Wohl wahr: Der nächste Kollaps kommt bestimmt

Eine meiner Grundüberzeugungen ist, dass es immer anders kommt als die Mehrheit erwartet. Zumindest an den Finanzmärkten, bei der Bundestagswahl dürfte es zu Recht keinen Grund zur Hoffnung geben. Was aber auch daran liegt, dass wir keine wirklichen Alternativen zur Wahl haben. Alle wollen das Gleiche: Zuwanderung, Euro, Umverteilung, mehr Sozialstaat, generell mehr Konsum und wenig Wohlstandssicherung. Dazu demnächst in anderer Form mehr.

So häufen sich nun also die Stimmen, die das Gleiche sagen wie bto: Die Krise kommt wieder. Heute Morgen der Ex-Goldman-Ökonom, jetzt nun also Thomas Fricke von SPIEGEL ONLINE. Die wichtigsten Punkte:

  • Das Irre ist, dass es selbst zehn Jahre, nachdem im Sommer 2007 das historische Desaster mit folgenden Bankenpleiten und globaler Rezession begann noch ziemlich abenteuerlich profane Vorstellungen davon gibt, was der Grund für die Krise war.” – bto: Das sehe ich genauso, frage mich jedoch, ob denn Fricke weniger profane Vorstellungen zu bieten hat.
  • In Deutschland, mehr als anderswo, scheint vor allem die Deutung hängen geblieben, dass es am Ende um das Fehlverhalten einzelner Banker oder (aller) Griechen ging (…).” – bto: was am erschreckend geringen Wissen der Deutschen (Medien) über Wirtschaft liegen dürfte und an dem politisch-medialen Spin, der dem Ganzen gegeben wurde.
  • Natürlich hat auch das, was die Griechen erleben, nur zu einem Teil mit ihrem eigenen Fehlverhalten zu tun – dass die Eurokrise eskalierte, lag auch am typischen Verhalten von Finanzmarktjongleuren, wenn Panik ausbricht (da wird rasch fast alles abgestoßen); und daran, dass gerade deutsche Politiker lange zu verhindern versuchten, die Panik mit unkonventionellen Hilfen zu stoppen. In dem fatalen Glauben, dass die Griechen nur genug sparen müssten, damit die Krise aufhört.” – bto: Interessant ist, dass Fricke mit keiner Silbe die überbordende Verschuldung und die Notwendigkeit von Schuldenschnitten thematisiert. Damit bleibt er genauso an der Oberfläche wie auch die von ihm kritisierten Politiker.
  • Natürlich war es da Gold wert, dass die Europäische Zentralbank (EZB) und ihr Chef Mario Draghi interveniert haben, um die immer gefährlicher werdende Euro-Panik zu stoppen.” – bto: Das würde sogar ich sagen. Allerdings hat die EZB maßgeblich zu der Krise beigetragen, weil sie den Verschuldungsboom in der Peripherie zugelassen hat.
  • Der tiefere Grund für die stetig gewachsenen Finanzdesaster der vergangenen Jahrzehnte liegt in eben jenem fatalen Mix aus irrer Masse der täglichen Finanzgeschäfte einerseits und sporadischem Wechsel zwischen Exzessen und anschließenden Panikkrisen (…) die Finanzanleger (folgen) gerne der Herde, neigen dazu, etwas hochzuhypen und anschließend davonzurennen. Das ist menschlich. So wie beim Aktiencrash 1987, dem Immobiliencrash in Japan Ende der Achtzigerjahre, der Schwellenländerkrise 1997 und 1998, der New-Economy-Krise 2000 – oder dem Crash ab 2007 eben. Trend: zunehmend fatal. Was vor allem an den irre gewachsenen Ausmaßen der Finanzgeschäfte liegt.” – bto: Das ist mir zu banal. Richtig ist, dass das Finanzsystem ein immer größeres Rad dreht. Allerdings tut es dies mit der Rückendeckung der Notenbanken (“asymmetrische Reaktion”) und einer politisch beförderten Kultur des ungebremsten Leverages. Dies blendet Fricke bewusst aus, wären die Schlussfolgerungen doch auch andere, solche, die ihm nicht in das Konzept passen.
  • Zu den großen Problemen unserer Zeit zählt seither, dass die Finanzwelt ziemlich abgekoppelt von der Realwelt ist. Und dass es dank reichlich Kreativität und Fantasie für professionelle Finanzzauberer immer wieder höhere Renditen verspricht, Geld und Gewinne in Finanzprodukte zu investieren – statt damit neue Werkshallen, Büros und reale Jobs zu schaffen.” – bto: Das liegt aber an den monetären und politischen Rahmenbedingungen!
  • Das Bankgeschäft konzentriert sich jetzt (noch) stärker auf wenige Akteure – tückisch. Nach wie vor werden Tag für Tag weltweit Devisen im Wert von rund fünf Billionen US-Dollar gehandelt. Damit könnte man in vier Tagen den kompletten weltweiten Warenhandel eines ganzen Jahres abwickeln. (…) Ähnliches gilt für Derivate-Geschäfte, die ebenfalls kaum nachgelassen haben. Und Banken müssen trotz Anhebung der Quoten auch künftig nur einen ziemlich kleinen Teil Eigenkapital halten, was heißt, dass sie nach wie vor mit wenig Mitteln für ziemlich viel Schulden sorgen können. Auch auf den Immobilienmärkten gibt es bisher wenig, was neue Exzesse verhindern könnte.” – bto: alles, weil die Politik weiter auf billiges Geld = neue Schulden setzt, um weiteres Wachstum zu erzwingen. Das ist der Wahnsinn, der angeprangert werden müsste!
  • Heute gibt es Leute, die mit viel Eifer erklären, dass es normal ist, wenn Aktienkurse derzeit um sage und schreibe die Hälfte höher liegen als 2008 (als sie wahrscheinlich auch schon eher überhöht waren). Obwohl die Wirtschaftsleistung in Deutschland gerade ein Fünftel höher ist als damals – und auch die Weltwirtschaft so schwach wächst wie seit Jahrzehnten nicht. Ach, heißt es da, gemessen an den Gewinnen seien die Kurse gar nicht (zu) hoch. Klar: Nur sind die hohen Gewinne der Unternehmen bei kaum noch wachsenden Masseneinkommen möglicherweise auch ein Symptom dafür, dass etwas schiefläuft und auf Dauer nicht tragbar ist.” – bto: Gut, dies ist Lesern von bto
    nichts Unbekanntes.
  • Angesichts fast unverändert großer Masse an Finanzgeschäften und offenbar kaum verändertem Hang, Herdentrieben zu folgen, wird die nächste große Finanzkrise nicht ewig auf sich warten lassen. Um das zu verhindern, bräuchte es viel radikalere Reformen, der Umfang der Finanzgeschäfte müsste deutlich schrumpfen (nicht unbedingt die Banken) – und automatische Stoppmechanismen müssten einsetzen, sobald die Frühwarnsignale für exzessives Geldmachen zunehmen.” – bto: Wie wäre es denn mit weniger Schulden? Doch dazu müssten erst die Probleme bereinigt werden, allen voran der Schuldenüberhang aus den Exzessen der letzten Jahrzehnte. Fricke springt also auch deutlich zu kurz in seiner Analyse.

SPIEGEL ONLINE: „Der nächste Kollaps kommt bestimmt“, 25. August 2017