Wien stützt die kritische Sicht auf staatliche Wohnungspolitik

In verschiedenen Beiträgen habe ich mich kritisch mit den Wirkungen staatlicher Eingriffe in den Wohnungsmarkt beschäftigt. So u.a. hier:

→ „Enteignung als Irrweg: Wie der deutsche Wohnungsmarkt wirklich zu retten ist“

Wesentlicher Kritikpunkt waren die Nebenwirkungen dieser Politik, die zu einer Fehlallokation führen und vor allem Günstlingswirtschaft und Korruption Tür und Tor öffnen. Diese habe ich so erklärt:

  • Zunächst ist das eine Subvention der glücklichen Ist-Mieter zulasten der Allgemeinheit. Mit demselben finanziellen Aufwand könnte man neue Wohnungen bauen und so das Angebot vergrößern (was den Mietanstieg dämpft) oder aber allen Mietern einen staatlichen Zuschuss geben. Es ist offensichtlich, dass die Verwendung von Staatsmitteln zum Aufkauf vorhandener Wohnungen der ineffizienteste Weg ist.
  • Schnell wird sich ein Markt bilden für die Vergabe von Wohnungen in den so subventionierten Häusern. Da die Miete gedeckelt ist, werden andere Formen der Bezahlung an Bedeutung gewinnen. Dies reicht von der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe (Partei, Beruf …) bis hin zu Korruption. Letztere blüht besonders da, wo die Preise nicht marktgerecht sind. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die besonders guten Wohnungen der früheren staatlichen Immobiliengesellschaften nicht selten besonders günstig an besonders gut vernetzte Personen vergeben wurden.
  • Die Fluktuation im Bestand geht weiter zurück. Schon heute bleiben langjährige Mieter in der mittlerweile zu großen Wohnung (Kinder ausgezogen, Ehepartner verstorben), weil sie von der durch Mietspiegel und Mietpreisbremse künstlich tief gehaltenen Miete profitieren. Benachteiligt sind junge Familien, denen noch weniger Wohnungen zur Verfügung stehen.

Kritiker halten dem entgegen, dass die Stadt Wien doch vormachen würde, wie es geht. Doch der nüchterne Blick der NZZ zeigt, dass genau die Symptome, die ich diagnostiziere, in Wien auftreten:

  • “Auf den ersten Blick wirkt Wien tatsächlich wie ein Wohnparadies. Rund 31% der Mieter leben in einem Gemeindebau, was die Stadt zur grössten Immobilienbesitzerin Europas macht. Weitere 26% wohnen in einer geförderten Genossenschaftswohnung. Sowohl im Gemeindebau wie in den Genossenschaften gelten staatlich regulierte Mieten, man zahlt deshalb nur bescheidene 6 bis 7 € pro Quadratmeter (inkl. Betriebskosten) (…).” – bto: Also mehr als 50 Prozent des Marktes ist öffentlich und eine Warmmiete von sechs bis sieben Euro ist selbst aus Berliner Sicht günstig. Ziel erreicht, kann man da nur sagen.
  • Das Wiener Modell beruht allerdings nicht nur auf dem geförderten Wohnbau, sondern auch auf einem strikten Mieterschutz in Österreich. So gelten für einen grossen Teil der Altbauhäuser in Wien ebenfalls regulierte und oft sehr günstige Mieten. Generell dürfen die regulierten Mietpreise nur um die Inflationsrate erhöht werden, und Vermieter können Kosten für Renovierungen nur begrenzt überwälzen.” – bto: Und ich gestehe, dass die Häuser besser aussehen als in Ost-Berlin vor der Wende. Insofern auch ein Beweis dafür, dass staatliche Politik wirkt?
  • “Falls ein Mieter stirbt oder auszieht, gibt es weitgehende «Eintrittsrechte» für Kinder, Enkel oder andere Verwandte in Bezug auf die Altverträge. Als Folge dieser Regulierungen ist der Grossteil der Wiener Wohnungen dem freien Markt entzogen. Nur eine von acht Mietwohnungen lässt sich prinzipiell zu freien Konditionen vermieten. Dieses enge Segment beschränkt sich im Wesentlichen auf private Neubauten und sehr grosse Altbauwohnungen.” – bto: Vermutlich ist es dann doch lohnend, zu bauen, wenn man ein knappes Angebot hat, in dem zudem die Begrenzungen nicht gelten.

Doch nun zu den Schattenseiten, die stark zu meinen Erwartungen passen:

  • Es gibt in Wien eine “ausgeprägte Zweiklassengesellschaft. Privilegiert ist der «Mietadel» der Alteingesessenen, die seit langem in einer Gemeinde-, Genossenschafts- oder Altbauwohnung leben oder den günstigen Vertrag von Verwandten übernommen haben. Diesen «Insidern» gegenüber stehen Neuankömmlinge oder junge Familien, die zum ersten Mal in Wien eine Wohnung suchen. Sie müssen meist im sehr engen Segment der frei vermietbaren Wohnungen etwas finden“. – bto: und viel dafür bezahlen.
  • “(…) Einwohnerzahl ist im vergangenen Jahrzehnt deutlich gewachsen. Die zusätzliche Nachfrage bricht sich aber hauptsächlich auf den zwei «freien» Teilbereichen des Wohnungsmarktes Bahn. So sind die privaten Mieten seit 2008 um beträchtliche 53% gestiegen. (…) Ebenfalls explodiert sind die Preise für Eigentumswohnungen.)” – bto: was nicht verwundern kann. Es ist halt eine sehr ungezielte Subventionierung der Insider.
  • Drittens führt der strikte Mieterschutz dazu, dass der Wiener Wohnraum aus volkswirtschaftlicher Sicht schlecht genutzt wird.” – bto: weil Personen in Wohnungen sitzen, die viel zu groß sind und Familien beispielsweise keine Wohnungen finden.
  • Das Ausschalten von Preissignalen führt ausserdem dazu, dass sich Renovierungen für die Besitzer häufig nicht lohnen. So lassen sie Altbauten bisweilen verfallen, und auch die Wiener Gemeindebauten machen nicht immer den frischesten Eindruck.” – bto: Also doch, dann war ich wohl in den falschen Gegenden unterwegs.
  • “(…) eine geringe Treffsicherheit, wenn es um soziale Ziele geht. Für Gemeinde- oder Genossenschaftswohnungen sind die Einkommensgrenzen so grosszügig angesetzt, dass 90% der Bevölkerung dafür infrage kommen. Eine Prüfung der Bedürftigkeit findet zudem nur beim Einzug statt. So kann der gut verdienende Arzt, der als Student eine Gemeindewohnung erhalten hat, sein Leben lang zur günstigen Miete im Gemeindebau wohnen bleiben.” – bto: was wiederum sehr schön ist. Wie hatten das übrigens auch in Deutschland und das wurde dann durch eine Fehlbelegungsabgabe korrigiert. Die NZZ zeigt dazu eine Abbildung, wonach der größte Anteil der Mieter im öffentlichen Bereich mittlere Einkommen hat. 
  • Österreichweit gibt die Politik dafür rund 2,5 Mrd. € pro Jahr aus – etwa gleich viel wie für die Universitäten. Einen Teil der Finanzierung leisten die Arbeitnehmer, die 1% ihres Bruttolohnes als «Wohnbauförderungsbeitrag» an den Staat abliefern müssen.” – bto: Bei uns wären das 25 Milliarden. Das sind aber nur die laufenden Subventionen. Man muss ja den Wohnraum erst erwerben oder bauen, bevor man ihn subventionieren kann. Nehmen wir dazu ein Kaufpreis-Multiple von 20 an, ergibt das schlappe 500 Milliarden Einmalaufwand. Na gut, man kann ja enteignen …
  • Es führt zum “Ausschalten von Marktkräften, dass einfach andere Zuteilungsmechanismen zum Tragen kommen. So führt die Stadt Wien für Gemeindewohnungen jahrelange Wartelisten. Aber auf dem Wohnungsmarkt hilft es erfahrungsgemäss, wenn man jemanden kennt – am besten «in der Partei»“. – bto: Genauso war es in Berlin vor der Privatisierung der Immobilien. Genau das streben die linken Politiker auch an, geht es doch darum, sich den von allen bezahlten Zugriff auf Wohnungen zugunsten der eigenen Klientel zu sichern.
  • “(…) es (wäre) nötig, die Marktkräfte stärker spielen zu lassen. Allerdings wehrt sich die Stadtregierung vehement dagegen. Kürzlich hat sie den Markt noch mehr «zugemacht» mit neuen Beschränkungen, die das Bauen von Wohnungen für Private unattraktiver machen. Stattdessen sollen mehr staatlich verbilligte Wohnungen entstehen. Dahinter steht auch politisches Kalkül. Der geförderte Wohnbau ist immer noch eine Machtbastion des «roten Wien». Kaum etwas erlaubt es der SPÖ besser, sich als Wohltäterin der Bevölkerung zu präsentieren.” – bto: Und davon träumt auch die Linke hierzulande. Zuerst verhindert sie den Bau neuer Wohnungen und fördert die Zuwanderung (Stichwort – wir schieben niemanden ab), dann nutzt sie die steigenden Mieten zur politischen Mobilisierung, um dann über Enteignung die eigene Klientel zu bevorzugen.

→ nzz.ch: “Die meisten Wiener leben in einer geförderten Wohnung. Was paradiesisch klingt, taugt dennoch nicht als Vorbild in der Wohnungspolitik”, 9. Mai 2019