Wiederaufbaufonds: 140 845.07 Euro pro Einwohner für den Erhalt eines Bergdorfes

Der Wiederaufbaufonds soll ja bekanntlich die EU voranbringen. Wachstum und Wohlstand fördern, Klima schützen. Skeptiker wie der Bundesrechnungshof dürften sich angesichts der tatsächlichen Mittelverwendung bestätigt sehen.

Bundesrechnungs­hof warnt ein­drücklich vor Wieder­auf­bau­fonds

Aktuelles Beispiel: das Dorf Trevinano in Italien. Immerhin 140 845.07 Euro pro Kopf Subventionen aus dem Topf müssen nun schnell ausgegeben werden. Die NZZ berichtet:

  • Wie zwanzig andere winzige Dörfer in Italien hat Trevinano mit seinen 142 Einwohnern den Zuschlag für Mittel aus dem europäischen Wiederaufbaufonds erhalten – und muss ganz schnell entscheiden, was es mit dem vielen Geld machen will.“ – bto: ist das nicht toll, die EU wirkt.
  • Und nun also diese 20 Millionen Euro. Sie sollen das Dorf mit seinen gerade noch 142 Einwohnern vor dem Aussterben bewahren. So hat es kürzlich das Kulturministerium in Rom beschlossen. Die Mittel stammen aus dem PNRR, dem «Piano nazionale di ripresa e resilienza», wie die Regierung von Mario Draghi den Plan nennt, mit dem sie die Italien zugesprochenen 191 Milliarden Euro aus dem europäischen Wiederaufbaufonds sinnvoll verteilen will.“ – bto: ich bin ganz sicher, dass die anderen 190 Milliarden sinnvoll ausgegeben werden….
  • Im letzten Dezember habe er die Ausschreibung im Internet gesehen, (…) Sofort habe man sich an die Arbeit gemacht, eine Projektskizze entworfen und diese mit den Verantwortlichen der Region Lazio besprochen. Profitiert habe man von Vorarbeiten, die Terrosis Mitte-links-Allianz für das Programm des Gemeindewahlkampfs vom letzten Herbst gemacht habe. Unterstützt wurden die Behörden des Ortes von einer gut vernetzten Arbeitsgruppe aus Architekten, Ingenieuren, Vertretern des Tourismus, der Gastronomie und weiteren Interessenten aus der Gegend.“ – bto: gibt es einen schöneren Beweis, dass die Menschen sich durchaus motivieren lassen?
  • Gesamthaft 420 Millionen Euro aus dem PNRR will Draghis Regierung für die Rettung und die Wiederbelebung sterbender Dörfer zur Verfügung stellen; jede Region wurde damit beauftragt, jeweils ein Projekt auszuwählen, das mit 20 Millionen gefördert wird.
  • “Die Namen der Sieger des Wettbewerbs werden nun schrittweise veröffentlicht. Und mit jeder Bekanntgabe gehen lebhafte Diskussionen einher: Warum gerade dieses Dorf und nicht jenes? Warum keine Aufteilung der 20 Millionen auf mehrere Ortschaften? Warum andere Vergabekriterien in jeder Region?“ – bto: ein Einfallstor für Korruption. Ein wahres Fest!
  • Was aber macht man mit 20 Millionen? Würde man den Gesamtbetrag auf die Bewohner Trevinanos verteilen, würde jede und jeder 140 845.07 Euro erhalten. Doch die Gemeinde hat andere Pläne: Unter dem Titel «Re-Wind» wird das Hauptaugenmerk auf die Verbesserung der Infrastruktur und vor allem auf die Schaffung einer Ausbildungsstätte für Studenten gelegt. (…) Die umliegenden Wälder und der Naturpark böten den künftigen Studierenden hervorragendes Anschauungsmaterial, ist die ausgebildete Agrarwissenschafterin Terrosi überzeugt. Und damit die Studenten auch untergebracht werden können, müssten einige der leerstehenden Häuser umgenutzt werden. Ausserdem will die Bürgermeisterin den Ort kulturell beleben. Man stehe bereits mit dem Maxxi, dem von Zaha Hadid gebauten nationalen Museum für zeitgenössische Kunst in Rom, in Verbindung. Mit all den Plänen sei sichergestellt, dass die ganze Region profitiere.“ – bto: wie diese Ausgaben das Wachstumspotenzial Italiens steigern sollen, ist mir schleierhaft.
  • Trevinano wird es vielleicht schaffen. Oder versickert auch hier, wie so oft in Italien, das Geld irgendwo? «Wir wissen, was auf dem Spiel steht», entgegnet die Bürgermeisterin, «wir tragen die Verantwortung für den sorgsamen Umgang mit dem Geld.»“ – bto: hhm.

NZZ (Anmeldung erforderlich): „Es regnet Geld auf Trevinano: Warum ein kleines Bergnest in Italien auf einen Schlag 20 Millionen Euro erhält“, 2. Mai 2022