Wie Nullzins Vermögen zerfrisst

Gestern Morgen habe ich die Ursachen der tiefen Zinsen (erneut) betrachtet. Hier nun als kleine Ergänzung die neuesten Zahlen zu den fatalen Wirkungen der Nullzins-Politik auf das Vermögen der kleinen Leute. Diesmal indirekt. Denn in den Pensionsfonds der DAX-Unternehmen sind riesige Lücken. Jetzt kann man sagen, dass dies ja “nur” die Aktionäre trifft. Es zeigt aber deutlich, wie unsere ganzes System von innen zerfressen wird.

An dieser Stelle nur ein paar Auszüge, die ausführlichen Daten mit den Werten für die einzelnen Unternehmen einfach im Original nachlesen:

  • “Wie ein Mühlstein wirkt die Pensionslast insbesondere bei denjenigen Unternehmen, die es in der Vergangenheit versäumt hatten, die zur Bedienung der Schulden notwenigen finanziellen Mittel auszulagern und rentierlich anzulegen. Zu groß war scheinbar der Charme, die Zusagen über Rückstellungen zu finanzieren, im Vertrauen darauf, dass die notwendigen Mittel in der Zwischenzeit über das operative Geschäft verdient werden. (eine) Rechnung (die) bei vielen Konzernen offenbar nicht aufging.” – bto: Das ist eine gute Zusammenfassung. Dabei ist es wenig tröstlich, dass es den Unternehmen beispielsweise in den USA nicht besser ergeht. Es ist halt ein gigantisches Ponzi-Schema, das sein Ende findet, alleine schon aufgrund der Demografie.
  • “(…) die Pensionsverbindlichkeiten der deutschen Großkonzerne  (sind) nur zu etwa zwei Drittel mit entsprechendem Vermögen unterlegt (….) Zudem war das vergangene Jahr sowohl am Aktien- als auch am Anleihenmarkt das wohl herausforderndste seit der Finanzkrise, was bei so manchem Konzern insbesondere zum Ende des Jahres zu schmerzhaften Einschlägen beim Planvermögen geführt hat.” – bto: was daran liegt, dass das billige Geld eben keine unendlichen Kursgewinne am hiesigen Aktienmarkt garantiert.
  • “(…) so muss man konstatieren, dass die ausgelagerten Planvermögen stark auf Staats- und Unternehmensanleihen ausgerichtet sind. Dies ist vor dem Hintergrund der erodierenden Verzinsungen neu emittierter Anleihen problematisch. Wollen Unternehmen die bestehenden Pensionsdefizite verringern, so werden sie nicht umhinkommen, ihre Anlagepolitik zu überdenken und/oder das Pensionsvermögen kräftig aufzustocken. Die hierfür verwendeten Mittel fehlen dann an anderer Stelle, etwa für Investitionen oder Dividenden.” – bto: Dies passt zu anderen Analysen, die zeigen, dass die Gewinne der DAX-Konzerne gar nicht so stark zugelegt haben in den letzten Jahren, sondern vor allem auch von großzügigerer Rechnungslegung profitieren.
  • “Insgesamt haben die DAX-30 Unternehmen zum Ende des vergangenen Geschäftsjahrs 365,7 Mrd. Euro an Pensionsverbindlichkeiten ausgewiesen. (…) das aggregierte DAX-Pensionsdefizit (ist) mit 123,7 Mrd. Euro gegenüber 119,8 Mrd. Euro im Vorjahr mehr oder minder konstant geblieben ist. Dies bedeutet, dass bei jedem einzelnen DAX-Konzern eine durchschnittliche Lücke von etwa 4 Mrd. Euro zu konstatieren ist.” – bto: Die 120 Milliarden sollte man bei der Bewertung des DAX gleich mal abziehen.
  • “Als Differenz von Verbindlichkeiten und Planvermögen ergibt sich (…) bei Volkswagen das absolut betrachtet höchste Pensionsdefizit aller DAX-Unternehmen, das 33,0 Mrd. Euro (..) Auf den Plätzen folgen Allianz (8,8 Mrd. Euro) und Bayer (8,6 Mrd. Euro). Die absolut gesehen niedrigsten Defizite weisen die Unternehmen SAP (144 Mio. Euro), Deutsche Börse (164 Mio. Euro) und Heidelbergcement (170 Mio. Euro) aus.” – bto: Irgendwie wundert das einen bei VW nicht. Bayer hat bekanntlich auch gerade keine vollen Kassen.
  • “Um eine Einschätzung hinsichtlich der bilanziellen Relevanz zu erlangen, gilt es, das Pensionsdefizit in Relation zum bilanziellen Eigenkapital zu setzen. (…) die Relation von Pensionsdefizit zu Eigenkapital (ist) bei ThyssenKrupp mit 230 % mit deutlichem Abstand am höchsten. Vergleichsweise hohe Werte ergeben sich ebenso bei der Deutschen Lufthansa (61,0%) und E.ON (38,1 %).” – bto: was natürlich voraussetzt, dass man das vom Goodwill aufgeblähte Eigenkapital ernst nimmt bei den anderen Firmen.
  • “Um die finanzielle Relevanz der Pensionslücke abschätzen zu können, lässt sich letztere mit dem operativen Cashflow in Relation setzen. (…) Bei Zugrundlegung dieser Kennzahl schneidet Daimler mit einem Verhältnis von 7,7 am schwächsten ab, dicht gefolgt von ThyssenKrupp von 7,1 und Volkswagen mit 6,4. Dies bedeutet, dass diese Unternehmen ihre operativen Zahlungsmittelüberschüsse mehr als sechs Jahre lang einzig zur Aufpolsterung ihrer Planvermögen verwenden müssten, um die Pensionslücke zu schließen.” – bto: Als hätten diese Unternehmen nicht schon genug andere Herausforderungen.

Wenig verwunderlich empfiehlt Flossbach von Storch eine höhere Aktienquote, was ich nicht kritisieren würde. Vermutlich steigen die Unternehmen aber erst in die Aktienmärkte ein, wenn diese am Zenit sind. Typisch Deutsch eben.

→ flossbachvonstorch-researchinstitute.com: “Pensionslasten im DAX: Die Trendwende bleibt aus!”, 16. Mai 2019