fakturiert nicht nur in Euro und Dollar, sondern auch in Renminbi, Dirham und Rupien.“

… was nichts anderes bedeutet, als dass es relativ teurer ist und damit unsere Industrie an Wettbewerbsfähigkeit verliert. Wenn wir trotzdem mehr in Europa fertigen wollen – siehe Argumentation zuvor – dann haben wir höhere Preise und damit mehr Inflation.

Doch damit nicht genug. Es geht auch um ein neues Währungssystem:

„Was ich oben beschrieben habe, ist ein De-facto-Zustand, in dem Russland, der Iran und Venezuela ihre Ressourcen effektiv der ‚Sache‘ der BRICS- und der neuen Seiden-Straße zugesagt haben, und China die Golfstaaten umwirbt, dasselbe unter einem ‚neuen Paradigma‘ zu tun. Aber es gibt auch eine De-jure-Version des Themas und hier kommt eine Rede von Präsident Putin ins Spiel. Am 22. Juni 2022, beim BRICS Business Forum – einem WEF-ähnlichen Treffen der ‚G7 der Osten‘ – stellte Präsident Putin fest, dass ‚an der Schaffung einer internationalen Reservewährung auf der Grundlage eines Währungskorbs unserer Länder gearbeitet wird‘.“

Jetzt könnte man das als Propaganda abtun, aber es gibt inhaltlich gute Gründe für China und die anderen Staaten, in diese Richtung zu arbeiten.

Pozsar meint dazu konkret:

„Dem Geschehen im globalen Osten und Süden muss Aufmerksamkeit geschenkt werden, insbesondere angesichts der Tatsache, dass dieses Jahr Saudi-Arabien, die Türkei und der Iran alle mit ihrer Bewerbung bei den BRICS begonnen haben. Bedenken Sie nun, wenn Russland und der Iran miteinander auskommen, China und der Iran miteinander auskommen, Russland und Saudi-Arabien miteinander auskommen und China und Saudi-Arabien miteinander auskommen, dann führen die Außenminister von Saudi-Arabien und Iran das, was die FT ‚freundschaftliche Gespräche‘ nennt.“

Das ist mittlerweile Realität. Es ist der logische nächste Schritt auf dem Weg zu neuen Bündnissen. Doch nochmal zum Thema Energieversorgung – Pozsar erinnert daran, dass Öl in den kommenden Jahren knapper wird:

„In den letzten zehn Jahren stammte das gesamte Wachstum der globalen Ölförderung aus US-Fracking und anderen nicht konventionellen Quellen wie kanadischem Ölsand. Wir wissen aus offiziellen Kommentaren nach dem Besuch von Präsident Biden in Saudi-Arabien, dass das Königreich derzeit an der Kapazitätsgrenze ‚pumpt‘ und die Produktion bis 2025 nur um eine Million Barrel pro Tag steigern kann und dann ‚nicht mehr‘ weiter. Bedenken wir vor diesem Hintergrund, dass die Produktion aus Schieferfeldern ihren Höhepunkt erreicht hat, dann scheint mir, dass wir in den nächsten drei bis fünf Jahren mit einer unelastischen Versorgung mit Öl und Gas rechnen müssen.“

Wir wollen ja auch kein Öl mehr fördern, ganz zu schweigen von heimischem Gas. Die Folge MUSS sein, dass das Angebot stagniert bzw. schrumpft. Und was passiert mit diesem knappen Angebot? Pozsar sagt das nun Offensichtliche:

„(1) China erhält einen größeren Anteil mit Rabatt, fakturiert in Renminbi.

(2) China wird mehr nachgelagerte Produkte mit einer größeren Spanne exportieren und …

(3) China wird mehr Unternehmen wie BASF mit ermäßigten Energierechnungen anlocken.

(4) Der Iran wird mit chinesischem Kapital auch mehr nachgelagerte Exporte tätigen und …

(5) Golftstaaten mit chinesischem Kapital, dito, höchstwahrscheinlich für Renminbi.

Das ‚neue Paradigma‘, wie ich es sehe, geht mit einem Thema der ‚Emanzipation‘ einher: Sowohl sanktionierte als auch nicht sanktionierte Mitglieder der OPEC werden mit chinesischem Kapital das ‚Farm-to-Table‘-Modell übernehmen, in dem sie nicht nur Öl verkaufen, sondern auch mehr davon raffinieren und zu petrochemischen Produkten mit hoher Wertschöpfung verarbeiten. Angesichts der Lieferengpässe wird dies wahrscheinlich auf Kosten der Raffinerien und petrochemischen Unternehmen im Westen und auch des Wachstums im Westen gehen. All dies bedeutet viel weniger heimische Produktion und mehr Inflation im Westen.“

Dafür bräuchte man eine Strategie – aber der Vorteil ist auch hier auf chinesischer Seite. Langfristiges und strategisches Denken liegt unseren Politikern nicht.

Aber wir brauchen ja keine fossilen Energien mehr, wir machen doch jetzt alles erneuerbar? Auch hier zeichnen sich laut Pozsar Probleme ab:

„Anfang 2022 forderte der indonesische Präsident Widodo ein Kartell im OPEC-Stil für Batteriemetalle für Elektrofahrzeuge. Ressourcennationalismus liegt in der Luft, aber die Märkte scheinen ihn nicht als potenziellen Inflationstreiber einzupreisen.“

Und die Regierungen scheinen ihn nicht als massiven Wettbewerbsnachteil zu sehen.

Soweit Pozsar zum Kampf um Rohstoffe.

Kommentare (13) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. Lothar
    Lothar sagte:

    Wir wollen überall auf der Welt unsere Werte durchsetzen, andere Staaten setzen auf Effizienz und Handel. Heute war in den Medien zu lesen, dass der Tschad den deutschen Botschafter ausgewiesen hat, weil er sich zu sehr in die inneren Angelegenheiten eingemischt hat. In den Kommentaren konnte man dann lesen, Entwicklungshilfe streichen, wir brauchen keine diplomatischen Beziehungen zum Tschad, usw. Natürlich sind das alles autokratische Staaten, aber wir können uns es nicht mehr leisten mit allen autokratischen Staaten die Beziehungen und insbesondere den Handel einzustellen. Wenn selbst ehemals verfeindete Staaten wie Saudi-Arabien und Iran sich aus Effizienzgründen annähern können, müsste das doch aus rationalen Gründen auch für Deutschland möglich sein. Wir haben es doch in den letzten 70 Jahren auch verstanden, mit allen möglichen autokratischen Staaten Handel zu treiben. Staaten wie die Türkei, Indien und Brasilien machen es uns vor, wie man mit beiden Machtblöcken Handel betreiben kann.

    Antworten
    • Richard Ott
      Richard Ott sagte:

      @Lothar

      Zum Glück ist der Tschad ein Binnenstaat, das erspart uns peinliche Szenen, weil es das Entsenden eines Bundeswehr-Kanonenbootes selbst für grüne Minister mit ganz besonders viel Sendungsbewusstsein unmöglich macht.

      Antworten
  2. foxxly
    foxxly sagte:

    da geld die welt regiert und das großkapital im westen (noch) zu hause ist, hat uns dieser praktizierte kapitalismus, jahrzehnte lang aufgebaut (auf verschuldung) und jetzt, aktuell hat der westen verspielt

    dass dieses kapitalistische system ein systemischens ende hat, ist glasklar.
    NICHT neu ist, weil dies in der historie schon wiederholt wurde, das die politik das vorzeitige ende einleitet; diesmal wieder die usa. (damit hat niemand das schuldsystem als eigentliche ursache erkannt)
    der unterschied zu früher ist, dass die usa damals weltmacht wurde und diesmal verliert.

    die politik, gesteuert durch die interessen des kapitals, weiß nun keinen anderen rat mehr, als mit seinen schritten von sanktionen und kriegen, die wirtschafts-globale welt, zu spalten.

    die wirtschaftsteilnehmer der “NEUEN-ost welt”, sind sehr viel mehr, als die bisherige weltmacht hintersich vereinen konnte.

    jedenfalls kann der (bisherige) weltherrscher mit halbwegs normalen wirtschaftlichen mitteln, seine macht nicht mehr erhalten.

    ich fürchte, dass der machthaber, ausbeuter und unterdrücker, seine hässliche fratze “wieder” zeigen wird
    (zb atom gegen japan)
    und über leichen gehen und verbrannte erde hinterlassen wird, ist sein geschäft.

    interessant wird sein, welche fadenscheinige begründung dazu geliefert wird.
    eine neue, diesmal ernsthaftere plandemie?

    Antworten
  3. Andrea Saalburg
    Andrea Saalburg sagte:

    Frage an die community:
    Eine Bekannte wünscht sich einen bto-ähnlichen Podcast auf Englisch. Kritisch, unabhängig, nicht von den Staatsmedien, Politik und Wirtschaft, weniger Finanzen. Und gerne ein bisschen Verschwörungshypothesen.

    Gibt es da übereinstimmende Tipps? Vielen Dank und schöne Ostern!

    Antworten
  4. weico
    weico sagte:

    @bto “Dafür bräuchte man eine Strategie – aber der Vorteil ist auch hier auf chinesischer Seite. Langfristiges und strategisches Denken liegt unseren Politikern nicht.”

    Globalpolitik ist in Europa, nach dem WW2, praktisch gestorben. Vasallen brauchen halt nicht zu denken !

    Man beachte die Feinheiten der “Tischdiplomatie”:

    https://pbs.twimg.com/media/FtJJKgIaQAAnsCt?format=jpg&name=small

    https://pbs.twimg.com/media/FtJJKgIaQAAnsCt?format=jpg&name=small

    Antworten
    • Richard Ott
      Richard Ott sagte:

      @weico

      In US-Vasallenkreisen macht man sich ja schon längere Zeit lustig darüber, dass Putin nur überlange Tische hat, aber das ist ein tragisches Missverständnis: Nur gute Freunde dürfen bei Putin und Xi an den kleinen Tisch. Aber woher sollen EU und UK das wissen?

      Antworten
  5. Beobachter
    Beobachter sagte:

    Üble Aussichten für Europa. Natürlich hat China ungelöste finanzielle Probleme im Inneren, gerade im Immobiliensektor. Aber trotzdem wird es sich für uns weiter verschlechtern, solange wir Vasallen der USA sind. Die USA haben mit ihren Sanktionen und ihrer Übergriffigkeit zuviel Porzellan in der 3. Welt und Asien zerschlagen. Das wird sich rächen.

    Antworten
    • weico
      weico sagte:

      @Beobachter

      “Die USA haben mit ihren Sanktionen und ihrer Übergriffigkeit zuviel Porzellan in der 3. Welt und Asien zerschlagen. Das wird sich rächen.”

      Exakt !

      Das “Nichtvergessen” kommt ja in letzter Zeit…. in manchen Reden von “3.Welt” Präsidenten usw. …gut zum Ausdruck. Darum hat ja die BRICS-Idee auch so einen grossen Zulauf und wird den Markt sicherlich noch stark beschäftigen …

      Die dümmlich-naive Sanktionspolitik der USA und des “Westens” wird mehr und mehr zum Bumerang bzw. Schuss ins eigene Bein.

      Nachdem die USA und der “Westen” ja China in der Chiptechnologie sanktionieren ….. folgt wohl nun die Gegensanktion Chinas mit den im Westen gern verwendeten Floskeln.. “national security” ! :-) :-)
      Frei nach dem bewährten Motto: Aktion -Reaktion

      China will bei den “Seltenen Metallen” nun wohl etwas die “Daumenschrauben” anziehen.

      China Plans to Ban Exports of Rare Earth Magnet Tech
      The draft revision says the export ban and restrictions are aimed at protecting “national security” and are in the “public interest of society.” Chinese President Xi Jinping’s administration has positioned magnets as a key factor in China’s economic growth and security.

      https://japannews.yomiuri.co.jp/world/asia-pacific/20230405-101753/

      Nebenbei:
      Für die USA war ja sogar Nord Stream 2 in Europa ….eine Gefährdung IHRER “national security”…!

      Antworten

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